Arbeitsfrust VS. Arbeitslust

"Junge Salzburger:innen wollen nicht mehr hackeln" – Stimmt das?

Veröffentlicht: 22. August 2024 15:02 Uhr
Junge Beschäftigte in Salzburg sind viel häufiger von psychischen Erkrankungen betroffen als ältere. Das zeigen Zahlen der Salzburger Arbeiterkammer (AK). Hinzu kommen weitere Faktoren wie Stress oder finanzielle Unsicherheit, die sich auf das Arbeitsklima bzw. die Arbeitszufriedenheit niederschlagen. Trotzdem: Das Vorurteil, dass junge Salzburgerinnen und Salzburger keinen Einsatz mehr zeigen wollen, bestätige sich in Untersuchungen der AK „überhaupt nicht“.

„Was man gern macht, macht man gut“ – so lautet ein bekanntes Sprichwort, das auch im beruflichen Kontext gerne verwendet wird. Bei vielen jungen Beschäftigten ist die Arbeitszufriedenheit jedoch massiv gesunken. Das zeigt der aktuelle Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ). Vor der Corona-Krise im Jahr 2019 haben noch 81 Prozent – das war ein größerer Teil als bei den Älteren – angegeben, dass sie zufrieden sind. Nun sind es nur noch 60 Prozent. Auch in Salzburg habe sich der Arbeitsmarkt noch nicht ganz von den pandemiebedingten Belastungen erholt, meint Stefan Bogner von der Abteilung Sozialpolitik bei der AK Salzburg im SALZBURG24-Interview am Mittwoch. Die Annahme, dass junge Menschen aber grundsätzlich nicht mehr bereit seien, Einsatz im Job zu zeigen, lasse sich aus den Daten nicht ableiten. Wir haben uns die Lage im Bundesland in Zahlen angesehen.

68 Prozent der Jungen von Depressivität betroffen

Wenig überraschend: Zeitdruck und Stress – angefeuert durch den Bedarf an Arbeitskräften – setzen vielen Beschäftigten zu, sagt Bogner. Hinzu kommen die Nachwirkungen der Covid-Krise. „Darunter leidet die Zufriedenheit mit dem Arbeitsklima insgesamt“, hält der AK-Experte fest. Ein weiterer Faktor sind psychische Belastungen. Unter-30-Jährige seien davon „viel häufiger“ betroffen als die Gruppe der Menschen über 30 Jahre. Das würden Daten aus Salzburg belegen. Als Beispiel greift Bogner Depressivität heraus: 68 Prozent bei den Unter-30-Jährigen stehen 49 Prozent bei den Über-45-Jährigen gegenüber. Jede:r Zweite in Salzburg leide zudem zumindest mäßig unter Gefühlen von Entfremdung. Auch hier seien die Werte bei den jüngeren Menschen höher als bei den älteren. „Ich glaube, man kann schon sagen, dass die ganzen Verwerfungen der Pandemie junge Menschen härter getroffen haben“, beschreibt Bogner seine Wahrnehmungen.

Um die Gründe für psychische Belastungen noch näher beleuchten zu können, brauche es mehr qualitative Untersuchungen. Im Rahmen einer solchen qualitativen Untersuchung mit Soziolog:innen der Uni Salzburg wurden etwa 30 Interviews mit Personen in der Altersgruppe bis 30 Jahre durchgeführt. Die Belastung durch multiple Krisen sei hier jedenfalls ein Thema gewesen. Dazu zählen neben der noch nicht lange zurückliegenden Corona-Krise die Teuerung, die Frage, ob man sich einmal Eigentum leisten kann, oder der Ukraine-Krieg. „Das schlägt sich bei dieser Generation vielleicht etwas stärker nieder, weil sie teilweise im permanenten Krisenmodus leben“, denkt der AK-Experte.

Hohes Stresslevel auch im Alltag

Dass sich Arbeit und Privatleben kaum komplett voneinander trennen lassen und sich oftmals gegenseitig beeinflussen, verdeutlicht eine Umfrage, die die Salzburger AK bereits vor zwei Jahren beim Institut für empirische Sozialforschung (IFES) in Auftrag gegeben hat. Hier wurden junge Salzburgerinnen und Salzburger zwischen 16 und 35 Jahren zu Arbeits- und Lebensentwürfen befragt. Bogner erläutert: „Auch hier hat sich gezeigt, dass das Stresslevel relativ hoch ist. Mehr als die Hälfte der Befragten hat angegeben, dass sie sehr häufig unter Stress im Alltag leidet. Das nimmt man auch in die Arbeit mit.“ Nur drei Prozent hätten hingegen gesagt, dass sie sich gar nicht im Alltag gestresst fühlen – ein „verschwindend geringer“ Anteil.

Wie schaut's beim Einkommen aus? 

Nicht zu vergessen ist selbstverständlich der finanzielle Aspekt: Wie gut ist man abgesichert? Was kann man sich leisten? Reichen Lohn oder Gehalt überhaupt zum Leben aus? Hier zeigt sich bei allen Beschäftigten in Salzburg – unabhängig vom Alter – ein alarmierendes Bild. Konkret hat die Hälfte der Befragten im aktuellen Arbeitsklimaindex (erhoben wurden die Daten im Jahr 2023, Anm.) angegeben, dass ihr Einkommen gerade oder nicht mehr ausreicht, um den eigenen Bedürfnissen zu entsprechen. Im Vergleich zum Jahr davor sei die Zahl jener, die sagen, dass sie mit ihrem Einkommen nicht auskommen, deutlich gestiegen, sagt Bogner. Bei den Jungen zwischen 15 und 29 Jahren gaben 54 Prozent im Arbeitsklimaindex an, dass ihr Einkommen gerade so ausreicht. Bei den 30-Jährigen sagen das 40 Prozent, bei den Über-45-Jährigen 33 Prozent. „Auch aus anderen Untersuchungen wissen wir, wie viel Geld für die Mieten oder die Wohnsituation alleine draufgeht. Eine Mietpreisbremse für alle indexgebundenen Mieten wäre sicher eine Art Abhilfemaßnahme, um dem ein wenig entgegenzusteuern, weil das Einkommen schon so knapp ist.“

Apropos Wohnen: Laut der bereits erwähnten IFES-Studie würden sich 90 Prozent der jungen Menschen in Salzburg Sorgen zum Thema erschwingliches Wohnen und allgemeine Teuerung machen. „Beim Wohnen regiert der Frust. Eigentum wird von den meisten ohnehin als Ding der Unmöglichkeit gesehen. Das ist, glaube ich, anders als früher. Bei den Generationen Z oder Y ist die Arbeitsbereitschaft nach wie vor da, aber sie wollen der Arbeit nicht alles unterordnen. Der Wunsch nach Abgrenzbarkeit und Vereinbarkeit ist ganz stark ausgeprägt. Für 92 Prozent der jungen Menschen in Salzburg muss Erwerbsarbeit mit dem Erleben anderer Lebensbereiche vereinbar sein.“

Junge Salzburger:innen nicht arbeitsbereit? 

Zum Beispiel sei mehr Zeit für unbezahlte Arbeit oder Pflege vielen Befragten wichtig, gerade bei jungen Familien. Den Studienergebnissen zufolge wollen 70 Prozent der jungen Salzburgerinnen und Salzburger weniger als 40 Stunden Erwerbsarbeit nachgehen. Doch Bogner von der AK betont: „Zu sagen, dass man nicht arbeitsbereit ist oder nicht bereit ist, Einsatz zu zeigen, wäre ein falscher Schluss. Das zeigt sich in unseren Untersuchungen überhaupt nicht.“

Phänomen Präsentismus "auf dem Vormarsch"

Ganz im Gegenteil: Das Phänomen Präsentismus – also dem Arbeiten trotz Erkrankung – sei „eindeutig auf dem Vormarsch“. Bei den Unter-30-Jährigen beträgt der Anteil jener, die in den sechs Monaten vor dem Befragungszeitpunkt trotz akuter Erkrankung arbeiten gegangen sind, in Salzburg fast 60 Prozent. Womöglich passiere das aus einem Pflichtgefühl heraus, um die Kolleg:innen nicht hängen zu lassen, mutmaßt Bogner. Mit steigendem Alter werde der Anteil derjenigen, die das machen, immer geringer. „Die Jungen bringen also ganz schöne Opfer“, resümiert der Experte.

Was lässt sich aus all diesen Erkenntnissen nun ableiten? Stefan Bogner aus der Sozialpolitik-Abteilung bei der Arbeiterkammer Salzburg sieht etwa die bereits bekannte Forderung auf ein Recht auf Nichterreichbarkeit als möglichen Ansatz, um die Situation zu verbessern. Ebenso schlägt er insgesamt eine Belastungsreduktion vor. Arbeitszeitverkürzung – wie etwa durch die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohn und Gehalt – lautet das Stichwort. Viele Betriebe sehen das bekanntlich anders. Eine Patentlösung wird es wohl so schnell nicht geben. Was jedoch umso wichtiger erscheint, ist ein Aufeinanderzugehen und zumindest der Versuch, für sein Gegenüber Verständnis aufzubringen. Das betrifft aber nicht nur die Beziehung zwischen Chefin oder Chef und den Beschäftigten, sondern auch die verschiedenen Generationen, die bestimmt bei all den unterschiedlichen Sichtweisen und Einstellungen doch einiges voneinander lernen können.

(Quelle: salzburg24)

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Von Thomas Pfeifer
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