Die EU-Wahl ist geschlagen und brachte Europa einen Rechtsruck ein. In Österreich holte die FPÖ mit 25,7 Prozent die meisten Stimmen und fuhr ein historisches Ergebnis ein. Im Bundesland Salzburg gestaltete sich die Situation etwas anders, hier verlor die ÖVP zwar stark, belegte mit 29,7 Prozent aber dennoch den ersten Platz.
"Es ist schon ein überraschendes Ergebnis. Vor allem, meiner Ansicht nach, in Hinblick auf die ÖVP", so der Politikwissenschafter Eric Miklin von der Universität Salzburg im Gespräch mit SALZBURG24 am Montag. In Bezug auf die Umfragen im Vorfeld sei die FPÖ nicht ganz so stark wie erwartet gewesen und die ÖVP wiederum bis auf ein Prozent an die Freiheitlichen herangekommen. Der Politikwissenschafter habe größere Verluste bei der Volkspartei erwartet. Auch die SPÖ sei mit 23,2 Prozent nicht zu weit abgeschlagen. "Das ist auch spannend im Hinblick auf die Nationalratswahl."
FPÖ mit Favoritenrolle bei Nationalratswahl
Bei Rückschlüssen von der EU-Wahl auf die Nationalratswahl sei jedenfalls Vorsicht geboten, da es um andere Themen gehe. Die Problemlagen seien andere, wenn auch bei der Nationalratswahl die Migration einmal mehr das bestimmende Thema werde. Dazu kommen aber noch Soziales und Kampf gegen die Inflation sowie den Klimawandel.
Die besten Chancen für einen Sieg bei der Nationalratswahl sieht Miklin derzeit bei der FPÖ – wenn auch etwas abgeschwächt. "Vor allem deshalb, weil sie zuvor bei den Umfragen etwas zu hoch eingeschätzt wurde. Sie haben aus derzeitiger Sicht aber die Favoritenrolle inne."
Miklin: ÖVP geht gestärkt aus EU-Wahl
Die ÖVP sei nach Ansicht des Politikwissenschafters gestärkt aus der Wahl hervorgegangen: "Absurderweise, obwohl sie rund zehn Prozent verloren hat. Aber die ÖVP steht jetzt im Kampf um Platz 1 doch besser da, als sie noch vor Kurzem dagestanden ist." Die Volkspartei könne das Ziel Wahlsieg mit nur einem Prozent Rückstand auf die FPÖ nun aus einer ganz anderen Position heraus behaupten.
Selbiges gelte für die SPÖ. "Die ist zwar nur Dritter geworden und hat ein Minus eingefahren, liegt gleichzeitig aber auch nur zwei Prozent hinter der ersten Partei." Die Sozialdemokratie habe bei EU-Wahlen grundsätzlich Schwierigkeiten, vor allem, weil sie Themen wie der Migration keine klare Position vertrete. "Zudem könnte man argumentieren, dass die zwei Prozent bei der EU-Wahl drinnen gewesen wären, wenn die Partei geeint gewesen wäre." Führungsdebatten und ein Richtungsstreit ließen bei den Roten in den vergangenen Monaten kaum Ruhe einkehren. Punkten könne die SPÖ hingegen bei der Nationalratswahl bei sozialen Themen und dem Kampf gegen die Inflation. "Insofern kann sich auch da noch etwas tun", so Miklin.
Grüne und NEOS mit Schwierigkeiten
Schwieriger hätten es hingegen die NEOS. Die Pinken haben sich im Wahlkampf stark proeuropäisch gegeben. "Das fällt auf Bundesebene aber wieder weg. Da ist nun die Frage, gibt es hier noch etwas, warum man sie wählt? Oder gehen die NEOS wieder mehr auf die Landesebene? Dann wird es schwieriger werden, sich zu positionieren."
Die Grünen als Regierungspartei könnten bei der Nationalratswahl abgestraft werden. "Ich kann mir vorstellen, dass es für die Grünen schwieriger wird, das Ergebnis der EU-Wahl auf Bundesebene zu wiederholen. Aber das heißt nicht, dass sie es nicht schaffen werden."
Einfluss von Kleinparteien unklar
Wie sich die Kleinparteien auf das Wählerverhalten auswirken, ist derzeit noch unklar. So konnte etwa die impfkritische Partei DNA bei der EU-Wahl auf Anhieb 2,7 Prozent holen. Bei der Nationalratswahl wiederum könnte die Bierpartei vor allem auf der linken Seite Stimmen abgreifen, ebenso die KPÖ – die bei Umfragen derzeit bei rund 3 Prozent liegt, meint Politikwissenschafter Miklin.
Rechtsruck in Europa weniger eindeutig
Im Allgemeinen sei der Rechtsruck bei der zurückliegenden EU-Wahl weniger eindeutig ausgefallen, als zuvor erwartet. "Es gibt eine gewisse Varianz im Ausmaß des Rechtsrucks." In Frankreich sei er massiv ausgefallen, in Deutschland ist die AfD stärker geworden, aber nicht auf Platz 1 gelandet. Dann gebe es wieder andere Länder wie Polen, wo die Regierung um Donald Tusk vor der nationalkonservativen PiS gewonnen hat.
Damit steuert der Wahlkampf für die Nationalratswahl in den nächsten Wochen auf seinen Höhepunkt zu. Das Rennen zwischen FPÖ, ÖVP und SPÖ dürfte laut Miklin jedenfalls eng werden. Sollten die Freiheitlichen die Wahl für sich entscheiden, stellt sich noch die Frage, ob Bundespräsident Alexander Van der Bellen einen Kanzler Herbert Kickl angeloben würde.
(Quelle: salzburg24)