Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Österreich für die Hilfe für sein Land gedankt. In einer per Video in den Plenarsaal des Nationalrats übertragenen Rede betonte Selenskyj am Donnerstag, dass es wichtig sei, "moralisch nicht neutral gegenüber dem Bösen zu sein". Seinem Land gehe es nicht um Geopolitik oder um militärisch-politische Angelegenheiten. "Es geht darum, dass ein Mensch immer ein Mensch bleiben muss." Die FPÖ protestierte gegen den Auftritt.
Wolodymyr Selenskyj spricht von "Krieg gegen Menschen"
Selenskyj erklärte, dass es nun der 400. Tag im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine sei. Es sei ein "totaler Krieg gegen Menschen", an dem jeden Tag Menschen ihre Leben verlieren würden. Nicht nur in Kampfhandlungen würden Menschen getötet, sondern auch danach. 174.000 Quadratkilometer, etwa die doppelte Fläche Österreichs, seien durch Minen und nicht-explodierte Geschosse kontaminiert. Hunderttausende Minen, Granaten und Sprengfallen seien von den Russen in Gebäuden und Gärten hinterlassen worden. "Wenn wir uns an Sie wenden, um um Unterstützung zu bitten, bitten wir darum, Menschenleben zu schützen." Die Ukraine möchte in Sicherheit, Ruhe und Freiheit leben. Er lud die Abgeordneten ein, in die Ukraine zu reisen und sich selbst ein Bild zu machen.
Österreichs Nationalrat empfängt ukrainischen Präsidenten
Als einer der letzten EU-Staaten hatte Österreich Selenskyj die Gelegenheit gegeben, vor dem Parlament zu sprechen. Als einzige Fraktion gegen die Rede des ukrainischen Präsidenten waren die Freiheitlichen. Wie angekündigt protestierte die FPÖ denn auch gegen den Video-Auftritt Selenskyjs im Parlament. Nach der Begrüßung durch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) klatschten die FPÖ-Abgeordneten als einzige nicht. Stattdessen holten die Blauen zu Beginn von Selenskyjs Ansprache aus braunen Papiersackerln Tafeln mit der Aufschrift "Platz für Frieden" und "Platz für Neutralität" hervor, die sie vor sich auf den Pulten platzierten. Dann verließen sie geschlossen den Saal. Klubobmann Herbert Kickl hatte im Vorfeld den anderen Fraktionen vorgeworfen, sie seien "zu einer gefährlichen und undifferenzierten Endsiegrhetorik übergegangen". Damit griff er zu einem einschlägig belasteten Propagandabegriff.
Österreich unterstützt Ukraine
Sobotka betonte gegenüber Selenskyj, dass "die politische, finanzielle und humanitäre Unterstützung der Ukraine für die Österreicherinnen und Österreicher ein großes Anliegen" sei. Österreich habe die Ukraine bisher mit über 129 Millionen Euro an finanzieller und humanitärer Hilfe unterstützt. "Wir werden diese Hilfe weiter fortsetzen." Fast 94.000 ukrainische Vertriebene hätte in Österreich Zuflucht gefunden. Rund 200 österreichische Unternehmen seien in der Ukraine aktiv. Und Sobotoka versicherte Selenskyj, dass sich Österreich auch beim Wiederaufbau der Ukraine nach Kriegsende "sowohl im Rahmen der EU als auch bilateral, konkret und aktiv beteiligen wird". Sobotka: "Das offizielle Österreich ist zwar militärisch neutral, nicht aber politisch."
Auch Alexander Van der Bellen unter Besuchern
Im Plenarsaal verfolgten zahlreiche Besucher die Debatte von der Galerie aus, unter anderem Bundespräsident Alexander Van der Bellen und der ukrainische Botschafter Wassyl Chymynez. Vor dem Parlament demonstrierten dagegen an die hundert Friedensaktivisten, Vertreter der Kulturszene und linken Gruppierungen gegen die Rede Selenskyjs. Aktivist Stefan Krizmanich etwa sprach von einer "Schande für die Republik", dass ein Präsident, der offen mit Ultranationalisten kooperiere, die Opposition ausschalte und Schwarze Listen dulde, das Wort im Parlament ergreifen durfte.
Im Plenum, das sich direkt an die Veranstaltung mit der Selenskyj-Rede anschließt, wird Ukrainern dann ein unbeschränkter Zugang zum österreichischen Arbeitsmarkt ermöglicht.
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(Quelle: apa)