Nach dem Bekanntwerden schwerer Missbrauchsvorwürfe gegen den 1986 verstorbenen Gründer der SOS-Kinderdörfer, Hermann Gmeiner, wird nun über die zahlreichen Zentren, Plätze und Straßen diskutiert, die in Österreich seinen Namen tragen. Umbenennungen stehen hier im Raum. Auch die Entfernung von Denkmälern wird überlegt - wobei in Imst zwei bereits abmontiert wurden. Das Land Tirol prüft die Aberkennung von Auszeichnungen. Bürgermeister zeigten sich schockiert.
Stadt Salzburg prüft mögliche Umbenennung
Auch die Stadt Salzburg will eine mögliche Umbenennung der Hermann-Gmeiner-Straße prüfen. Diese liegt an der Grenze zwischen dem Salzburger Stadtteil Maxglan-West und der Gemeinde Wals-Siezenheim (Flachgau). Bürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ) zeigte sich am Freitag in einer Aussendung „zutiefst erschüttert“ über die Anschuldigungen. Das Thema soll beim nächsten Kollegium beraten werden.
„Sollte sich die Tragweite der kolportierten Anschuldigungen bestätigen, sehe ich dringenden Handlungsbedarf“, so Auinger. In einem solchen Fall müsse die Stadt „konsequent handeln und klare Zeichen setzen“. An einer Umbenennung der Hermann-Gmeiner-Straße führe dann kein Weg vorbei. Er werde umgehend das Gespräch mit Vertreter:innen von SOS-Kinderdorf sowie mit anderen Städten und Gemeinden, die sich ebenfalls mit Namensgebungen im Zusammenhang mit Gmeiner auseinandersetzen, suchen. Auch die Anrainer:innen sollen in den Prozess einbezogen werden.
Der Bürgermeister der Gemeinde Seekirchen am Wallersee im Salzburger Flachgau, Konrad Pieringer (ÖVP), sagte auf Anfrage, dass er sich zur Causa nicht äußern wolle, weil er die Sachlage nicht kenne. In Seekirchen befindet sich ebenfalls ein SOS Kinderdorf in einer nach dem Gründer benannten Straße.
Schock in Imst
In Imst in Tirol, wo das erste Kinderdorf im Jahr 1951 eröffnet worden war, zeigte man sich angesichts der Vorwürfe gegen Gmeiner schockiert. Zwei Denkmäler des SOS Kinderdorf-Gründers - eine Bronzestatue vor der Imster Johanneskirche, eines vor dem Pflegezentrum - wurden bereits entfernt. Sie befinden sich unter Verschluss am Bauhof. Auch Umbenennungen einer Straße sowie von Kindergarten und Volksschule sollen folgen. "Es wird einen kompletten Schnitt mit allem geben, was seinen Namen betrifft", sagte Bürgermeister Stefan Weirather (ÖVP) zur APA am Freitag.
Missbrauch von Kindern sei "einfach indiskutabel", begründete Weirather die Schritte. Auch die mögliche Aberkennung der Ehrenbürgerschaft der Stadt Imst stehe selbstverständlich im Raum. "Da sich die Ereignisse derzeit so überschlagen und Gmeiner schon lange tot ist, müssen wir aber erst prüfen, ob er überhaupt Ehrenbürger ist", so der Bürgermeister dazu. Weirather betonte gegenüber der "Tiroler Tageszeitung" aber auch, dass die derzeitigen Mitarbeiter von SOS Kinderdorf teils hervorragende Arbeit leisten würden. Sie gelte es vor "Pauschalverurteilungen" zu schützen.
Tirol leitet Aberkennungsprüfung für Auszeichnungen ein
Konsequenzen für den verstorbenen gebürtigen Vorarlberger Gmeiner werden auch auf Landesebene ins Auge gefasst. Das Land Tirol leitete hinsichtlich der Gmeiner verliehenen Auszeichnungen eine "Aberkennungsprüfung" ein, wie es am Freitag gegenüber der APA hieß. Der SOS Kinderdorf-Gründer war im Jahr 1980 mit dem "Ring des Landes Tirol" ausgezeichnet worden - der höchsten zu vergebenden Auszeichnung, für die ein Beschluss des Landtages notwendig ist. Bereits 1959 hatte Gmeiner das Ehrenzeichen des Landes erhalten. Im Tiroler Landes-Auszeichnungsgesetz sei festgelegt, dass eine Auszeichnung bei rechtskräftiger Verurteilung wegen strafbarer Handlungen gegen die sexuelle Integrität und Selbstbestimmung ex lege als widerrufen gelte oder posthum aberkannt werde, sofern Tatsachen im Nachhinein bekannt werden, die einer Verleihung entgegengestanden wären. "Die im Raum stehenden Vorwürfe sind zweifelsohne mit einer Ehrwürdigung durch das Land Tirol nicht vereinbar", verlautete es aus dem Landhaus zur aktuellen Causa. Die Vorwürfe würden eine Neubewertung der Auszeichnungen "dringend notwendig" machen. Für eine Rückgängigmachung der Auszeichnungen seien die jeweiligen Gremien zu berücksichtigen, wurde betont.
Das Land sei ob der Vorwürfe jedenfalls "zutiefst betroffen." "Die Vorwürfe sind ernst zu nehmen und lückenlos aufzuklären. Das Land Tirol hat die Geschäftsführung von SOS Kinderdorf in Tirol bereits aufgefordert, sämtliche relevante Daten zu etwaigen Fällen in Tirol zu übermitteln", hieß es in der Stellungnahme.
Debatte in Städten und in SOS-Kinderdörfern
In Wien wird ebenfalls bereits über eine Umbenennung des im ersten Bezirk gelegenen Hermann-Gmeiner-Parks diskutiert. Wiens Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) sprach sich gegenüber dem ORF Wien für eine Umbenennung aus. Voraussetzung dafür sei ein Antrag des Bezirks. Dort ließ man wissen, dass eine Umbenennung "unumgänglich" sei, falls sich der Verdacht erhärte. Im Park befindet sich auch eine Büste Gmeiners. Die Grünen sprachen sich am Freitag bereits für eine Entfernung aus.
In Graz steht man der Idee, den Hermann-Gmeiner-Weg im südwestlichen Stadtbezirk Straßgang umzubenennen, aufgeschlossen gegenüber. Mit heutigem Wissen hätte man den Weg nicht nach Gmeiner benannt, er ist nicht mehr der ideale Namensgeber, hieß es auf Anfrage aus dem Büro von Bürgermeisterin Elke Kahr (KPÖ). Es sei zum Glück nur ein sehr kleiner Weg mit wenigen Häusern, der Aufwand wäre gering. Rückmeldungen über Widerspruch habe man nicht. Zuständig sei das Stadtvermessungsamt, die Sache müsste im Gemeinderat beschlossen werden, hieß es.
Auch die Organisation selbst überlegt, wie mit dem Erbe Gmeiners umgegangen werden soll. Die von SOS-Kinderdorf geführten Kärntner Ambulatorien in Moosburg und Villach ("Hermann-Gmeiner-Zentren") tragen den Namen des Gründers. Auch dort wird nun eine Änderung der Bezeichnung in Betracht gezogen, wie eine Sprecherin der "Kleinen Zeitung" erläuterte.
In Pinkafeld könnte das SOS Kinderdorf eine neue Adresse bekommen. Derzeit liegt es noch an der Hermann-Gmeiner-Straße, das dürfte sich aber ändern, wenn es nach Bürgermeister Kurt Maczek (SPÖ) geht. Er will das Thema Umbenennung im Stadtrat aufgreifen und diskutieren. Wenn die Vorwürfe gegen Gmeiner stimmen, sollte man darüber jedenfalls nachdenken, sprach er selbst sich auf APA-Anfrage für die Umbenennung aus.
Stadtsenat in Klagenfurt befasst
Auch in Klagenfurt gibt es eine Straße, die nach Hermann Gmeiner benannt ist. Am kommenden Dienstag werden die Mitglieder des Stadtsenats in ihrer Sitzung eine mögliche Umbenennung diskutieren, teilte eine Sprecherin von Bürgermeister Christian Scheider (FSP) auf APA-Anfrage mit.
Der Gründer der SOS-Kinderdörfer wurde an zahlreichen Orten gewürdigt. Straßen bzw. Wege in ganz Österreich tragen seinen Namen. Laut dem Straßenverzeichnis der Statistik Austria sind es mindestens 14.
Zusatzschilder in St. Pölten
In St. Pölten, in der sich eine Hermann-Gmeiner-Gasse befindet, wurde auf Anfrage auf geplante Zusatzschilder verwiesen. Diese sollen künftig bei sogenannten "belasteten Straßennamen" - aber auch bei besonders positiv besetzten Bezeichnungen - angebracht werden und mittels QR-Code über die betreffenden Personen informieren. "Wir gehen damit einen eigenen St. Pöltner Weg, womit wir gleichzeitig auch Widerstandskämpfer:innen, NS-Opfer und Persönlichkeiten, die Positives geleistet haben, ins Bewusstsein der Bevölkerung rücken können", wurde mitgeteilt. Der Antrag dazu werde dem Gemeinderat in seiner nächsten Sitzung zur Beschlussfassung vorgelegt, hieß es.
In Hinterbrühl (Bezirk Mödling) soll über eine Umbenennung der Dr. Hermann Gmeiner-Gasse und der Hermann-Gmeiner-Schule diskutiert werden. Es gelte, "mit Vernunft und Augenmaß" und gleichzeitig den Erkenntnissen der heutigen Zeit entsprechend zu handeln, sagte Bürgermeister Erich Moser (ÖVP) zur APA.
(Quelle: apa)




