Schlussstrich

Wolfgang Sobotka zieht sich aus der Politik zurück

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) im Rahmen einer Sitzung des Nationalrates im Parlament in Wien am Donnerstag, 23. November 2023.
Veröffentlicht: 04. Juni 2024 19:07 Uhr
Wolfgang Sobotka zieht sich aus der Politik zurück. Bei der Nationalratswahl im Herbst tritt er somit nicht mehr an. Das berichtet heute der "Kurier".

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) will sich aus der Politik zurückziehen – offenbar ganz zur Überraschung seiner Partei. Das berichtet der "Kurier" am Dienstagabend. Demnach will der 68-Jährige auch bei der Nationalratswahl im September nicht mehr antreten. Er strebe kein politisches Amt mehr an. Das habe er nach einem Gespräch mit seiner Familie entschieden, heißt es in dem Medienbericht.

Bis zur konstituierenden Sitzung des Nationalrats nach der Wahl will Sobotka aber "mit vollem Einsatz" weiterarbeiten. Sobotka hatte nicht nur als Nationalratspräsident, sondern auch als Vorsitzender diverser Untersuchungsausschüsse immer wider polarisiert.

"Ich bin und bleibe dennoch ein zutiefst politischer Mensch", meinte Sobotka. "Ich wollte immer selbstbestimmt aus der Politik ausscheiden und nicht darauf warten, dass andere mir sagen, ich soll gehen", meinte er zu dem Schritt. Auf keinen Fall seien die Kritik der Opposition an seiner Person, Rücktrittsaufforderungen oder die Schlusslichtplatzierung im Vertrauensindex ausschlaggebend gewesen.

Sobotka oft in der Kritik

Die Nationalratswahl im Herbst wird für ihn somit zum Schlusstakt. Der 68-Jährige wurde unter der türkis-blauen Regierung mit dem schwachen Ergebnis von 61,3 Prozent der Abgeordneten-Stimmen gewählt. Bei den Bürgern ist der streitbare Niederösterreicher nicht allzu beliebt, wie die Zustimmungswerte im APA/OGM-Vertrauensindex zeigt. Auch die Opposition sah sich zumindest in der Kritik an Sobotka geeint.

Bevor Sobotka das Amt des Nationalratspräsidenten erklomm, war er nur kurz im Nationalrat als Abgeordneter tätig - nämlich gerade einmal zwei Sitzungstage lang. Politische Erfahrung brachte er freilich schon damals ausreichend mit - Bürgermeister, Landesrat und Innenminister lauteten die vorherigen Stationen.

Der mehrfache Vater galt über viele Jahre als einer der mächtigsten Politiker Niederösterreichs, war auch Landeshauptmann-Stellvertreter und AAB-Landesobmann. Auch Landeshauptmann-Ambitionen dürfte er gehabt haben, in die Quere kam ihm dabei allerdings die umstrittene, weil spekulative Veranlagung der niederösterreichischen Wohnbau-Gelder, die für Kritik nicht nur vonseiten der Opposition sondern auch des Rechnungshofs sorgte. Sobotka blieb freilich stets dabei, nichts falsch gemacht zu haben.

Reibereien mit Ex-Kanzler Kern

Das Eingestehen von Fehlern gehört generell nicht unbedingt zu Sobotkas Stärken. Bekommt er seinen Willen nicht durch, gefällt ihm das auch nicht unbedingt, wie die SPÖ in seiner Zeit als Innenminister schmerzlich zu spüren bekam. Auch schoss er damals gegen Kanzler Christian Kern (SPÖ) quer, wo das nur möglich war. Auf die Spitze trieb es Sobotka, als er sich lange weigerte, den erneuerten Koalitionspakt zu unterfertigen. In der Sache gab Sobotka als Innenminister den unermüdlichen Law-and-Order-Minister. Ob Verschärfung von Demonstrationsrecht oder Sicherheitspaket, Sobotka trieb seine Politik der strengen Hand damals munter voran.

Sobotka und der U-Ausschuss

Die Gründe für das starke Absinken der Beliebtheit Sobotkas (laut APA/OGM-Vertrauensindex) dürften u.a. in den Diskussionen um Sobotkas Vorsitzführung im Ibiza- und ÖVP-U-Ausschuss liegen. Die Opposition warf dem Präsidenten von Anfang an Befangenheit vor. Vorgehalten wurde ihm auch, dass er sich in der Zeit der türkis-blauen Regierung mehrfach mit Novomatic-nahen Personen getroffen habe. Sobotka sprach damals von "Unterstellung".

Mit Zweifeln sah sich Sobotka auch konfrontiert, als er selbst (mehrmals) als Auskunftsperson im U-Ausschuss aussagen musste. Verfahrensrichter Wolfgang Pöschl äußerte damals Bedenken, ob Sobotka danach auch weiterhin den Vorsitz in dem Gremium führen kann - vor allem weil Sobotka im Bericht dann seine eigene Aussage bewerten habe müssen.

Sobotka dachte aber auch damals nicht an Rückzug - er werde ständig attackiert, bloß weil er versuche, der Verfahrensordnung zu entsprechen, etwa was die Fragestellung an Auskunftspersonen betrifft, betonte Sobotka etwa Ende 2020. Diskussionen um Zeugen-Ladungslisten und Unstimmigkeiten um Aktenlieferungen an den U-Ausschuss trübten ebenfalls die Stimmung.

Aufregung um Novomatic und "Alois Mock Institut"

Im Oktober 2020 wurde außerdem bekannt, dass das von Sobotka gegründete "Alois Mock Institut" von Novomatic mit 109.000 Euro unterstützt wurde. Angesichts dessen forderten damals auch Vertreter des grünen ÖVP-Koalitionspartners den ÖVP-Politiker auf, den Vorsitz im Untersuchungsausschuss ruhen zu lassen, u.a. auch Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler.

Für Aufregung sorgte Ende 2020 auch ein oe24-Interview Sobotkas, in dem er angesprochen auf Inserate des Glücksspielkonzerns Novomatic in einer Zeitschrift des Alois-Mock-Instituts meinte: "Sie kennen das Geschäft. Fürs Inserat gibt's ein Gegengeschäft, natürlich. Das wird man wohl machen dürfen, wenn man einen Thinktank hat." Von der Opposition vorgehalten wurde Sobotka auch ein Foto, das ihn - noch in seiner Zeit als Innenminister - "Seite an Seite" mit dem gesuchten Wirecard-Manager Jan Marsalek bei einem Empfang im Jahr 2017 in der österreichischen Botschaft in Moskau zeigt.

Ermittlungen wegen Verdachts des Amtsmissbrauchs

Die Diskussion um Sobotka als Vorsitzenden eines U-Ausschusses ging dann bei dem im Frühjahr 2021 gestarteten ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss weiter. Aufsehen gab es dann auch um Ermittlungen gegen Sobotka wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs wegen einer Postenbesetzung aus dem Jahr 2017: Aus einem Chatverlauf, der am Handy von Ex-Kabinettschef Michael Kloibmüller gefunden wurde, ging hervor, dass von der ÖVP eine als Wiener Vizelandespolizeidirektorin vorgesehene Kandidatin verhindert worden sein soll, weil sie als SPÖ-nahe gesehen worden sei.

Auch Aussagen des früheren ÖBAG-Chefs und Generalsekretärs im Finanzministerium, Thomas Schmid, vor der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) (der damals Ex-ÖVP-Chef Sebastien Kurz schwer belastete) trafen den Präsidenten: Laut Schmid soll Sobotka bei ihm im Finanzministerium interveniert haben: Auf seinen Wunsch hin will Schmid Steuerprüfungen bei der Erwin-Pröll-Stiftung und dem Alois-Mock-Institut gestoppt haben. Sobotka dementierte sämtliche Vorwürfe und kündigte rechtliche Schritte gegen Schmid an.

Öffentlich kritisiert wurde Sobotka auch im Rahmen seines Prestige-Projektes, der Sanierung des Parlamentsgebäudes. Vor allem die Anmietung eines vergoldeten Klaviers, das im Parlament aufgestellt wurde, brachte die Opposition gegen ihn auf.

Zumindest indirekt schaffte es Sobotka gegen Ende seiner Amtszeit, für etwas Ruhe um seine Person zu sorgen: Den Vorsitz der beiden jüngsten U-Ausschüsse zur COFAG und zum "rot-blauen Machtmissbrauch" nahm er zwar selbstverständlich an, ließ sich aber durchgehend vertreten. Unumstritten ist außerdem sein Engagement gegen Antisemitismus und für Menschen mit Behinderung.

Politisch ist Sobotka zweifelsohne ein Profi: Wirklich los ging es 1992, als der vormalige Stadtarchivar in seiner Heimatgemeinde Waidhofen/Ybbs das Amt des Finanzstadtrats übernahm. Vier Jahre später wurde er Bürgermeister, freilich nur für zwei Jahre, da ihn Landeshauptmann Erwin Pröll in seine Landesregierung holte und Sobotka zum Finanzlandesrat machte - eine Position, die er bis zu seinem Wechsel in die Bundesregierung als Innenminister innehatte.

Wer ist Wolfgang Sobotka?

Wolfgang Sobotka wurde am 5. Jänner 1956 in Waidhofen an der Ybbs in Niederösterreich geboren. Er studierte Geschichte an der Universität Wien und Violoncello und Musikpädagogik an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien. Er war Lehrer am Gymnasium Waidhofen an der Ybbs und Leiter der Musikschule seiner Heimatstadt.

In seiner politischen Karriere war der heute 68-Jährige in mehreren Funktionen aktiv, zum Beispiel als Gemeinderat, Stadtrat und Bürgermeister von Waidhofen an der Ybbs. Im Jahr 1998 wurde er als Landesrat in die niederösterreichische Landesregierung berufen und später zum Landeshauptmannstellvertreter gewählt. Von April 2016 bis Dezember 2017 bekleidete er das Amt des Bundesministers für Inneres der Republik Österreich. Seit 9. November 2017 ist Sobotka Abgeordneter zum Nationalrat, zu dessen Präsidenten er am 20. Dezember 2017 gewählt beziehungsweise am 23. Oktober 2019 wiedergewählt wurde.

(Quelle: salzburg24)

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