Update zu Ermittlungen

Swift-Absage: Details über Anschlagpläne bekannt

Das Ernst-Happel-Stadion in Wien. Hier hätten die Konzerte von Taylor Swift stattfinden sollen. Ein 19-Jähriger hat zugegeben, einen Anschlag geplant zu haben. (Aufnahme vom 8. August 2024). 
Veröffentlicht: 08. August 2024 10:25 Uhr
Über die Terrorermittlungen in Zusammenhang mit Anschlagsplänen auf die Konzerte von Taylor Swift in Wien wurde in einer Pressekonferenz informiert. So wurde bekannt, dass der hauptbeschuldigte 19-Jährige ein Geständnis abgelegt hat.

Der am Mittwoch in Ternitz (Bezirk Neunkirchen) unter Terror-Verdacht festgenommene mutmaßliche Anhänger der radikalislamischen Terror-Miliz "Islamischer Staat" (IS) wollte offenbar einen Terror-Anschlag auf ein Taylor-Swift-Konzert in Wien verüben. Der 19-Jährige hatte vor, außerhalb des Ernst-Happel-Stadions möglichst viele Menschen mit einem Sprengsatz sowie Hieb- und Stichwaffen zu töten, wurde am Donnerstagmittag bei einer Pressekonferenz im Innenministerium mitgeteilt.

19-Jähriger "Teil eines islamistischen Netzwerks"

Wie Innenminister Gerhard Karner (ÖVP), der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, und der Leiter der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN), Omar Haijawi-Pirchner, bekanntgaben, soll der 19-Jährige seit Ende Juli ein Attentat auf eines der drei in Wien vorgesehenen Swift-Konzerte geplant haben. Er verfügte bereits über einen funktionsfähigen Flüssigsprengstoff, den er selbst hergestellt hatte. Konkret soll der 19-Jährige vorgehabt haben, am Donnerstag oder am Freitag mit seinem Auto in bzw. vor eine Menge von "Swifties" vor dem Ernst-Happel-Stadion zu rasen, die beim Karten-Kauf leer ausgegangen waren und sich draußen versammelt hätten. Wäre ihm das gelungen - dafür hatte sich der 19-Jährige ein Blaulicht und Folgetonhorn besorgt -, soll er im Sinn gehabt haben, mit seinen Waffen möglichst viel Unheil anzurichten, wobei er seinen eigenen Tod offenbar mit in Kauf nahm. Er habe damit gerechnet, von der Polizei erschossen zu werden, hieß es am Donnerstagnachmittag aus Ermittlerkreisen.

Der 19-Jährige hatte am 25. Juli seine Arbeit in Ternitz gekündigt. Dabei soll er angekündigt haben, er habe "Großes vor". In weiterer Folge veränderte er sein äußeres Erscheinungsbild, das er an IS-Kämpfer anpasste, und widmete sich "der Vorbereitung eines Terror-Anschlags", wie Ruf sagte. Die DSN ging zunächst von einem Einzeltäter aus. "Durch bestehende Kenntnisse konnten wir dann aber feststellen, dass er (der 19-Jährige, Anm.) Teil eines islamistischen Netzwerks war", stellte DSN-Chef Haijawi-Pirchner fest.

17-Jähriger beim Stadion festgenommen

Zum einen sei ein 17-Jähriger "aus dem Umfeld" des Hauptverdächtigen festgenommen worden, wobei der Bursch mit türkisch-kroatischen Wurzeln dem Staatsschutz bereits bekannt war. Er war seit wenigen Tagen bei einem Facility-Unternehmen im Happel-Stadion angestellt. Der im Bühnen- und Gerüstbau tätige Bursch hätte für die Swift-Konzertreihe Arbeiten verrichten sollen, sagte sein Verteidiger Nikolas Rast am Donnerstagnachmittag. Mit Terrorismus und Anschlagsplänen habe sein Mandant nichts zu tun, versicherte Rast im Gespräch mit der APA: "Das Ganze ist eine Aneinanderreihung von unglücklichen Zufällen." Hätte der 17-Jährige Terror-Pläne im Kopf, hätte er diese bereits Mitte Juli beim Rammstein-Konzert in Klagenfurt umsetzen können: "Da hat er die Bühne mitaufgebaut. Und es ist nichts passiert."

Laut Rast hatte sich der 17-Jährige auf am vergangenen Wochenende auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Wien medial veröffentlichten Fotos von einer Schlägerei am Bahnhof Meidling vom 4. Juli erkannt, wo ein Konflikt zwischen tschetschenischen und syrischen Gruppierungen eskaliert war: "Er hatte damit aber nichts zu tun, er wollte das vor der Polizei klarstellen." Bevor er das tun konnte, sei der Jugendliche jedoch nach einer Handypeilung im Happel-Stadion festgenommen worden.

Indizien sprechen gegen 17-Jährigen

"Er ist seit Jahren mit dem 19-Jährigen befreundet", hielt Rast fest. Aber weder habe er dessen Radikalisierung mitbekommen noch von den dem Älteren zugeschriebenen Terror-Plänen gewusst: "Offenbar hat er unmittelbar nach dessen Treueschwur auf den IS eine Stunde mit ihm telefoniert." Die beiden seien auch öfter - zuletzt am vergangenen Wochenende - mit dem Auto des 19-Jährigen herumgefahren und hätten gemeinsam Lachgas konsumiert. An der Herstellung von Sprengsätzen sei der 17-Jährige jedenfalls nicht beteiligt gewesen, sagte Rast.

Es gibt jedoch Indizien, die gegen den 17-Jährigen sprechen. Zum einen soll er regelmäßig eine Moschee in Meidling besucht haben, in der radikalislamistische Inhalte vertreten wurden, und dabei ins Visier des Verfassungsschutzes geraten sein. Zum anderen entdeckte die Polizei in seiner Brieftasche Propagandamaterial des IS und der Al-Kaida.

Die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt ermittelt gegen die beiden jedenfalls wegen terroristischer Vereinigung (§ 278b) und krimineller Organisation (§ 278a), bestätigte eine Behördensprecherin der APA. Ihnen werde derzeit vorgeworfen, sich am IS beteiligt und deren Ziele und Absichten vertreten zu haben. U-Haft-Anträge wurden noch keine gestellt, dafür hat die Anklagebehörde 48 Stunden ab erfolgter Festnahme der Tatverdächtigen Zeit.

15-Jähriger ebenfalls in Gewahrsam

Klar wurde am Donnerstagabend, was es mit einem 15-Jährigen auf sich hat, von dem es auf der Pressekonferenz im Innenministerium geheißen hatte, er befinde sich in polizeilicher Anhaltung. Der Bursch gilt nicht als tatverdächtig. Er wird in dem Verfahren nicht als Beschuldigter geführt, sondern wurde als Zeuge vernommen. Nach seiner Befragung konnte er nach Hause gehen, hieß es aus Ermittlerkreisen gegenüber der APA. In seiner Aussage, bei der er als Zeuge habe er unter Wahrheitspflicht stand, habe er die Verdachtslage gegen den 19-Jährigen bestätigt.

Mit den beiden Festnahmen dürfte sich die Gefährdungslage vorerst entschärft haben. "Wir suchen aktuell keine weiteren Personen", sagte Haijawi-Pirchner. Der DSN-Direktor ging aber davon aus, dass die Ermittlungen zu weiteren Mitwissern oder -beteiligten führen könnten.

Hauptverdächtiger "vollumfänglich geständig"

Der 19-Jährige sei "vollumfänglich geständig", meinte der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, Franz Ruf. "Sein Plan war möglichst viele Menschen außerhalb des Stadions zu töten", präzisierte der DSN-Chef. Der Mann sei "ganz klar radikalisiert" und habe - wie auch der 17-Jährige - Propagandamaterial des IS und der Al-Kaida besessen bzw. bei sich gehabt. Bei einer Hausdurchsuchung an der Adresse des 19-Jährigen, der Mittwochfrüh festgenommen worden war, wurden Anleitungen zum Bombenbauen und zwölfprozentiges Wasserstoffperoxid (H2O2) - ein ätzendes Bleichmittel - gefunden. Aus H2O2 lässt sich in Verbindung mit anderen Chemikalien wie Aceton und Säure der hochexplosive Flüssigsprengstoff TATP herstellen. Laut Haijawi-Pirchner war der 19-Jährige bereits im Besitz von "funktionsfähigem TATP". Die Chemikalien könnte der 19-Jährige an seinem früheren Arbeitsplatz gestohlen haben - er war bei einem Chemiekonzern beschäftigt. Sichergestellt wurden bei der Hausdurchsuchung auch Zündmittel, Zündkabel und Zündvorrichtungen, Messer, Macheten und 21.000 Euro Falschgeld. Außerdem hatte der 19-Jährige ein Blaulicht und Folgetonhorn, das er bereits "testweise verwendet" hatte, wie Haijawi-Pirchner sagte: "Entweder wollte er es dazu verwenden, um zum Tatort zu gelangen oder wegzufahren."

Weiter Terrorwarnstufe 4 in Österreich

Zur aktuellen Bedrohungslage meinte der DSN-Leiter, Österreich befinde sich in der Terror-Warnstufe 4. Zur Frage, ob andere anstehende Groß-Konzerte - etwa jenes von Coldplay in Wien oder das Frequency-Festival in St. Pölten - sicher seien, meinte Haijawi-Pirchner: "Es gibt keine Hinweise, dass weitere Konzerte einer expliziten Gefahr unterliegen." Nach der Festnahme des 19-Jährigen war das Happel-Stadion mit Suchtrupps und Spürhunden der Polizei auf verdächtige Gegenstände durchsucht worden. Gefunden wurde dabei nichts. Innenminister Karner äußerte dennoch Verständnis, dass der Veranstalter der Taylor-Swift-Konzerte diese absagte. "Eine Tragödie konnte verhindert werden", betonte Karner. Die "terroristische Bedrohung für ganz Europa" habe sich bestätigt: "Österreich ist da keine Ausnahme."

Große Konzerte populärer Künstler seien "oft ein besonderes Ziel" terroristischer Anschlagspläne, verwies Minister Karner auf die Attentate während eines Gigs der Eagles Of Death Metal in Paris 2015 oder nach einem Konzert von Ariana Grande in Manchester 2017. "Die Lage ist weiterhin ernst", betonte Karner, der in diesem Zusammenhang seine Forderung nach einem "zeitgemäßen Handwerkzeug für die Polizei" wiederholte. Es brauche eine rechtliche Möglichkeit zur Überwachung von Messenger-Diensten, "wie es international üblich ist".

Diese Forderung untermauerte auch Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) am Nachmittag bei einem Statement im Kanzleramt - verwies gleichzeitig darauf, dass es dafür die Zustimmung des Koalitionspartners brauche. Mit der Verhinderung des Terroranschlages habe sich auch die Stärke einer wehrhaften Demokratie gezeigt.

Die Entscheidung, die drei in Wien angesetzten Konzerte von Taylor Swift nach Festnahme der Terrorverdächtigen abzusagen, war "die richtige". Das betonte Veranstalter Ewald Tatar, Chef von Barracuda Music, am Donnerstag vor Medien im Innenministerium. Es sei eine "Entscheidung im Sinne der Sicherheit für Besucherinnen und Besucher" gewesen "nicht nur im Stadion, sondern auch außerhalb". Die Maßnahme sei "in Koordination mit dem Management der Künstlerin" getroffen worden.

Swift-Konzerte-Veranstalter dankt Innenministerium für Informationen

Tatar verwies auf die Gefahrensituation: "Wir hätten heute ab 6 Uhr wahrscheinlich schon 10.000, 15.000 Besucherinnen und Besucher vor dem Stadion gehabt. Das hätte sich den ganzen Tag aufgestaut auf bis zu 60.000 bis 65.000 Personen im Stadion plus noch einmal erwartete 20.000 bis 30.000 Zaungäste. Das ist eine ungeheure Menge. Insofern muss ich sagen, bin ich jetzt trotz allem mit dieser Entscheidung sehr zufrieden. Obwohl sie natürlich keine alltägliche ist, aber eine richtige."

Der Veranstalter dankte Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) "für die Informationen, die wir bekommen haben, speziell für Informationen von gestern, die dazu geführt haben, dass wir diese Entscheidung treffen mussten". Entscheidend sei nicht zuletzt die Erkenntnis gewesen, dass einer der Verdächtigen ein Mitarbeiter im Stadion war. "Das ist eine klare Tatsache, dass man sich dann als Veranstalter was überlegen muss. Dann ist es nicht mehr um Irgendjemanden in Niederösterreich gegangen, sondern effektiv um einen Mitarbeiter, der an diesem Tag im Stadion ab der Früh tätig war."

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(Quelle: apa)

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