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Biologe Martin Schlager im Sonntagstalk: "Lebensraumqualität der Insekten nimmt ab"

Veröffentlicht: 20. Juli 2025 11:38 Uhr
Sie summen in Gärten, auf Balkonen, in Wiesen und Wäldern. Salzburgs Insektenvielfalt ist artenreich, aber mitunter auch bedroht. Wie wichtig die kleinen Bestäuber wirklich sind, bleibt oft unbemerkt. Martin Schlager vom österreichischen Wildbienenrat erklärt im Sonntagstalk deren Bedeutung fürs Ökosystem, gibt Tipps für das perfekte Insektenhotel und schildert, wie sich die heimische Artenvielfalt in den kommenden Jahren verändern könnte.

In den warmen Sommermonaten erfüllt emsiges Summen zahlreicher Insekten heimische Gärten, Balkone und die Natur. Überhaupt gibt es in ganz Österreich rund 4.000 Schmetterlingsarten, 8.000 Käferarten, 9.000 Fliegenarten und 11.000 Hautflüglerarten, zu denen etwa auch Wespen und Bienen gehören. Ein Großteil davon besucht im Laufe ihres Lebens unterschiedlichste Blüten und bestäubt diese – das ist die Grundlage für ein funktionierendes Ökosystem.

Die wohl bekanntesten Vertreter von ihnen sind die Wildbienen – nicht zu verwechseln mit den staatenbildenden Honigbienen. Es sind die einzigen Insekten, die ihr gesamtes Leben über von Pollen bzw. Nektar abhängig sind. Während einige Arten zahlreiche unterschiedliche Pflanzen anfliegen, gibt es auch Spezialisten, wie eine aktuell zu beobachtende Unterart der Sägehornbiene, die ausschließlich Blüten des Weiderichs besucht.

Über die Rolle der Insekten in den heimischen Ökosystemen haben wir ausführlich mit Martin Schlager geredet. Der Biologe und Bestäubungsökologe ist Teil des österreichischen Wildbienenrats und gibt einen detaillierten Einblick in das Leben der fliegenden Pollensammler.

Sonntagstalk mit Martin Schlager: Auszug zum Nachlesen

SALZBURG24: Wie steht es um die Artenvielfalt der heimischen Insekten?

MARTIN SCHLAGER: [..] Wenn man jetzt nur die Zahlen anschaut, würde man feststellen, dass man immer neue Arten bei uns entdeckt. In Salzburg gibt es 342 Bienenarten und jedes Jahr kommen etwa fünf, sechs dazu. In Österreich sind wir mittlerweile bei 708. Das hat den Grund, dass durch die Klimaveränderung sich auch die Lebensräume ändern und Arten aus wärmeren Regionen vom Süden zu uns kommen. Und die stellen wir dann fest. Es reicht ein Individuum aus, um eine neue Art festzustellen. Auf der anderen Seite ist es schwierig, Arten, die ausgestorben sind, wirklich als solche zu betiteln, denn das Nichtvorhandensein ist viel schwieriger nachzuweisen. […] Wenn man sich das mal genauer anschaut, wie sich die Lebensräume verändern und welche Arten kommen, stellt man fest: meistens sind es generalistische Arten, also Arten, die mit verschiedensten Lebensräumen klarkommen. Und auf der anderen Seite sind Verlierer dieses ganzen Prozesses spezialisierte Arten, wie die Alpenhummel. Das ist eine kälteangepasste Art, die quasi nie unter 2.500 Meter anzutreffen ist. Und die kriegt ein Problem, wenn sich die Lebensräume so verändern, dass sie nicht mehr nach oben wandern kann in die kühleren Regionen. Dann verliert die Art ihre Lebensgrundlage und stirbt aus.

Wir leben rund um Salzburg in einem recht dicht besiedelten Gebiet. Welche Rolle spielen Stadtgebiete für Bestäuber?

Es ist schon fast makaber, wenn man das so sagen kann. Man hat festgestellt, dass in den Städten oder in den Siedlungsräumen eine höhere Biodiversität herrscht als in der freien Landschaft. […] Die Grundregel ist, ich schaue von oben in der Vogelperspektive auf eine Landschaft drauf und je mehr Vielfalt ich da sehe, desto mehr Arten, desto mehr Biodiversität kann diese Fläche beheimaten. Bei uns Menschen ist das genauso, manche Leute wollen es lieber ein bisschen kühler, so wie ich. Ich komme aus dem Salzkammergut. Ich komme mit Regen und mit ein bisschen frischerem Wind komplett gut klar. Und anders ist es etwa bei einem Wiener Kollegen, den ich zu mir einlade, der die Wärme gewohnt ist. Und genauso funktioniert das eben bei den Arten auch und bei der Biodiversität. Solche verschiedenen Lebensräume findet man mittlerweile eher im Siedlungsgebiet. Und da können Gärten zu Rückzugsgebieten werden, die einen Wert haben für die Artenvielfalt und für die Lebensräume. Deswegen ist es umso wichtiger, dass man jetzt an die Gärtner, an die Einzelpersonen herantritt und sagt, mit einfachsten Maßnahmen kann man die Natur bestmöglich im Garten fördern und so auch das dann wieder in die weitere Landschaft tragen.

Eine Möglichkeit sind Insektenhotels, die zuhauf im Handel zu finden sind. Was halten Sie davon und was müsste ein perfektes Insektenhotel für Eigenschaften mitbringen?

Es gibt sehr viele schlechte Insektenhotels. Man muss prinzipiell mal sagen, in die meisten Insektenhotels gehen fast nur Wildbienen. Und da nur die Stängelnister. Der Rest nistet im Boden in selbst gegrabenen Löchern. Also nur ein Bruchteil der Arten schafft es in die Insektenhotels. Für die ganzen anderen Käfer, Schmetterlinge usw. ist das nichts. Ist das jetzt ein Grund, dass man keine Nisthilfen aufhängt? Nein, nicht unbedingt. Man sollte die trotzdem aufhängen, aber es muss einem klar sein, was die für einen Nutzen haben, und der ist halt begrenzt. Es gibt dabei einen Bildungsaspekt. Wenn man das seinen Enkeln oder Kindern zeigt, ist das ein sehr lehrreicher Aspekt, der nicht vernachlässigt werden darf. Für das perfekte Insektenhotel ist es am einfachsten, man geht in ein Baugeschäft. Dann gibt es diese Schilfmatten bzw. Schilfröhren. Das Wichtigste ist, dass man eine hinten geschlossene Röhre hat mit mindestens 15 cm Länge und einfach viele von diesen Schilfhalmen anbietet. […] Der maximale Durchmesser sollte bei acht Millimetern liegen, weil sich eine invasive Bienenart sonst darin einnistet, die anderen Bienen gegenüber sehr aggressiv ist und diese tötet. Die hat natürlich auch ihre Daseinsberechtigung, aber man muss sie nicht unbedingt fördern. Das ist nämlich auch etwas, was man bedenken muss: Wenn ich ein gewisses Artenspektrum fördere, fördere ich automatisch auch die Parasiten dazu. Und so ein Insektenhotel, wenn es eine gewisse Größe hat, ist auch für die Parasiten eine Brutstätte, was nicht schlecht ist unbedingt.

Den Sonntagstalk auf SALZBURG24 gibt's jede Woche. Kommenden Sonntag spricht Kathrin Krispler mit dem neuen Präsidenten der Salzburger Ärztekammer, Matthias Vavrovsky, über aktuelle Entwicklungen und künftige Herausforderungen. Einfach reinhören!

(Quelle: salzburg24)

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