Studie

Jede:r Fünfte in Österreich neigt zu Verschwörungstheorien

Rund jede fünfte Person in Österreich zeigt eine Tendenz zu Verschwörungstheorien. (SYMBOLBILD)
Veröffentlicht: 27. Oktober 2025 11:14 Uhr
Rund jede fünfte Person in Österreich zeigt laut einer Studie der Universitäten Salzburg und Lausanne eine Tendenz zu Verschwörungstheorien. Das Forschungsprojekt macht politische Strukturen und Vertrauen in Institutionen als entscheidende Faktoren aus: Menschen in Ländern mit Korruption oder schwacher Demokratieerfahrung neigen demnach deutlich stärker zu solchen Narrativen.

Üblicherweise ist es eine Frage der Psychologie, warum Menschen an böse Mächte glauben, die heimlich die Gesellschaft lenken. Ein Forschungsprojekt der Universität Salzburg und der Universität Lausanne zeigt nun aber einen direkten Zusammenhang zwischen Verschwörungstheorien und der politischen Lage in europäischen Ländern auf. Wer in Staaten mit Korruption oder geringer Demokratieerfahrung lebt, neigt demnach eher zu solchen Erklärungsversuchen, in Österreich jeder fünfte.

In Österreich seien es rund 20 Prozent, die zu Verschwörungstheorien tendieren - weniger als in den meisten Nachbarländern. Ein wesentlicher Faktor sei "das Vertrauen in die Institutionen, das Vertrauen in die Politik", erklärte Projektinitiator Reinhard Heinisch im APA-Gespräch. "Und das ist in Österreich größer als anderswo." Mit 13 Prozent fällt im Umfeld der Alpenrepublik der Anteil nur in Deutschland geringer aus. In Slowenien vermutet sogar die Hälfte der Bevölkerung Komplotte, in der Slowakei sind es 37 Prozent.

Die geringste Verschwörungsmentalität in Europa hätten übrigens nördliche Staaten - in Schweden liegt der Anteil bei 7,2 Prozent. Das ergeben Daten aus der zehnten European Social Survey. Für eine neue Publikation ließen die Salzburger Forscher im November 2023 dazu ergänzend wahlberechtigte Österreicherinnen und Österreicher zu angeblichen Verschwörungen hinter Corona, Migration und Klima repräsentativ befragen.

Nicht jede Behauptung ist Verschwörungstheorie

Aber nicht jede unbeliebte Behauptung sei auch eine Verschwörungstheorie. "Zu sagen, der Klimawandel ist kein Problem und wir sollten mehr CO2 produzieren" oder "Greta Thunberg ist eine furchtbare Frau, die ich ablehne", seien radikale Positionen - aber nicht verschwörungstheoretisch, so Heinisch.

Eine Verschwörungstheorie erfüllt dem Politologen zufolge spezifische erzählerische Merkmale: "Es muss eine verschworene Gruppe existieren, die im Geheimen einen Plan schmiedet, der der Bevölkerung schadet, für die Allgemeinheit nicht einsehbar ist und dieser Gruppe Vorteile bringen soll." Also etwa Behauptungen, Klimawandel oder Corona hätten Forscher erfunden, die daraus Profit schlagen oder mit Spritzen von Tech-Milliardären die Bevölkerung kontrollieren wollen.

"Wir alle glauben daran, dass Dinge nicht immer Zufälle sind", so der Experte. Eine echte Verschwörungsmentalität sieht aber hinter allen Phänomenen geheime Intrigen: "In der Häufigkeit und in der Tendenz ist das aussagekräftig, nicht in der Einzelfrage."

Das mache auch die Analyse von Politikeraussagen im Forschungsprojekt schwer. Populistische Parteien würden zwar Mythen wie den "geplanten Bevölkerungsaustausch" bespielen - aber in codierter Form, während "die Menschen im Kopf das ergänzen, was Politiker nicht dazu sagen". In Ländern mit hoher Verschwörungsmentalität stünden solche Parteien oft in Konkurrenz: "Damit man sich unterscheidet, muss man im Narrativ zulegen und härter werden." Dagegen sei in Krisen eine Expertensprache für viele abschreckend. Man müsse Menschen "emotional abholen".

Geschlecht und Alter spielen geringe Rolle

Der Blick nach Österreich lässt laut den Forschern nur wenige Rückschlüsse auf demografische Besonderheiten im Umgang mit Verschwörungstheorien zu. Beim Geschlecht und Alter gäbe es kaum Unterschiede. Menschen mit mittlerer Bildung seien anfälliger, sowohl höher als auch geringer Gebildete tendieren seltener zur Verschwörungsmentalität. Lediglich bei Corona seien besonders Österreicher mit Migrationshintergrund skeptisch.

Die größten Unterschiede zeigt die Befragung beim Wahlverhalten auf. Wer populistisch oder radikal wählt, teilt Verschwörungserzählungen öfter. "Wobei bestimmte Erzählungen nicht nur bei den Wählern rechtspopulistischer Parteien auftauchen, sondern auch bei den linkspopulistischen Wählern." Zwischen den äußeren Polen gäbe es weniger Interesse an solchen Narrativen. "Das zeigt uns, dass es sehr viel mit Systemvertrauen zu tun hat."

Auch innerhalb von Ländern zeigen sich Unterschiede: Für Österreich liegen die veröffentlichten Werte zur Verschwörungsmentalität mit 30,8 Prozent der Bevölkerung in Kärnten am höchsten, gefolgt von Salzburg (23,8) und Tirol (23,1). Schlusslichter sind Niederösterreich (17,4), Wien (15,8) und das Burgenland (12,5). Dazwischen liegen Oberösterreich (20,6), Steiermark und Vorarlberg (jeweils 19,6).

(Quelle: apa)

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