In der Hochwassersituation in Niederösterreich hat der Dienstag laut Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) "etwas Entspannung" gebracht. Der Regen habe aufgehört, weshalb in vielen Regionen "Gott sei Dank" die Pegel zurückgingen, sagte die ÖVP-Politikerin nach einer neuerlichen Lagebesprechung in Tulln. Die Dimension der Schäden bezeichnete sie als "noch nicht abschätzbar".
In Würmla (Bezirk Tulln) starb eine 81-Jährige in ihrem gefluteten Wohnhaus. Die Leiche wurde Polizeiangaben zufolge Dienstagfrüh von Einsatzkräften entdeckt.
Allein am Montag habe es 21 kleinere oder größere Dammbrüche gegeben, informierte LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf (ÖVP). Deren provisorische Reparatur sei ein Schwerpunkt der vielen Arbeiten, die anstünden. Es liege eine "extreme Ausnahmesituation" vor, betonte Pernkopf in Tulln. In manchen Landesteilen sei binnen weniger Tage die vier- bis sechsfache durchschnittliche Monatsmenge an Regen niedergegangen.
32.600 Einsatzkräfte in Niederösterreich gefordert
Laut Pernkopf sind bisher 32.600 Einsatzkräfte aufgeboten worden. Allein am Dienstag seien es auch 1.300 aus anderen Bundesländern. 26 Gemeinden seien nicht erreichbar. Etwa 1.100 Objekte mit rund 2.200 Personen seien evakuiert worden, davon 49 Menschen mit Hubschraubern. 765 befanden sich dem Landesvize zufolge in organisierten Unterkünften, die Mehrzahl von ihnen in der Messe Tulln. Aus 13 Bezirken lagen Anforderungen für Assistenzeinsätze des Bundesheeres vor. Insbesondere gehe es dabei um beschädigte Hochwasserschutzanlagen, sagte Pernkopf.
Landesfeuerwehrkommandant Dietmar Fahrafellner verwies auf einen Dammbruch an der Perschling in Rust im Tullnerfeld in der Gemeinde Michelhausen (Bezirk Tulln). Die Helfer wollten "versuchen, provisorisch zu flicken". Das Bundesheer werde dabei unterstützen.
Schadenskommissionen würden zeitnah in die Gemeinden kommen, kündigte Mikl-Leitner an. Darauf folgen soll rasche Unterstützung der vom Hochwasser Betroffenen mit Gelder aus dem Katastrophenfonds.
Polizei verstärkt Streifentätigkeit
Die Polizei gab am Dienstag bekannt, ihre Streifentätigkeit in den vom Hochwasser betroffenen Gebieten zu verstärken. Eigentumsdelikte und illegale Sperrmüllsammlung sollen hintangehalten werden, sagte Chefinspektor Johann Baumschlager zur APA. Zudem würden Schaulustige weggewiesen. Erinnert wurde auch daran, dass Straßensperren keinesfalls durchfahren werden dürften. Hochwasserführende Flüsse stellten lebensgefährliche Bereiche dar, betonte der Polizeisprecher.
Sieben Ortschaften im Tullnerfeld evakuiert
Am Montag bzw. in der Nacht auf Dienstag sind sieben Ortschaften im Tullnerfeld evakuiert worden. Das Rote Kreuz hat in der Messe Tulln ein Notquartier eingerichtet. Bis zu 1.000 Menschen können untergebracht werden. Feldbetten stehen ebenso wie eine Feldküche zur Verfügung. Dienstagfrüh wurden laut Sonja Kellner vom Roten Kreuz 325 Personen betreut. Etwa 450 seien es in der Spitze in den Nachtstunden gewesen. Auch Mitarbeiter von Kriseninterventionsteams waren in dem Quartier in den Hallen 6 und 10 der Messe Tulln an Ort und Stelle. Die Einrichtung in der Bezirksstadt bleibe so lange in Betrieb, wie sie gebraucht werde, sagte Kellner.
Rollstuhlfahrer stürzt beinahe in Fluss
Einen gefährlichen Zwischenfall gab es am Montagabend in Krems am gleichnamigen Fluss. Ein Rollstuhlfahrer dürfte eine Absperrung missachtet haben und kam im Uferbereich des Flusses zu Sturz, berichtete die Feuerwehr. Der Mann wurde gerettet und ins Landesklinikum Krems transportiert.
"Die Hochwasser-Dämme im unteren Kamptal haben gehalten", hatte Pernkopf schon in der Früh mitgeteilt. "Sehr schwach" seien Dämme im Tullnerfeld, im Raum St. Pölten und im Pielachtal. Sie müssten mit schwerem Gerät geschützt und saniert werden." In Erpersdorf in der Marktgemeinde Zwentendorf (Bezirk Tulln) mussten Menschen in der Nacht ihre Häuser verlassen.
Nachdem sich die Lage in der Bundeshauptstadt entspannt hatte, wurden am Montagnachmittag auch Hilfskräfte und Gerätschaften der Wiener Feuerwehr in den Bezirk Tulln gebracht. Darunter ist auch eine Großpumpe, die in Kombination mit drei sogenannten Hochwasserschwimmpumpen eine maximale Förderleistung von 50.000 Litern in der Minute erreicht. Die Mannschaft wird einige Tage in Niederösterreich im Einsatz sein.
Bei den westlichen Donaupegeln sei in den Morgenstunden der Scheitel erreicht worden, führte Pernkopf weiter aus. Der Wasserstand der östlichen (Korneuburg und Wildungsmauer) werde im Laufe des Tages noch leicht ansteigen und danach ebenfalls zurückgehen. Generell werde für die Donau ein sehr langsames Sinken des Wasserspiegels erwartet. Die Donauzubringer zeigten Dienstagfrüh eine weiter fallende Tendenz. Anstiege seien nur noch bei Leitha und March zu erwarten, die Scheitelwerte für Mittwoch prognostiziert.
In den kommenden Tagen erwarten die Hydrologen in Niederösterreich laut dem Landesvize "im Wesentlichen keine relevanten flächigen Niederschläge". Kleinräumige lokale Spitzen bis maximal 15 Millimeter könnten im südwestlichen Mostviertel auftreten.
Am Stausee Ottenstein ist der Zulauf des Kamp am Dienstag laut EVN-Sprecher Stefan Zach "langsam, aber stetig" auf 200 Kubikmeter Wasser pro Sekunde zurückgegangen. 150 Kubikmeter pro Sekunde wurden gleichzeitig abgegeben. Das freie Volumen betrug 3,5 Millionen Kubikmeter, am Montagabend war es bei sechs Millionen Kubikmeter gelegen. Genutzt werde dieser Raum "weiter zur Entlastung des Kamp-Unterlaufes", betonte Zach. Mit einem neuerlichen Rückgang der Zuflüsse in den Stausee wurde gerechnet.
Etwa 250 Straßen in Niederösterreich waren laut ÖAMTC weiterhin gesperrt. Längere Staus im Frühverkehr blieben aber aus, berichtete ein Sprecher.
Hochwasser fordert vier Todesopfer
Die Zahl der Todesopfer im Zusammenhang mit dem Hochwasser im Bundesland hat sich am Montag auf vier erhöht. Jüngstes Opfer war ein vorerst unbekannter Mann in Klosterneuburg (Bezirk Tulln). Er wurde laut Polizei im Strandbad Klosterneuburg in Bauchlage im Wasser treibend entdeckt.
In Untergrafendorf in der Gemeinde Böheimkirchen (Bezirk St. Pölten-Land) starben ein 70- und in Höbersdorf in der Marktgemeinde Sierndorf (Bezirk Korneuburg) ein 80-Jähriger. Bereits am Sonntag war der Tod eines Feuerwehrmannes im Einsatz in Rust im Tullnerfeld in der Gemeinde Michelhausen (Bezirk Tulln) bekannt geworden.
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(Quelle: apa)