Rippenbruch

Verwaltungsgericht bestätigt Polizeigewalt gegen "LobauBleibt"-Aktivist

Veröffentlicht: 19. Jänner 2023 13:07 Uhr
Nach der Räumung eines Protestcamps in Wien im Februar des Vorjahres wurde ein "LobauBleibt"-Aktivist von der Polizei festgehalten, ein Beamter soll ihm "ins Kreuz gesprungen" sein. Das Verwaltungsgericht Wien bestätigt in dem Fall rechtswidrige Polizeigewalt.
SALZBURG24 (mp)

Das Verwaltungsgericht Wien hat am Donnerstag der Maßnahmen- und Richtlinienbeschwerde eines "LobauBleibt"-Aktivisten stattgegeben, dem diesem Erkenntnis zufolge am 19. Februar 2022 im Polizeianhaltezentrum (PAZ) Rossauer Lände eine Rippe gebrochen wurde. Das polizeiliche Vorgehen gegen den 49-Jährigen, der nach einer Räumung des Protestcamps in der Lobau zwecks Identitätsfeststellung ins PAZ gebracht worden war, war demnach mehrfach rechtswidrig.

Mutmaßliche Polizeigewalt bei Lobau-Räumung

Im Zusammenhang mit der Räumung eines Protestcamps in der Wiener Lobau dürfte es am vergangenen Dienstag zu einem Polizeiübergriff gekommen sein. Auf einem Video, das die Aktivist:innen von "…

"Unverhältnismäßige Körperkraft" der Polizei bei Lobau-Räumung

"Dass die Gewaltanwendung unverhältnismäßig war, wird man schwer bestreiten können", hatte Verwaltungsrichter Wolfgang Helm bereits nach der Einvernahme des Klima-Aktivisten und der anschließenden Befragung von zwei Polizisten bemerkt. Wie er dann wenig später in seiner ausführlichen Urteilsbegründung darlegte, agierte die Polizei "mit unverhältnismäßiger Körperkraft" gegen den 49-Jährigen, um von diesem ein Lichtbild anfertigen zu können. Gegen gesetzliche Bestimmungen wurde seitens der Polizei weiters verstoßen, indem dieser mit einer gebrochenen Rippe "ohne ausreichende ärztliche oder medizinische Behandlung zu lange angehalten wurde", wie der Richter formulierte.

Die Wiener Landespolizeidirektion muss dem Aktivisten binnen 14 Tagen 2.397 Euro an Aufwandersatz für Schriftsätze und sonstige Kosten leisten. Gegen dieses Erkenntnis ist kein ordentliches Rechtsmittel zulässig.

Stadtstraße-Protestcamp in Wien wird geräumt

Die Polizei hat in Wien-Donaustadt mit der Räumung des letzten Protestcamps gegen die geplante Stadtstraße am Dienstagvormittag begonnen. Die Asfinag hat nach eigenen Angaben die Polizei ersucht, …

Mit dem Knie "ins Kreuz gesprungen"

Der 49-Jährige war nach der Räumung des Protestcamps gegen die Stadtstraße mit drei weitere Aktivist:innen - zwei Frauen und ein Mann - zum Zweck der Identitätsfeststellung festgenommen und ins PAZ gebracht worden. Dort "igelte" er sich zunächst auf einer Sitzbank ein, weil er sich nicht fotografieren lassen wollte. Drei bis vier Beamte zogen ihn dann auf den Fußboden, wo er weiter bestrebt war, sein Gesicht mit seinen Unterarmen und Händen zu bedecken.

Ein Polizist sei ihm daraufhin mit einem Knie "ins Kreuz gesprungen", bestätigte der "LobauBleibt"-Aktivist im Verwaltungsgericht. Das habe eine Fraktur der elften Rippe und eine Thoraxprellung zur Folge gehabt - was seitens der Polizei bestritten wurde. Dort vermutete man unter Bezugnahme auf einen polizeilichen Amtsarzt, im Spital, in dem der Rippenbruch festgestellt wurde, sei womöglich gar keine frische Verletzung dokumentiert worden.

Bereits ein alter Rippenbruch?

"Das kommt mir reichlich seltsam vor, dass ein Unfallchirurg, sein Vorgesetzter, eine Röntgenologin und ein Gerichtsgutachter einen alten Rippenbruch nicht von einem frischen unterscheiden können", hielt dazu Richter Helm fest. Der Aktivist berichtete daraufhin, er habe sich bei einem fünf Jahre zurückliegenden Fahrradsturz zwei mit dem Brustbein verbundene Rippen gebrochen. Die jüngste, verfahrensgegenständliche Fraktur habe allerdings die elfte Rippe hinten betroffen.

Der 49-jährige Mann schloss dezidiert aus, dass er sich vor seiner Festnahme bei der Räumung des Protestcamps gegen die Stadtstraße verletzt hatte bzw. ihm dort Verletzungen beigebracht wurden. Er sei damals an eine Konstruktion angekettet gewesen, diese Polizisten - es handelte sich um Spezialkräfte der Wega - hätten ihn "höchst professionell" von dieser gelöst. Er sei dabei auch "höchst respektvoll behandelt" worden, betonte der Aktivist.

Auf die Frage, weshalb er sich im PAZ nicht fotografieren habe lassen wollen, erwiderte der 49-Jährige zunächst: "Jegliche erkennungsdienstliche Maßnahme wie Fotos und Fingerabdruck kann verweigert werden." Das sei damals Grundsatzhaltung unter den Aktivistinnen und Aktivisten gewesen: "Es war bei uns Usus. Das haben damals alle Aktivisten gemacht." Mittlerweile verhalte er sich anders und sei zumindest bereit, seinen Namen zu nennen, verriet der Mann.

Trotz Verletzung 24 Stunden im Polizeianhaltezentrum

Der ins PAZ verbrachte Aktivist hatte nach dem Kniestoß schmerzbedingt seinen passiven Widerstand aufgegeben und sich notgedrungen doch noch fotografieren lassen. Danach wurde er in eine Zelle gebracht, wo er die Nacht verbringen musste. Aufgrund seiner Schmerzen rief er seinen Angaben zufolge mehrmals nach einem Arzt und verlangte später auch Schmerzmittel. Er sei dann in der Zelle auch von einem Mediziner untersucht worden. Dieser habe auch die Stelle, an der die Rippe gebrochen war, ertastet, aber sinngemäß festgestellt, das sei "nicht lebensbedrohlich" und ihm Haftfähigkeit bescheinigt, schilderte der 49-Jährige im Verwaltungsgericht.

Der Aktivist wurde erst am 20. Februar um 13.15 Uhr - und damit fast 24 Stunden nach seiner Festnahme - aus dem PAZ entlassen. Er ging unverzüglich in ein Spital, wo Röntgenbilder angefertigt und die beschwerdegegenständlichen Verletzungen festgestellt wurden.

Strafverfahren wegen Körperverletzung eingestellt

Der Rechtsvertreter des 49-Jährigen, der Wiener Anwalt Clemens Lahner, stützte sich in seiner Maßnahmenbeschwerde auf die im Spital aufgenommene Krankengeschichte sowie ein gerichtsmedizinisches Gutachten, das seiner Ansicht nach die Darstellung seines Mandanten in zeitlicher Hinsicht und zum Geschehnisablauf untermauerte. Darüber hinaus bemängelte Lahner in einer Richtlinienbeschwerde, dass die Gewaltanwendung seitens der Polizei überhaupt nicht dokumentiert worden war. Auch damit hatte der Anwalt Erfolg, die fehlende Dokumentation wurde vom Verwaltungsgericht ebenfalls als rechtswidrig eingestuft.

Strafrechtlich blieb der Rippenbruch allerdings ohne Folgen. Die Staatsanwaltschaft Wien hatte gegen drei Polizisten, die im PAZ mit dem 49-Jährigen zu tun hatten und die als mögliche Verursacher der Fraktur in Frage kamen, wegen Körperverletzung ermittelt. Dieses Strafverfahren wurde eingestellt - laut Lahner war nicht erweislich, welcher der Beamten den Kniestoß ausgeführt hatte. "Naturgemäß hat keiner (der Beamten, Anm.) zugegeben, dass er es war. Und keiner hat etwas gesehen", kommentierte Verwaltungsrichter Helm coram publico die für den betroffenen Klima-Aktivisten ungünstige Beweislage.

(Quelle: apa)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken