Was passiert nach dem Platzen der Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP? FPÖ-Parteichef Herbert Kickl hat den Auftrag zur Regierungsbildung bekanntlich zurückgelegt – 136 Tage nach der Nationalratswahl. "So lange hat es in der Zweiten Republik bisher noch nie gedauert", sagt der Salzburger Politikwissenschafter Armin Mühlböck am Donnerstag im SALZBURG24-Interview. "Wir haben jetzt eine neue Situation.".
SALZBURG24: Wann haben Sie das Aus der Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP kommen sehen?
ARMIN MÜHLBÖCK: Die Fronten waren offenbar schon länger verhärtet. Was wir vergangene Woche beobachten konnten, war der Versuch, dem jeweils anderen den "Schwarzen Peter" zuzuschieben. Insofern war das Aus der Koalitionsgespräche seit einer Woche absehbar.
Ist der Staat Österreich überhaupt noch handlungsfähig?
Die Routinearbeiten laufen freilich weiter, weil die Bundesregierung im Amt ist. Die österreichische Verfassung sieht keine Zeit ohne Regierung vor. Allerdings wird es keine große Weichenstellungen geben. Es ist also wichtig, dass jetzt nicht so viel Zeit verloren wird.
Wie geht’s jetzt weiter?
Die Prognosen bleiben schwierig. Am Zug ist einmal mehr der Bundespräsident, der gestern gewisse Varianten aufgezählt hat: Neuwahlen, Expertenregierung, Minderheitsregierung oder ein neuer Regierungsbildungsauftrag. Zur Stunde darf man nichts ausschließen.
Was ist am wahrscheinlichsten?
Eine Minderheitsregierung wäre sehr risikoreich und kann jederzeit gestürzt werden. Diese Variante halte ich deshalb nicht für sehr wahrscheinlich.
Neuwahlen würden – Stand jetzt – nur der FPÖ nützlich sein. Alle anderen Parteien würde es auf dem falschen Fuß erwischen. Die Freiheitlichen würden aller Voraussicht nach noch stärker werden und das können die anderen Parteien eigentlich nicht wollen. Die FPÖ pocht und drängt auf Neuwahlen. Warum, das ist verständlich. Es ist aber fraglich, ob sich im Parlament eine Mehrheit für eine Neuwahl finden würde.
Eine Expertenregierung wäre wohl nur eine Übergangslösung und würde nur zu Neuwahlen hinführen. Die Zeit würde daher nur verlängert werden.
Am wahrscheinlichsten ist – Stand jetzt – zurück an den Start und nochmal von vorne. Darauf deuten die Aussagen des Bundespräsidenten hin, genauso wie der Parteien mit Ausnahme der Freiheitlichen. ÖVP und SPÖ verhandeln wieder. Entweder zu zweit oder gemeinsam mit den NEOS. Auch die Grünen können eine Rolle spielen. Die aktuelle Situation ist sehr dynamisch, es kann sich sehr viel tun. Wir können eigentlich nur spekulieren.
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat mehr Kompromissbereitschaft eingefordert: Teilen Sie diese Einschätzung?
Ja, die Politik kann mit dem Wahlergebnis vom 29. September 2024 offenbar nur schwer oder gar nicht umgehen. Unser Wahlsystem produziert nur relative Mehrheiten, deshalb braucht unser demokratisches System die Konsensfähigkeit der Parteien. Ohne Konsensfähigkeit geht es nicht. Analysen zu den Positionen der Parteien von den Wahlen 2017, 2019 und 2024 zeigen, dass die Parteien immer weiter an die Ränder gerückt sind. Die politische Mitte in Österreich ist – was die Wahlprogramme betrifft – nicht besetzt. Das erschwert freilich einen Interessensausgleich und ein Aufeinander zugehen erheblich.
Das Vertrauen in die Politik ist ohnehin angekratzt. Das ist evident. Und diese Vorgänge der Regierungsbildungsphase seit der Wahl im September sind nicht unbedingt dienlich, das Vertrauen in die Politik zu stärken.
Was braucht es Ihrer Ansicht nach jetzt?
Die Frage ist, wie könnte eine Neuauflage der Verhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ gelingen? Die Parteien bzw. Verhandler werden in die politische Mitte rücken müssen. Und sie werden den Interessensausgleich fokussieren müssen und weniger die Durchsetzung bestimmter Interessen. Das kann auch bedeuten, dass die Verhandlungsteams anders zusammengesetzt werden müssen – und zwar aus Personen, die genau das leisten können. Andreas Babler war in der SPÖ nie unumstritten und spätestens nach der Nationalratswahl war klar, dass die Führungsfrage über kurz oder lang wieder aufplatzen würde. Die aktuelle Situation könnte jetzt dazu führen, dass die Debatte um die Parteispitze in der SPÖ schnell wieder an Fahrt gewinnt.
Ganz ausschließen kann man nicht, dass es auch in der Volkspartei Diskussionen geben wird, wer die Verhandlungsführung übernimmt.
Erwarten Sie Folgen auf die ÖVP-FPÖ-Koalition in Salzburg?
Erfreut ist man freilich nicht über das Aus der Gespräche im Bund, aber das dürfte keine Auswirkungen auf die Arbeit von ÖVP und FPÖ im Land Salzburg haben.
Vielen Dank für das Gespräch.
(Quelle: salzburg24)