"Startschuss" für Reform

Regierung will Sozialhilfe österreichweit vereinheitlichen

Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP), Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ) und NEOS-Klubobmann Yannick Shetty am Montag, 15. September 2025, im Rahmen einer Pressekonferenz zum Thema "Sozialhilfe NEU" im Bundeskanzleramt in Wien.
Veröffentlicht: 15. September 2025 11:24 Uhr Aktualisiert: 15.09.2025 16:08 Uhr
Die Sozialhilfe in Österreich wird neu aufgestellt. Die Bundesregierung lud heute Nachmittag zu einer Pressekonferenz. Große Überraschungen abseits der bereits bekannten Vorhaben blieben aus.

Die Bundesregierung hat am Montagnachmittag den "Startschuss" zur bereits im Regierungsprogramm angekündigten "Sozialhilfe NEU" gegeben. Im Bundeskanzleramt stellten Sozialministerin Korinna Schumann (SPÖ), Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) und NEOS-Klubobmann Yannick Shetty die groben Eckpunkte der geplanten Reform vor. Das Vorhaben ist nach wie vor recht vage, im Zentrum steht die bundesweite Vereinheitlichung, eine Integrationsphase und der Fokus auf Kinder.

Die Pläne der Regierung für die "Sozialhilfe NEU" wurden bereits im Regierungsprogramm grob skizziert. Vorgesehen ist eine bundesweite Vereinheitlichung, ebenso die schon zuvor angekündigte geplante Betreuung arbeitsfähiger Bezieherinnen und Bezieher über das Arbeitsmarktservice (AMS).

Verhandlungen zu neuer Sozialhilfe starten

Wesentliche Botschaft am Dienstag war, dass nun die Verhandlungen starten. "Wir stehen jetzt da um zu sagen, es geht los", sagte Ressortchefin Schumann auf die Frage, was nun gegenüber den bisher kolportierten Plänen neu sei. Die Umsetzung wird freilich Zeit brauchen. Ziel sei es, die Reform Anfang 2027 dann in Kraft zu setzen, hieß es. Die Sozialhilfereform sei "eine wirklich große Reform, die macht man nicht von heute auf morgen", sagte Schumann. "Jetzt geht die Knochenarbeit an, sich gemeinsam auf den Weg zu machen und gemeinsame Lösung zu finden. Ich bin wirklich hoffnungsfroh, dass es zu einer guten gemeinsamen Lösung kommen wird." Bereits diese Woche soll ein Ministerratsvortrag beschlossen werden, kommende Woche soll es zu einem ersten Bund-Länder-Treffen kommen.

Integrationsphase als zentraler Punkt

Geplant ist auch die Einführung eines verpflichtenden Integrationsprogramms in Verbindung mit einer "Integrationsbeihilfe", dieser Punkt zielt auf Zuwanderer ab. In dieser Zeit der Integrationsphase sollen jedenfalls weniger Leistungen im Vergleich zur vollen Höhe zur Verfügung stehen. Klargestellt wurde von Integrationsministerin Plakolm, dass diese Integrationsphase nicht für österreichische Staatsbürger gelten wird - dazu gab es in der Vorwoche noch anderslautende Aussagen aus dem Sozialministerium.

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Im Rahmen des verpflichtenden Integrationsprogramms "ab Tag eins" sollen der Deutscherwerb sowie die Wertevermittlung eingefordert werden - bei Nichteinhaltung soll es Konsequenzen (etwa Leistungskürzungen) geben. NEOS-Klubchef Shetty sprach von einem "echten Mammutprojekt, einer riesigen Reform". "Das ist ein Startschuss für einen Systemwechsel in der Sozialhilfe", diese solle bundeseinheitlicher, fairer und treffsicherer werden.

Kinder im Fokus

Vorgesehen sind auch Maßnahmen zur Bekämpfung von Kinderarmut und Verbesserung der "Chancengerechtigkeit" aller Kinder und Jugendlichen - ein Punkt, den vor allem die SPÖ stets einforderte (Stichwort "Kindergrundsicherung").

VfGH kippte Staffelung der Kindersätze 2019

Ziel ist auch eine Neuregelung der Kindersätze bei der Sozialhilfe. Derzeit gelten für diese je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen. Im 2019 geschaffenen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) waren ursprünglich Höchstsätze für Kinder vorgesehen - und hierbei eine Staffelung. Während das erste Kind 25 Prozent der Ausgleichszulage erhielt, war für das zweite Kind 15 Prozent und für das dritte und jedes weitere Kind 5 Prozent vorgesehen. Diese Regelung wurde im Dezember 2019 vom Verfassungsgerichtshof gekippt, da dies als Schlechterstellung von Mehrkindfamilien und damit als verfassungswidrig bewertet wurde. Die Kinderrichtsätze werden daher aktuell von den Ländern selbst festgelegt, es gibt keine Vorgabe des Bundes mehr. Im Folgenden ein Überblick über die aktuelle Situation. 

Was sind die gesetzlichen Grundlagen?

Im Folgenden ein Überblick über die aktuelle Situation. Geregelt sind die bundesweiten Vorgaben im 2019 geschaffenen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG). Die Bundesländer müssen diese Vorgaben näher umsetzen (Landesgesetzgebung), wobei ihnen zahlreiche Spielräume überlassen werden, was teils unterschiedliche Regelungen je nach Bundesland zur Folge hat. Bisher ist noch keine flächendeckende Umsetzung des SH-GG in allen Bundesländern erfolgt, in Wien gibt es nur eine teilweise Umsetzung, in Tirol gelten noch die alten Mindestsicherungsgesetze.

Wer hat Anspruch?

Anspruch auf die Sozialleistung haben Österreicher und Österreicherinnen sowie Inländern gleichgestellte Personen. Bürger bzw. Bürgerinnen aus EU- bzw. EWR-Staaten haben nur dann einen uneingeschränkten Anspruch auf die Sozialhilfe, wenn sie sich als Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen in Österreich aufhalten - oder schon länger als fünf Jahre in Österreich rechtmäßig wohnen. Drittstaatsangehörige haben hingegen grundsätzlich nur dann einen Anspruch auf Sozialhilfe, wenn sie schon mehr als fünf Jahre rechtmäßig in Österreich gelebt haben.

Asylberechtigte haben ab dem Moment der Zuerkennung des Schutzstatus als Flüchtling Anspruch auf Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung. Keinen Anspruch haben Asylwerber und Asylwerberinnen sowie Personen mit dem Status "Vertriebene" (wie Flüchtlinge aus der Ukraine). Sie erhalten stattdessen Leistungen aus der sogenannten "Grundversorgung" (deutlich niedriger als die Sozialhilfe).

Gilt eine Arbeitspflicht?

Die Sozialhilfe bzw. die Mindestsicherung ist bei arbeitsfähigen Personen an die Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft gekoppelt. Ausgenommen davon sind Menschen im Pensionsalter, Personen mit Betreuungspflichten für Kinder, die das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben (sofern keine geeignete Betreuungsmöglichkeit vorhanden ist) - und auch jene Betroffenen, die Angehörige pflegen, die ein Pflegegeld mindestens der Stufe drei beziehen. Ebenso keine Arbeitspflicht besteht für Bezieher, die Sterbebegleitung oder Begleitung von schwersterkrankten Kindern leisten oder jene, die in einer Berufs- oder Schulausbildung stehen, die schon vor dem 18. Geburtstag begonnen wurde - und all jene, die von Invalidität betroffen sind.

Der überwiegende Teil der Bezieher (55 Prozent) steht aber dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung. 36,5 Prozent sind arbeitssuchend und beim Arbeitsmarktservice gemeldet, 8,5 Prozent sind berufstätig, haben aber einen so geringen Verdienst, dass sie auf Sozialhilfe angewiesen sind. Unter jenen, die keiner Arbeit nachgehen können, sind 43 Prozent im Vorschul- oder Pflichtschulalter oder in Pension.

Muss Vermögen verwertet werden?

Bevor Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung in Anspruch genommen werden kann, muss vorhandenes Vermögen verwertet werden. Allerdings gibt es Ausnahmen: Gegenstände, die zur Erwerbsausübung oder der "Befriedigung angemessener geistig-kultureller Bedürfnisse" erforderlich sind, müssen nicht veräußert werden. Ebenso ausgenommen sind Kraftfahrzeuge, die berufsbedingt benötigt werden oder die aufgrund besonderer Umstände erforderlich sind (etwa wegen Behinderung oder fehlender Infrastruktur). Behalten werden darf auch "angemessener Hausrat". Auch gibt es ein sogenanntes "Schonvermögen" (im Jahr 2025 bei 7.254 Euro). Eigentumswohnungen oder -häuser müssen nicht verwertet werden, wenn sie für den unmittelbaren Wohnbedarf dienen.

Wie hoch ist die Leistung?

Das 2019 eingeführte Sozialhilfe-Grundsatzgesetz sieht Maximalbeträge statt Mindesthöhen vor. Für Alleinlebende und Alleinerziehende beträgt die Höhe im Jahr 2025 maximal 1.209 Euro. Für Paare wurde ein Maximalbetrag von rund 1.693 Euro festgelegt. Die Auszahlung erfolgt zwölf Mal pro Jahr. In Tirol, wo noch kein Sozialhilfe-Ausführungsgesetz erlassen wurde, weichen die Sätze von den restlichen Ländern mit Sozialhilfe ab (bei den Paaren rund 1.814 Euro Mindestsicherung statt rund 1.693 Euro Sozialhilfe).

Für Kinder gibt es zusätzliche Geldleistungen. Diese können die Länder frei bestimmen, da der Verfassungsgerichtshof im Dezember 2019 die im Sozialhilfe-Grundsatzgesetz festgelegten degressiv (mit fortlaufender Kinderzahl abnehmend) gestaffelten Höchstsätze für Minderjährige aufgehoben hat.

Die durchschnittliche Leistungshöhe betrug laut Sozialministerium im Jahr 2023 pro Monat 802 Euro pro Bedarfsgemeinschaft (diese bezeichnen die Bezugsberechtigten und kann aus einer oder mehreren Personen, z.B. bei einem gemeinsamen Haushalt, bestehen). Am höchsten war die Leistung in Vorarlberg (921 Euro), am niedrigsten im Burgenland (671 Euro), in der Bundeshauptstadt Wien mit 805 Euro im Durchschnitt der Länder.

Wie hoch sind die Kinderzuschläge?

Für Kinder gelten aktuell je nach Bundesland unterschiedliche Regelungen. Im 2019 geschaffenen Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (SH-GG) waren ursprünglich Höchstsätze für Kinder vorgesehen: Als Grundlage diente der Netto-Ausgleichszulagenrichtsatz (2025: 1.273,99 Euro). Für das erste Kind betrug der Höchstsatz laut dem damaligen Gesetz 25 Prozent der Ausgleichszulage, für das zweite Kind 15 Prozent und für das dritte und jedes weitere Kind 5 Prozent. Diese Regelung wurde im Dezember 2019 vom Verfassungsgerichtshof gekippt, da diese als Schlechterstellung von Mehrkindfamilien und damit als verfassungswidrig bewertet wurde.

Die Kinderrichtsätze werden daher aktuell von den Ländern selbst festgelegt, es gibt keine Vorgabe des Bundes mehr. Eine gleich hohe Geldleistung für jedes Kind gibt es im Burgenland, in Kärnten, Salzburg und Wien. In den anderen Bundesländern werden die Leistungen mit zunehmender Kinderanzahl niedriger, z.B. bereits ab dem zweiten Kind in Niederösterreich und Oberösterreich bzw. ab dem dritten oder vierten Kind in Tirol bzw. Vorarlberg. In Wien beträgt der Zuschlag pro Kind aktuell 326,44 Euro und damit am höchsten, in Vorarlberg mit 232,13 Euro am niedrigsten.

Ferner können die Bundesländer für Alleinerziehende einen nach Kinderzahl gestaffelten Zuschlag gewähren. Die Zuschlagshöhe beträgt zwischen rund 145 Euro (1. Kind) und rund 36 Euro (ab dem 4. Kind) pro Monat und Kind (= Höchstsätze, Werte 2025).

Gibt es einen "Deckel" der Bezugshöhe?

Laut Sozialhilfe-Grundsatzgesetz gibt es bereits jetzt eine "Deckelung" der Geldleistung für "Bedarfsgemeinschaften", der auch abseits der Maximalbeträge für Alleinlebende und Paare gilt. Diese gilt aber nur für Erwachsene, die in Haushaltsgemeinschaften zusammenleben. Sie darf 175 Prozent des sogenannten Nettoausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinlebende nicht überschreiten - im Jahr 2025 sind das laut Sozialministerium rund 2.116 Euro. Für Familien mit Kindern gilt diese Grenze wegen des oben erwähnten Entscheids des Verfassungsgerichtshofs hingegen nicht.

Wie viele Betroffene leben von der Sozialhilfe alleine?

Nur 27 Prozent der Bedarfsgemeinschaften erhalten die Sozialhilfe in voller Höhe - und leben damit ausschließlich von dieser. Der Rest (73 Prozent) sind sogenannte "Aufstocker". Diese haben auch anderes Einkommen - etwa geringes Arbeitseinkommen, geringes Arbeitslosengeld oder geringe Notstandshilfe, Alimente, Krankengeld und anderes. Da dieses Einkommen aber auf einem Niveau ist, das nur zum Teil für die Bestreitung des Lebensunterhalts ausreicht, wird die Sozialhilfe hier ergänzend gewährt.

16,5 Prozent der Aufstocker verfügen laut Sozialministerium über ein (geringes) Arbeitseinkommen, 36,1 Prozent über Leistungen aus dem Arbeitsmarktservice. Weitere 47,4 Prozent haben sonstige angerechnete Einkünfte (Unterhalt, Pension, Kinderbetreuungsgeld oder anderes).

Wie hoch sind die Ausgaben?

Die Gesamtausgaben für die Sozialhilfe bzw. Mindestsicherung betragen nur einen Bruchteil des Bruttoinlandproduktes. Im Jahr 2023 wurden dafür laut Sozialministerium 1,1 Mrd. Euro aufgewendet, das entspricht 0,23 Prozent des BIP. Gemessen an allen Sozialausgaben Österreichs (146 Mrd. Euro) machen die Ausgaben für Sozialhilfe und Mindestsicherung 0,8 Prozent aus.

(Quelle: apa)

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