Gescheiterte Verhandlungen

Expertenregierung, Minderheitsregierung und Co einfach erklärt

Wie es nach den geplatzten Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP und FPÖ weitergeht, ist unklar. Das Wichtigste über die Möglichkeiten – von Expertenregierung und Minderheitsregierung über Neuwahl bis hin zu weiteren Gesprächen – haben wir hier für euch zusammengefasst. Im Bild: Das Parlamentsgebäude auf der Wiener Ringstrasse. 
Veröffentlicht: 13. Februar 2025 12:50 Uhr
Nach den geplatzten Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP steht Österreich viereinhalb Monate nach der Wahl weiter ohne neue Bundesregierung da. Nun bleiben vier Optionen: Expertenregierung, Minderheitsregierung, Neuwahlen oder weitere Verhandlungen. Das Wichtigste haben wir hier einfach erklärt.

Eine Koalition zwischen FPÖ und ÖVP im Bund ist seit Mittwochnachmittag vom Tisch. FPÖ-Chef Herbert Kickl hat den Auftrag zur Regierungsbildung in der Hofburg zurückgelegt. Anfang Jänner waren bereits die Verhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS gescheitert. Jetzt ist Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Zug. Er will mit den Parteichefs heute Gespräche führen und ausloten, wie eine künftige Regierung aussehen soll. Das kann auf vier verschiedene Arten geschehen:

  1. Expertenregierung
  2. Neuwahl
  3. Minderheitsregierung
  4. Weitere Verhandlungen

Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den verschiedenen Optionen und der Regierungsbildung in Österreich an sich haben wir hier für euch aufgelistet.

Was ist eine Expertenregierung?

Eine Expertenregierung stützt sich nicht auf eine Parteikoalition. So können der Regierungschef bzw. die Regierungschefin – aber auch das gesamte Kabinett – parteilos sein. Die Personen, die als Ministerinnen und Minister eingesetzt werden, haben Fachkompetenzen in bestimmten Gebieten – also zum Beispiel Wirtschaft oder Gesundheit. In der Regel besteht diese Art der Regierung aus Beamtinnen und Beamten. Es braucht aber einen mehrheitlichen Rückhalt im Nationalrat.

In Österreich gab es diese Variante bereits von Juni 2019 bis Jänner 2020. Nach dem Bruch der türkis-blauen Koalition infolge der Ibiza-Affäre stand Brigitte Bierlein – ehemalige Präsidentin des Verfassungsgerichtshofs – als erste Bundeskanzlerin Österreichs an der Spitze dieser sogenannten Übergangsregierung. Insgesamt zwölf Minister:innen – je sechs Frauen und sechs Männer – gehörten dem Kabinett an. Unter Bierleins Führung verwaltete die Übergangsregierung die Amtsgeschäfte vorübergehend bis zur Neuwahl. Ein politisches Ablaufdatum war somit schon vorgegeben.

Wie lange darf eine Expertenregierung im Amt bleiben?

Theoretisch gibt es keine zeitliche Begrenzung für eine Expertenregierung. In der Praxis werden Expertenregierungen übergangsweise eingesetzt, bis es zu einer Neuwahl kommt oder eine Regierung auf eine andere Weise gebildet wird.

Was würde eine Neuwahl bedeuten?

Für eine vorgezogene Neuwahl muss der Nationalrat seine Auflösung mit einfacher Mehrheit beschließen. Theoretisch kann er auch durch den Bundespräsidenten auf Vorschlag der Regierung aufgelöst werden. In der Zweiten Republik ist das aber noch nie passiert. Die nächste geplante Nationalratssitzung steht am 26. Februar auf dem Programm. Trotzdem kann schon davor eine Sondersitzung einberufen werden.

Falls tatsächlich eine Neuwahl beschlossen werden sollte, sind ungefähr drei Monate bis zum Wahltag einzuplanen. Grund sind parlamentarische Prozesse und vorgegebene Fristen, die eingehalten werden müssen. Vor Juni wäre heuer also wohl kaum ein Termin möglich. Offen ist zudem, ob sich überhaupt andere Koalitionsvarianten ergeben würden. Ist das nicht der Fall, stünde man wohl vor dem gleichen Problem wie aktuell.

Wie lang darf die Regierungsbildung dauern?

Laut österreichischem Bundesverfassungsgesetz (B-VG) gibt es keinen vorgegebenen Zeitpunkt, bis zu welchem eine neue Regierung feststehen muss. Seit 1979 lag die durchschnittliche Dauer der Regierungsbildung von der Erteilung des Regierungsauftrages bis zur Ernennung der neuen Bundesregierung bei 61 Tagen. Mit nun 137 Tagen, die seit der Nationalratswahl im Herbst vergangen sind, wurde ein Rekord erreicht: So lange dauerte es noch nie, bis eine neue Regierung nach einer Wahl angelobt wurde. Zuvor hatte die Rekordlänge 129 Tage betragen. So lange dauerte es nach der Nationalratswahl 1962, bis sich ÖVP und SPÖ widerstrebend – ein letztes Mal vor der Phase der Alleinregierungen – auf eine Neuauflage der Großen Koalition einigten.

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Was ist eine Minderheitsregierung?

Im B-VG ist nicht festgelegt, wie eine Regierung gebildet wird. Ziel ist Stabilität. Deshalb führen die Vertreterinnen und Vertreter der einzelnen Parteien, die im Nationalrat eine Mehrheit haben, zunächst sogenannte Sondierungsgespräche. Dabei wird ausgelotet, ob und in welcher Form eine Zusammenarbeit überhaupt möglich ist. Erst im nächsten Schritt erfolgen die konkreten Koalitionsverhandlungen.

Eine weitere Möglichkeit ist eine Minderheitsregierung. Diese wird aber meist erst dann in Betracht gezogen, wenn keine Koalition zustande kommt. Für jedes Vorhaben im Nationalrat braucht diese Minderheitsregierung eine Mehrheit. Besitzen die regierenden Parteien weniger als die Hälfte der Nationalratsmandate, brauchen sie also die Hilfe der Opposition, um Gesetze zu beschließen. Die Opposition kann die Regierung außerdem jederzeit absetzen. Deshalb gilt diese Konstellation als äußerst unsicher.

Minderheitsregierungen haben in Österreich keine Tradition. Seit 1945 gab es in Österreich erst eine Minderheitsregierung unter Kreisky I von April 1970 bis November 1971. In anderen Ländern – zum Beispiel Skandinavien, Spanien und Portugal – ist diese Regierungsform hingegen erprobt.

Was würden weitere Koalitionsverhandlungen bedeuten?

Eine weitere Möglichkeit, um zu einer neuen Bundesregierung zu kommen, sind erneute Koalitionsverhandlungen. Ein weiterer Urnengang könnte dadurch abgewendet werden. Allerdings waren die Gespräche zwischen ÖVP, SPÖ und den NEOS bereits vor den Verhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP gescheitert.

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Volkspartei und Sozialdemokraten könnten es auch zu zweit noch einmal probieren. In ihrem Fall wäre eine Mehrheit im Nationalrat aber nur mit einem Mandat Überhang knapp abgesichert, was Gesetzesbeschlüsse schwierig machen könnte. Eine weitere Möglichkeit wäre eine Dreierkonstellation zwischen ÖVP, SPÖ und den Grünen oder ein neuerlicher Anlauf mit den NEOS.

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Wie setzt sich der Nationalrat zusammen?

Die wahlberechtigten Staatsbürger:innen entscheiden über die 183 Nationalratsabgeordneten. Der Nationalrat wird auf Basis eines Listen- und Verhältniswahlrechts gebildet. Die Sitze – oder Mandate – im Nationalrat werden auf die Parteien verteilt. Der prozentuelle Stimmenanteil gilt als Schlüssel für diese Verteilung. Damit eine Partei einen oder mehrere Sitze im Nationalrat bekommt, müssen sie im gesamten Bundesgebiet mindestens vier Prozent der Stimmen oder ein Direkt- bzw. Grundmandat in einem Wahlkreis erreichen. Das hat Vor- und Nachteile. Einerseits ist es einfacher, Mehrheiten zu bilden, wenn nicht allzu viele kleine Gruppen vertreten sind. Andererseits gibt es manche politischen Interessen, die im Nationalrat keine Vertretung finden.

Auf die FPÖ entfallen 57 Mandate, auf die ÖVP 51, auf die SPÖ 41, auf die NEOS 18 und 16 auf die Grünen. In Österreich muss der Nationalrat spätestens alle fünf Jahre neu gewählt werden. Wenn die Regierungsparteien ihre Zusammenarbeit zum Beispiel wegen großer Konflikte beenden, kann das auch schon früher passieren.

Wie es in Österreich jetzt weitergeht, dürfte sich in den nächsten Tagen zeigen. NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger machte am Donnerstag den Auftakt zu den abermaligen Gesprächen bei Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Danach folgt Grünen-Obmann Werner Kogler. Am Nachmittag ist ÖVP-Chef Christian Stocker an der Reihe und zum Abschluss sein SPÖ-Pendant Andreas Babler.

(Quelle: salzburg24)

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