Der Facebook-Konzern Meta will bei der Verbreitung von Falschbehauptungen künftig weniger eingreifen als bisher. Mit dieser Ankündigung – die vorerst nur für die USA gelten soll – hat Gründer Mark Zuckerberg am Dienstag für Aufsehen gesorgt. Wir zeigen auf, was das für Nutzerinnen und Nutzer von Facebook, Instagram und Threads bedeutet.
Bisher arbeitete Meta mit Drittanbietern für Faktenchecks zusammen. Diese seien aber zu "politisch voreingenommen" gewesen und hätten viel Vertrauen zerstört, argumentierte Zuckerberg nun die plötzliche Änderung seiner Strategie. Statt der Kennzeichnung von Postings mit Falschbehauptungen und den verlinkten Faktenchecks soll es künftig auf den Meta-Plattformen Facebook, Instagram und Threads – ähnlich wie bei Elon Musks Plattform X – nur mehr sogenannte "Community Notes" geben. Mittels dieser Funktion können Nutzer:innen Kommentare wie Faktenchecks unter einem Beitrag, einem Bild oder einem Video hinzufügen. "'Community Notes' basieren auf Mehrheitsentscheidungen und nicht auf einer objektiven Wissensbasis. Wenn die Mehrheit überzeugt ist, dass eine bestimmte Aussage richtig oder falsch ist, wird sie entsprechend gekennzeichnet – unabhängig davon, ob das faktisch korrekt ist oder nicht", erklärt Andre Wolf von Mimikama, einem österreichischen Verein zur Aufklärung von Internetmissbrauch, gegenüber SALZBURG24. Professionelle Faktenchecks soll es nicht mehr geben.
Wie funktionieren die "Community Notes"?
- Nutzer:innen können sich als Beitragende registrieren und Kommentare zu Inhalten verfassen.
- Um Voreingenommenheit zu vermeiden, müssen Nutzer:innen mit unterschiedlichen Perspektiven zustimmen, bevor eine Note veröffentlicht wird.
- Meta selbst wird keine Inhalte schreiben oder freigeben.
"Riesiges Manipulationspotenzial"
Diese Vorgehensweise berge "riesiges Manipulationspotenzial". Trolle, Desinformationskampagnen und Chaos seien vorprogrammiert, erwartet Mimikama. Das größte Problem sieht Wolf aber in einer möglichen Verrohung des Diskurses auf den Plattformen analog zu X: Mehr Hate Speech, mehr Polarisierung und weniger Moderation. Mehrere bekannte Medienleute haben Musks Plattform aufgrund dessen in den letzten Monaten verlassen, darunter Armin Wolf, Ingrid Brodnig und Florian Klenk.
"Eine solche Verrohung würde das Klima auf den Plattformen nachhaltig verschlechtern und könnte zu realen gesellschaftlichen Spannungen führen", warnt der Internet-Experte. Meta sieht diesen Schritt hingegen als Rückkehr zu den "Wurzeln der freien Meinungsäußerung".
Herausforderung und Chance zugleich
Die Änderungen stellen aber auch für Wolf nicht nur eine Herausforderung, sondern ebenso eine Chance dar. Die Nutzer:innen bekämen mehr Verantwortung und die Möglichkeit, die Plattformen aktiv mitzugestalten. Es liege an uns, ob daraus ein produktiver Diskurs oder Chaos entsteht. User:innen sollten sich bewusst sein, dass häufiger unmoderierte oder kontroverse Inhalte angezeigt werden könnten. Mimikama rät, nicht blind auf Inhalte zu vertrauen, sondern den Wahrheitsgehalt selbst zu prüfen und nach zusätzlichen Informationen zu suchen.
Testlauf vorerst auf USA beschränkt
Meta will dieses Modell, wie angekündigt, zunächst in den USA testen. Das System könnte aber in späterer Folge weltweit ausgerollt werden. Vorerst ist das in Europa noch nicht möglich. "Europäische Gesetze, die über das letzte Jahrzehnt zum Schutz der Nutzer:innen geformt wurden, sorgen dafür, dass bestimmte Falschmeldungen – etwa in Bezug auf Holocaustleugnung oder Volksverhetzung – gar nicht verbreitet werden dürfen. Dazu kommen laufende Verträge mit Faktencheck-Partnern wie der dpa oder correctiv, die zumindest bis Ende 2025 bestehen", erklärt Andre Wolf. Allerdings könnten algorithmische Anpassungen problematisch werden, wie er weiter sagt. Plattformen wie Facebook und Instagram hätten bisher bestimmte Inhalte in ihrer Reichweite begrenzt. Wenn diese Algorithmen verändert werden, könnte es zu einer stärkeren Sichtbarkeit solcher Inhalte kommen.
Sobald die bestehenden Verträge aber auslaufen, könnte Meta die Faktenchecks auch in Europa einfach einstellen. "Allerdings müssten sie mit hohen Geldstrafen und möglichen Sanktionen aus Europa rechnen, wenn bestimmte Falschmeldungen nicht verschwinden. Die Frage wird sein, wie Meta damit umgeht – ob sie zahlen, sich aus dem europäischen Markt zurückziehen oder andere Wege suchen, um Strafen zu umgehen", schildert er weiter. Das Entscheidende werde jedenfalls sein, wie stark sich Europa gegen Meta stelle. "Derzeit sehen wir innerhalb der EU einen rechtskonservativen Ruck, der möglicherweise dazu führt, dass der politische Druck auf Meta geringer wird. Es hängt also nicht nur von Meta selbst ab, sondern auch von der politischen Entwicklung innerhalb Europas", so Wolf.
Trumps Einfluss auf Mark Zuckerberg und Meta
Auch die US-amerikanische Politik nimmt starken Einfluss. Meta befinde sich in einem Spannungsfeld zwischen regulatorischen Anforderungen und kommerziellen Interessen und vor allem Donald Trump, wie Wolf weiter aufzeigt: "Es ist in meinen Augen sehr merkwürdig, dass Zuckerberg, der in den letzten Jahren immer wieder davon gesprochen hat, seine Plattformen frei von 'Fake News' zu bekommen, auf einmal so einknickt." Meta hat übrigens eine Million Dollar für Trumps Vereidigungszeremonie gespendet.
"Welchem Druck ist/war er ausgesetzt? Trump hat ja gedroht, ihn lebenslang inhaftieren zu lassen oder den Konzern Meta zerschlagen zu wollen. Wir dürften wohl nicht wissen oder erfahren, was da im Hintergrund geschehen ist, dass Zuckerberg so plötzlich einen Kurswechsel vollzieht", stellt Wolf in den Raum.
(Quelle: salzburg24)