Öffentlicher Protest gegen Rendi-Wagner blieb so gut wie aus. Ihre Konkurrenten blieben Wien fern und hielten Ansprachen in ihren Bundesländern. Andreas Babler will die SPÖ vom "Teelichterl" wieder zur "Flamme" machen, Hans Peter Doskozil beschwor Zusammenhalt.
2016 traumatischer 1. Mai für Sozialdemokraten
2016 hatte die SPÖ einen traumatischen 1. Mai in Wien erlebt, als der damalige Parteivorsitzende und Kanzler Werner Faymann ausgebuht wurde und wenig später zurücktrat. Mit damals war die Situation heuer - mitten in der laufenden Mitgliederbefragung über den künftigen Parteivorsitz - überhaupt nicht vergleichbar. Bei strahlendem Frühlingswetter zogen unter dem Motto "Stark. Stärker. Zusammen" traditionell die Abordnungen aus den Bezirken im Sternmarsch zum Rathausplatz, die Delegationen machten mit Transparenten und Plakaten auf ihre Anliegen aufmerksam, dazu wurde getrommelt, musiziert und Fahnen geschwenkt. Vereinzelt wurden die internen Querelen durchaus thematisiert: Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter machten sich etwa für "Parteidemokratie und Andi Babler" stark. Ein Transparent einer Jugendorganisation bescherte auch Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch eine unfreundliche Erwähnung: "Keine Deutschpflicht in Schulen und der Löwelstraße".
SPÖ-Chefin schließt Koalition mit FPÖ aus
Rendi-Wagner bekam für ihre Rede bei der Schlusskundgebung aber Applaus, nur vereinzelt waren nicht zuordenbare Pfiffe zu hören. Um stark zu sein, müsse man geeint sein. "Die Zeit der internen Selbstbeschäftigung wird bald vorüber sein." Danach könne man sich wieder den politischen Mitbewerbern entgegenstellen - denn dies sei die eigentliche Aufgabe der SPÖ. Geschlossenheit sei die Voraussetzung, um das "Vertrauen der Menschen wieder zu gewinnen". "Es muss das Ziel sein, dass dieses Land endlich wieder eine sozialdemokratisch geführte Bundesregierung bekommt." Wichtig sei, eine Neuauflage von Schwarz-Blau im Bund zu verhindern, sagte Rendi-Wagner. Einer Koalition mit der FPÖ erteilte sie erneut eine Absage.
"Wir sind die vielen, wir sind stärker und wir sind unschlagbar", zeigte sich Rendi-Wagner zuversichtlich. Es gebe genug Probleme wie etwa die "schreckliche Teuerung", doch die Bundesregierung habe die roten Vorschläge dagegen nicht gehört, sondern stattdessen bloß "Milliarden Almosen verteilt", "in der Hoffnung, dass ihre Umfragewerte besser werden". Wohl auch als Spitze in Richtung ihres Kontrahenten Hans Peter Doskozil interpretiert werden kann ihr Bekenntnis, dass die Löhne "bei den Gewerkschaften in den besten Händen" seien. Der burgenländische Landeshauptmann bewirbt ja gerne seinen im Land umgesetzten Mindestlohn.
Rendi-Wagner ortet Charakterschwäche bei Kern
Angriffe auf die Mitbewerber gab es sonst in ihrer Ansprache nicht. Am Sonntag hatte Rendi-Wagner freilich noch einmal Öl ins Feuer gegossen: In der "Presse am Sonntag" nach der Entfremdung von ihrem einstigen Förderer Christian Kern gefragt, der nun Doskozil unterstützt, antwortete Rendi-Wagner: Dazu habe sie "eine abgeschlossene Meinung", nämlich "dass Charakterstärke und Standfestigkeit nicht zu seinen herausragendsten Eigenschaften zählen". Wiens SPÖ-Chef Michael Ludwig ging auf die parteiinternen Konflikte nicht direkt ein - Unterstützung für Rendi-Wagner gab es aber sehr wohl: Er hoffe, dass man bald nach der nächsten Nationalratswahl die erste sozialdemokratische Bundeskanzlerin in Österreich haben werde, ließ er wissen.
Babler nutzt Gelegenheit für parteiinternen Wahlkampf
Doch auch die Gegenspieler im parteiinternen Wahlkampf waren am Tag der Arbeit nicht faul: Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler hatte gleich drei Ansprachen auf dem Programm. Bei der Maifeier in Krems-Lerchenfeld meinte er, es sei ein "Comeback der Sozialdemokratie" notwendig, die Partei müsse gestärkt und geeint aufs Spielfeld gehen, zog er den Vergleich zum Fußball. In den vergangenen Jahren sei die SPÖ "nur mehr ein Teelichterl gewesen", meinte Babler, "wir müssen schauen, dass wir wieder eine Flamme werden". Die SPÖ finde keine authentische Sprache und treibe so anderen Parteien wie der FPÖ Wähler zu, kritisierte er.
Die SPÖ müsse nach einem Jahrzehnt mit "ein bisschen Dornröschenschlaf" wieder den Kampf für Rechte aufnehmen, findet Babler. So müsse man gegen "modernes Sklaventum" auftreten, zudem warb er unter anderem für eine Arbeitszeitverkürzung und Vermögenssteuern als Koalitionsbedingung.
Doskozil drängt auf Mindestlohn
Doskozil wiederum beschwor am frühen Nachmittag bei einer Veranstaltung in Kobersdorf im Mittelburgenland den "Zusammenhalt", der die burgenländische SPÖ so erfolgreich mache. Er drängte etwa auf die Umsetzung des von ihm forcierten Mindestlohns von 2.000 Euro netto. Die SPÖ sei zuletzt etwa bei ihrem Kernthema Wohnen unglaubwürdig gewesen, "weil wir seit 15 Jahren dasselbe predigen und es nicht tun", kritisierte er. Im Burgenland habe er hingegen etwa den Mindestlohn umgesetzt. Er sei kein "Träumer", vieles werde möglich sein, wenn es die SPÖ schaffe, das, was man sich vornehme, auch durchzusetzen. In den vergangenen Jahren sei man froh gewesen, wenn man die Funktion des Bundeskanzlers gehabt habe, und habe dafür gleich den Finanzminister hergegeben. So habe man aber keine Politik für die Menschen machen können. Er gehe ein Risiko ein, indem er sich für den Vorsitz bewerbe. Aber: "Man muss im Leben was riskieren. Man kann nicht immer an der Funktion hängen", meinte Doskozil. "Ich glaube, der Zeitpunkt ist gekommen."
Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, der auch stellvertretender SPÖ-Bundesparteivorsitzender ist, sah unterdessen in der Mitgliederbefragung jedenfalls eine "Chance, der Empfehlung von 150.000 Mitgliedern zu folgen, um dann am 3. Juni, im Rahmen des Bundesparteitages eine Entscheidung über den Vorsitz zu fällen. Damit wir mit 4. Juni 2023, als SPÖ, geschlossen Politik für die arbeitenden Menschen unseres Landes machen". "Gerade in Fragen der Vermögens- und Verteilungspolitik muss dringend nachgeschärft werden," meinte Kaiser.
Grüne Rufe nach Vermögenssteuer
Rufe nach Vermögenssteuern kamen zum 1. Mai auch von den Grünen: Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler forderte in einem Video, das am Samstag veröffentlicht worden ist, eine "Millionärssteuer" für "Millionenerben". Wenn jemand eine "fette Villa" oder "astronomische Aktienpakete" erbe, zahle er nämlich derzeit "nix - null, niente, nada" für die Gemeinschaft, ortet der Grünen-Chef eine "himmelschreiende Ungerechtigkeit". Der ÖVP-Wirtschaftsbund warf Kogler "Klassenkampf" vor. Die Grünen blieben trotzdem dran, Sozialminister Johannes Rauch meinte am Montag, mit den Einnahmen könnten die Einkommen jener angehoben werden, "die viel für unsere Gesellschaft leisten, aber wenig verdienen", etwa im Pflegebereich und der Kinderpädagogik. Die Grüne Jugend pochte überhaupt auf Vermögenssteuern als Koalitionsbedingung: Eine neue Regierung unter grüner Beteiligung solle es nur mit Vermögenssteuern geben.
Kickl sieht sich als künftigen "Volkskanzler"
Deftige Sprüche gab in indes wie jedes Jahr bei den Blauen in Oberösterreich zu hören, wo FPÖ-Chef Herbert Kickl wieder den Kanzleranspruch stellte. "Nichts und niemand kann uns bremsen", meinte Kickl im Bierzelt auf dem Urfahranermarkt vor rund 5.000 Besuchern, die des öfteren "Herbert, Herbert"-Chöre anstimmten. Das Land brauche einen freiheitlichen "Volkskanzler", der der Bevölkerung diene und nach oben trete. Alle Mitbewerber bekamen ihr Fett ab: Außer der FPÖ gebe es in Österreich ohnehin nur noch eine Einheitspartei, "alle waren sie für den Bundespräsident Van der Bellen, alle haben sie beim Coronawahnsinn mitgemacht, alle rutschen sie auf den Knien nach Brüssel". Nun hätten sie "Muffensausen", wenn sie auf die Umfragen für die Nationalratswahl schauen würden, "wo die freiheitliche Partei konsequent an erster Stelle liegt".
"Zuerst sperren wir die Asylantenheime zu und dann machen wir den Wahnsinn mit der ORF-Abgabe rückgängig", machte Kickl kein Hehl aus seinen Plänen. Außerdem lobte er Landesparteichef Manfred Haimbuchner: "Manfred hat eine indirekte Bewerbung als Innenminister abgegeben." Haimbuchner hatte zuvor im Interview mit der "Presse" gemeint: "Ich bin ein Anhänger von Pushbacks." "Machen wir's dem Orban nach, bauen wir die Festung Österreich", erhielt Kickl viel Beifall für seine Ausländerpolitik. Auf "linkslinken Firlefanz und Klimbim wie die Genderei und den Kult um die Regenbogenfahne" verzichte die FPÖ.
(Quelle: apa)