VfGH prüft

Asyl-Rechtsberatung teils verfassungswidrig

Veröffentlicht: 22. Dezember 2023 12:00 Uhr
Die Unabhängigkeit der Rechtsberatung für Asylwerber ist durch die unter Schwarz-Blau eingerichtete Bundesbetreuungsagentur (BBU) nicht hinreichend gesetzlich abgesichert, wodurch das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf verletzt wird.
SALZBURG24 (mem)

Das hat der VfGH in einem Gesetzesprüfungsverfahren entschieden. Die entsprechenden Bestimmungen werden als verfassungswidrig aufgehoben. Bis 1. Juli 2025 hat der Gesetzgeber nun Zeit, eine gesetzliche Neuregelung vorzunehmen.

BBU übernimmt Rechtsberatung von Asylwerber:innen

Seit Juni 2019 ist die BBU, die zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes steht, damit betraut, die kostenlose Rechtsberatung von Asylwerber:innen im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durchzuführen. Zuvor führten vor allem Vereine derartige Beratungen durch. Im Dezember 2022 beschloss der VfGH, mehrere Bestimmungen im BBU-Errichtungsgesetz (BBU-G) sowie im Verfahrensgesetz für das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA-VG) von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen. Bedenken wurden unter anderem im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das Grundrecht auf "effektiven gerichtlichen Rechtsschutz" geäußert.

Asylwerber:innen ist für ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht kostenlos ein Rechtsberater zur Seite zu stellen. Dieser muss den oder der Asylwerber:in etwa bei der Einbringung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) unterstützen, und hat unabhängig und weisungsfrei zu agieren. Bis zur Errichtung der BBU oblag die Auswahl der Rechtsberater vor dem BVwG dem Bundeskanzler; mit der Durchführung der Rechtsberatung konnten auch Vereine wie die Diakonie betraut werden.

VfGH sieht Unabhängigkeit nicht gegeben

Eben jene Unabhängigkeit vom Innenminister sieht der Verfassungsgerichtshof bei den Rechtsberatern der BBU nicht gegeben. Zwar ist diese gesetzlich festgeschrieben, die Stellung der Berater innerhalb der BBU und gegenüber dem Innenminister, der gesellschaftsrechtlich als Eigentümervertreter fungiert, ist jedoch in einem Vertrag näher ausgestaltet, der die Geschäftsführung der BBU in gesellschaftsrechtlicher Hinsicht an Weisungen des Innenministers sowie der Justizministerin bindet, heißt es einer Presseaussendung des VfGH am Freitag.

Verfassungskonform ist laut der Prüfung des VfGH hingegen die Rechtsform der GmbH. "Die so gestaltete Rechtsberatung und -vertretung stellt - anders als z.B. bei der Covid-19- Finanzierungsagentur (COFAG) - keine funktionell staatliche Verwaltungsführung (..) dar", so die Entscheidung des VfGH. Zwar habe der Gesetzgeber einen staatlich beherrschten Rechtsträger mit der Rechtsberatung- und Vertretung beauftragt, diese Tätigkeit sei aber eine Leistung für die Betroffenen, die auch von Privaten erbracht werden kann und erbracht wird. Daher lasse sich die BBU oder einzelne Rechtsberater nicht zur staatlichen Verwaltung zuordnen.

Diese zeigt sich über die Entscheidung erfreut. "In den vergangenen drei Jahren ist es Geschäftsbereichsleiter Stephan Klammer und mir nicht nur gelungen, die juristische Qualität der Beratung anzuheben, wir haben auch BBU-intern die Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit der Rechtsberater*innen außerhalb jedes Zweifels gestellt. Wir begrüßen daher das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs, wonach die Unabhängigkeit nun auch auf gesetzlicher Ebene stärker abgesichert werden soll", kommentierte BBU-Geschäftsführer und Flüchtlingskoordinator Andreas Achrainer in einer Aussendung. Die notwendige Gesetzesänderung will er "schnellstmöglich unter Dach und Fach bringen" und der Politik dabei "unsere, vom VfGH anerkannte Expertise anbieten".

Kritik der NEOS

Harscher fällt hingegen die Kritik der NEOS aus. "Es war von Anfang an klar, dass das nicht halten wird", sagt Asylsprecherin Stephanie Krisper. "Es widerspricht nun mal dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, dass die Rechtsberatung derselben Behörde untersteht, deren Beamtinnen und Beamte inhaltlich entscheiden. Schwarz-Grün hat hier umgesetzt, was Schwarz-Blau beschlossen hat und damit das Recht auf unabhängige Rechtsberatung unterwandert. Jetzt gilt es rasch die Weisungsfreiheit und die Qualität der Rechtsberatung abzusichern - und nicht bis 2025 zu warten."

In einem weiteren Verfahren prüft der VfGH derzeit, ob die Einschränkung des Rechtes auf Verfahrenshilfe gegen rechtsstaatliche Grundsätze eines effektiven Rechtsschutzes verstößt und damit verfassungswidrig ist. Anlass des Gesetzesprüfungsverfahrens ist die Beschwerde einer afghanischen Staatsbürgerin, die 2004 Asyl erhielt und 2021 die österreichische Staatsbürgerschaft sowie deren Erstreckung auf ihre drei minderjährigen, in Österreich geborenen Kinder beantragte. Ihr Antrag wurde abgewiesen. Daraufhin erhob die Frau beim Verwaltungsgericht Wien Beschwerde und beantragte Verfahrenshilfe für dieses verwaltungsgerichtliche Verfahren. Dieser Antrag wurde mit Verweis auf eine Bestimmung im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz abgewiesen: Demnach hängt das Recht auf Verfahrenshilfe davon ab, ob Grundrechte Gegenstand des Verfahrens sind (was im konkreten Fall nicht zutrifft). Die Bestimmung schließt also für alle anderen Verfahren die Gewährung von Verfahrenshilfe aus.

Vorläufig ist der VfGH der Auffassung, dass der effektive Zugang zu den Verwaltungsgerichten unabhängig davon bestehen dürfte, ob sich der Rechtsschutzsuchende in einer Angelegenheit an das Gericht wendet, die in den Anwendungsbereich der Grundrechte fällt. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs dieser Grundrechte könnte es im Einzelfall Verfahren geben, in denen Verfahrenshilfe zu gewähren ist, um einen wirksamen Zugang zum Rechtsschutz sicherzustellen.

(Quelle: apa)

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