Die Zahlen sind dramatisch: Denn die Anrufe bei der 24-Stunden-Krisenhotline der Pro Mente haben sich von März bis August im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. "Bei der aktuellen Dynamik ist kein Ende zu erwarten", ist sich Josef Demitsch sicher. Die Hilfsmaßnahmen – von der telefonischen Beratung bis zur ambulanten und stationären Hilfe – seien "am Anschlag", sagt der Leiter der ambulanten Krisenintervention bei Pro Mente am Freitag bei einem Pressetermin anlässlich des heutigen Welttages der psychischen Gesundheit.

Die Liste ist lang: Von Stress über Einsamkeit und Beziehungsproblemen bis Existenzangst und Perspektivlosigkeit.
Corona-Krise positiv bewältigen
Dadurch sei die quantitative Entwicklung psychosozialer Krisen erkennbar, deren weiterer Verlauf noch gar nicht abschätzbar sei. Demitsch spricht von "latentem Stress" und "unterschwelligen Ängsten", die sich irgendwann bemerkbar machen. Deswegen möchte er positive Akzente setzen, um die aktuelle Krisensituation positiv zu bewältigen. "Ständiges Hinweisen auf Bedrohungsszenarien durch Corona darf nicht das einzige gesellschaftliche Steuerungsmittel sein", appelliert er gleichermaßen in Richtung Politik und Medien. "Für Menschen in instabilen Lebenssituationen muss erkennbar sein, dass sie nicht zurückgelassen werden." Das fördere die in diesen Tagen viel zitierte Resilienz, also die psychische Fähigkeit, Krisen zu bewältigen und sie als Anlass für Entwicklungen zu nutzen.
Folgen des Corona-Lockdowns
Aktuell sei eine eindeutige Zunahme an schweren psychischen Erkrankungen zu beobachten, zeigt Wolfgang Aichhorn, Primar an der Salzburger Christian-Doppler-Klinik, auf: "Das sind Folgen des Lockdowns, aber auch der Unterversorgung zu dieser Zeit." Das betreffe Menschen mit Depressionen, Angst- und Suchterkrankungen, die in den letzten Monaten und aktuell vermehrt Rückfälle erleiden und auch im Spital behandelt werden müssen. Rund 5.000 stationäre Aufnahmen werden jährlich im Land Salzburg gezählt – Tendenz steigend. Schätzungsweise zehn bis zwölf Prozent der Bevölkerung leide an einer behandlungsbedürftigen psychischen Erkrankung.
Was psychische Krankheiten fördert
Hinzu kommt die durch Corona verschärfte Situation am Arbeitsmarkt. Aichhorn: "Das sind oftmals gesunde Leute, die durch Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit verzweifelt sind und ökonomische Einschnitte verkraften müssen." Die fehlende Tagesstruktur, aber auch Perspektivlosigkeit und Isolation seien hier wesentliche Faktoren. Das alles fördere psychische Krankheiten.

"Menschen mit psychischen Problemen haben es generell schwer am Arbeitsmarkt", stellt Reha-Psychologin Kathleen Heft fest. Von der ersten großen Kündigungswelle seien vor allem diese Person betroffen gewesen. Zudem mangele es an geeigneten Praktikumsplätzen. "Es ist wichtig, dass diese Menschen nicht wieder and den Rand gedrückt und Sparmaßnahmen auf deren Rücken ausgetragen werden", so Heft. Das habe schlussendlich großen Einfluss auf das gesamte Familiensystem.
Hilfe ist vorhanden
Aber auch Covid-19 selbst ist mit neuropsychiatrischen Symptomen verbunden. Dazu gehören neben den bekannten Geruchs- und Geschmacksstörungen auch depressive und kognitive Symptome, wie etwa Konzentrationsstörungen. "Die Angebote und Instrumente sind da", betont Primar Aichhorn, der alle Betroffenen dazu ermutigen will, sich Hilfe zu suchen. So könne man mit niederschwelligen Angeboten frühzeitig richtige Maßnahmen setzen und Lösungsangebote anbieten.
Angebote im Land Salzburg
Psychosozialer Dienst des Landes
Christian-Doppler-Klinikum Stadt Salzburg
Kardinal-Schwarzenberg-Klinikum Schwarzach
Frauengesundheitszentrum Salzburg
(Quelle: salzburg24)