Petition im Landtag

Warum das Tabuthema Abtreibung in Salzburg mehr Aufmerksamkeit braucht

Veröffentlicht: 01. Dezember 2023 14:40 Uhr
„Kostenfreie Schwangerschaftsabbrüche in allen öffentlichen Krankenhäusern in Salzburg“ – diese Forderung bringt das „Frauenvolksbegehren 2.0“ mit einer Petition in den Salzburger Landtag ein. Unterstützt wird sie geschlossen von den Oppositionsparteien. Aber warum braucht das Thema Abtreibung diese Aufmerksamkeit?

Abtreibungen sind unter bestimmten Bedingungen und innerhalb der ersten drei Monate in Österreich straffrei. Diese Fristenlösung wurde vor 50 Jahren im Nationalrat beschlossen. Was damals als Revolution galt, rückt ein halbes Jahrhundert später wieder verstärkt in den Fokus der gesellschaftlichen Diskussion. Stimmen, die eine Reform dieser Regelung von 1973 fordern, werden immer lauter. So soll Abreibung etwa gänzlich aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden, fordern Aktivistinnen und Politikerinnen. Familienministerin Susanne Raab (ÖVP) erteilte dazu bereits eine Absage.

Schwangerschaftsabbrüche in Salzburg seit 2005 möglich

In Salzburg sind Schwangerschaftsabbrüche seit 2005 in der Gynmed-Ambulanz im Salzburger Landeskrankenhaus möglich. Damals hatte Landeshauptfrau Gabi Burgstaller (SPÖ) die Einführung der Abtreibung in den Salzburger Landeskliniken unter teils heftigem Widerstand durchgesetzt.

In den ersten zehn Jahren (2005 bis 2015) wurde in der Gynmed-Ambulanz in der Stadt Salzburg rund 9.000 Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt. Die Zahlen sind über die Jahre hinweg konstant hoch und liegen laut aktuellstem Jahresbericht von 2019 zwischen rund 770 und 900 pro Jahr. Die Gynmed ist die einzige Einrichtung im gesamten Bundesland, die Abtreibungen durchführt.

Grüne: "Ein Krankenhaus ist zu wenig"

Krankenanstalten, die Abtreibungen durchführen, müssen im gesamten Land zur Verfügung stehen – und das dauerhaft und kostenfrei, fordern nun die Frauensprecherinnen von SPÖ, Grüne und KPÖ in Salzburg. Aktuell zahlt eine Frau, die ihr Kind aus unterschiedlichsten Gründen nicht behalten kann oder will, rund 500 bis 600 Euro für den medizinischen Abbruch der Schwangerschaft. „Ob sich ungewollt Schwangere einen wichtigen medizinischen Eingriff leisten können, darf keine Frage ihrer Geldbörse sein. Schwangerschaftsabbrüche müssen daher als Krankenkassenleistung anerkannt werden“, so die Grüne Frauensprecherin Martina Berthold. Bei den Kosten nicht inkludiert ist im Übrigen eine eventuell erforderliche psychologische Nachbetreuung, auch das müssen betroffene Frauen selbst tragen.

SPÖ: "Der politische Wille fehlt"

Der finanzielle und organisatorische Aufwand für Politik und Krankenanstalten, Schwangerschaftsabbrüche in allen Regionen Salzburgs – etwa im Pinzgau und im Lungau – durchführen zu können, sei überschaubar, ist sich die rote Frauensprecherin Karin Dollinger im S24-Gespräch sicher. „Die Infrastruktur ist ja schon vorhanden.“ Es sei der politische Wille, der fehle, kritisiert Dollinger.

KPÖ: "Jede Entscheidung ist zu respektieren"

Es müsse selbstverständlich sein, dass Frauen selbstbestimmt über ihren Körper entscheiden können sollten, betont Natalie Hangöbl gegenüber S24. „Es gibt viele Gründe, warum sich Frauen dafür entscheiden, keine oder noch keine Kinder zu bekommen. Diese persönliche Entscheidung ist in jedem Fall zu respektieren.“ Daher müssten die bestehenden Hürden beim Schwangerschaftsabbruch aus dem Weg geräumt werden.

 
 

Grüne, SPÖ und KPÖ unterstützen damit die Petition des Frauenvolksbegehren 2.0 – Verein für Frauen*- und Gleichstellungspolitik in Österreich“, die die Salzburger Landesregierung explizit auffordert, Maßnahmen zu setzen, damit „allen Frauen wohnortnahe, qualitätsvolle Angebote für Schwangerschaftsabbrüche in öffentlichen Krankenanstalten zur Verfügung stehen und dieses Angebot dauerhaft und kostenfrei sichergestellt wird.“

Salzburg plant Motiv-Studie

Salzburgs schwarz-blaue Landesregierung will sich dem kontrovers diskutierten Thema stellen. Denn laut Regierungsübereinkommen soll eine Kampagne zur "Vermeidung ungewollter Schwangerschaft sowie zu Adoption und Pflegeelternschaft als Alternative zum Schwangerschaftsabbruch" ausgearbeitet werden. Ebenso soll eine anonymisierte Studie durchgeführt werden, die unter anderem auch die Gründe für Schwangerschaftsabbrüche aufzeigt, um das Beratungsangebot anpassen zu können. Wann die geplante Motiv-Studie in Salzburg starten soll, sei aber noch völlig offen. Es gebe dazu keine Priorisierung, hieß es am Freitag aus dem Büro von Landesrätin Gutschi (ÖVP).

Befragung für Gynmed-Chef "sinnlos"

Für den fachärztlichen Leiter der Salzburger Gynmed-Ambulanz, Dr. Christian Fiala, ist eine solche Befragung „sinnlos“, denn die Daten gebe es bereits. Die Frage sei, was mit den Daten gemacht werde, sagt er im S24-Gespräch. So wisse man unter anderem, dass die meisten Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen, bereits eine oder mehrere Kinder haben. „Ein Abbruch ist häufig eine familienpolitische Maßnahme, weil sich die Familie ein weiteres Kind nicht mehr leisten kann“, so Fiala mit Verweis auf den jüngsten Jahresbericht der Gynmed Salzburg.

Statt Daten und Zahlen zu erheben, die es schon gebe, müsse die Prävention ungewollter Schwangerschaften verbessert werden. Bessere Verhütung bedeute weniger ungewollte Schwangerschaften und damit auch weniger Abbrüche.

"Jedes Krankenhaus könnte schon morgen Abbrüche durchführen"

Eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung bei ungewollten Schwangerschaften fehle nicht nur in Salzburg, sondern in ganz Österreich. „Das ist aus meiner Sicht ein unglaublicher Skandal“, so Fiala. Da jedes Krankenhaus bei gestörten Schwangerschaften Küretage (Gebärmutterausschabung) durchführe, könnte auch jedes Krankenhaus schon morgen Abbrüche durchführen, wenn es wollte. Die Entscheidung sei eine politisch-ideologische.

Gesamtgesellschaftliche Verantwortung

Mit den aktuellen Regelungen würde man den Frauen die alleinige Verantwortung für ihre (ungewollte) Schwangerschaft übertragen. Diese Einstellung sei längst überholt. Mit der Kostenübernahme von Verhütungsmitteln und Schwangerschaftsabbrüchen könnte diese Benachteiligung der Frauen korrigiert werden, meint der Gynäkologe. Weiters fordert Fiala eine rezeptfreie Abtreibungspille sowie Informations-Kampagnen und eine bessere Sexualausbildung in den Schulen.

Wie funktioniert ein Schwangerschaftsabbruch?

Für einen Schwangerschaftsabbruch gibt es zwei Methoden.

  • Die Chirurgische Abtreibung: Bei der Absaugmethode bekommt die Frau ein Medikament, das den Muttermund weich macht. Unter Betäubung wird dann die Gebärmutter ausgesaugt und etwaige Reste herausgeschabt. Der meist ambulante Eingriff dauert etwa 15 Minuten. Treten Komplikationen (Blutungen, Infektionen) auf, ist mit einem Krankenhausaufenthalt zu rechnen.
  • Die Medikamentöse Abtreibung: Die chemische oder hormonelle Abtreibung dauert etwa drei Tage. Unter ärztlicher Aufsicht nimmt die Schwangere ein Medikament („Abtreibungspille“) ein, das den Muttermund öffnet und die Gebärmutterschleimhaut löst, wobei der Embryo abstirbt. Circa drei Tage später werden medikamentös Wehen ausgelöst, Embryo und Plazentagewebe werden ausgestoßen.

Mythen rund um Schwangerschaftsabbrüche

Rund um das Thema Schwangerschaftsabbruch hat das Land Salzburg einen Info-Folder publiziert. Dieser soll unter anderem auch Mythen rund um das oft kontrovers und emotional diskutierte Thema aufklären.

  1. Frauen wählen Abtreibung leichtfertig: Falsch. Die Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch ist in der Regel keine leichte oder impulsiv getroffene Entscheidung. Frauen treffen sie oft nach reiflicher Überlegung, unter Berücksichtigung ihrer Umstände, ihrer Gesundheit und ihrer Lebensumstände.
  2. Föten fühlen in der frühen Schwangerschaft Schmerzen: Falsch. Nervenzellen von Föten können auf Reize reagieren, für die Schmerzempfindung braucht es aber das Großhirn, das sich erst in der späteren Schwangerschaft ausbildet.
  3. Abtreibungen zu verbieten, wird diese beseitigen: Falsch. Trotz des Verbots in Europa bis in die 1970er-Jahre gab es unglaublich viele Abbrüche, verbunden mit Komplikationen und Todesfällen durch unsachgemäße Durchführung.
  4. Befürworter:innen wollen mehr Abtreibungen: Falsch. Sie setzen sich für Aufklärung und einfachen Zugang zu Verhütungsmitteln sowie dafür ein, Abtreibungen, die sowieso stattfinden, unter besten Bedingungen durchzuführen.
  5. Frauen können nach einem Abbruch unfruchtbar werden: Falsch. Es sind keine negativen Auswirkungen auf eine spätere Fruchtbarkeit bekannt. Vielmehr kann die Frau gleich nach dem Abbruch wieder schwanger werden.

(Quelle: salzburg24)

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