Sie hören den Aufprall, sehen vielleicht einen Menschen zu Boden stürzen – und dann? Einige Sekunden entscheiden darüber, ob jemand hilft oder flieht. Im Jahr 2024 kam es in Österreich zu 2.594 Unfällen mit Personenschaden, bei denen 2.650 Lenker:innen Fahrerflucht begingen. Laut Statistik Austria und ÖAMTC-Unfallforschung starben dabei sieben Personen, fast 3.000 Menschen wurden verletzt. Auch im Bundesland Salzburg gab es im Vorjahr 168 solcher Fälle.
Die Dunkelziffer dürfte laut ÖAMTC noch deutlich höher liegen, denn reine Sachschäden werden in dieser Statistik nicht erfasst. "Dramatischer sind aber Unfälle, bei denen Verletzte im Stich gelassen werden – das darf nicht sein", sagt ÖAMTC-Verkehrspsychologin Marion Seidenberger in einer Aussendung am Mittwoch. Sie fordert mehr Zivilcourage und erinnert daran, dass jeder Mensch – auch Mitfahrende oder Passant:innen – verpflichtet ist, Hilfe zu leisten oder zumindest den Notruf zu wählen.
Unfall mit Fahrerflucht: Schwere rechtliche Folgen
Wer von der Unfallstelle flieht, riskiert nicht nur moralische Schuld, sondern auch hohe Strafen: Bis zu 2.180 Euro Verwaltungsstrafe, im schlimmsten Fall ein gerichtliches Strafverfahren wegen "Im-Stich-Lassens eines Verletzten" – mit bis zu drei Jahren Haft. Auch bei reinen Blechschäden gilt Meldepflicht. Wer nach einem Parkrempler einfach weiterfährt, kann bei nachträglicher Ausforschung härtere Konsequenzen erwarten als bei sofortiger Meldung an die Polizei.
Psychologische Folgen für Betroffene
Seit 2018 hat die Zahl der Unfallfluchten in Österreich um rund 12 Prozent zugenommen. Besonders in den Sommermonaten zwischen Juni und September – wenn mehr Verkehr herrscht – häufen sich laut ÖAMTC die Vorfälle. Den größten Anteil der flüchtigen Unfallbeteiligten stellen Pkw-Lenkerinnen und -Lenker (59 Prozent), gefolgt von Radfahrenden (9 Prozent) und E-Scooter-Fahrer:innen (6 Prozent). Zur Ausforschung werden regelmäßig Dashcam-Aufnahmen oder Videoüberwachung herangezogen. Doch nicht immer gelingt das – viele bleiben unbekannt und die Fälle ungelöst. Ein solcher besonders tragischer Fall ist jener Verkehrsunfall aus dem Sommer 2023 in Mattsee (Flachgau), bei dem eine junge Frau von einem Auto erfasst und getötet wurde. Bis heute fehlt von einem Lenker jede Spur.
Betroffene von Fahrflucht-Unfällen berichten häufig von Angstzuständen, Schlafproblemen, Panikattacken, Unruhe im Straßenverkehr und einem tiefen Vertrauensverlust gegenüber anderen Verkehrsteilnehmenden. Das Gefühl, "im Stich gelassen worden zu sein", kann zu langanhaltenden posttraumatischen Belastungsstörungen führen. Viele Opfer benötigen danach psychologische Betreuung oder Selbsthilfegruppen, um wieder Sicherheit und Kontrolle im Alltag zu gewinnen.
Warum Menschen vom Unfallort fliehen
Fahrerflucht entsteht oft nicht aus Kaltherzigkeit, sondern aus psychischer Überforderung, erklärt die Verkehrspsychologin. "Nach einem Unfall können Schock, Panik oder Angst vor Strafe dazu führen, dass Betroffene unüberlegt handeln", schildert Seidenberger. Manche haben keine gültige Fahrerlaubnis, stehen unter Alkoholeinfluss oder fürchten finanzielle Konsequenzen. Gerade bei jungen Erwachsenen, die laut ÖAMTC mit fast zehn Prozent die größte Gruppe der flüchtenden Lenker stellen, spielt fehlende Erfahrung im Umgang mit Stresssituationen eine Rolle.
Richtiges Verhalten beim Unfall
Der wichtigste Rat bei einem Unfall lautet laut ÖAMTC: "Ruhig bleiben, tief durchatmen und keinesfalls dem Fluchtinstinkt nachgeben." Stattdessen soll man die Unfallstelle absichern, den Notruf 133 (Polizei), 144 (Rettung) oder 112 (europäischer Notruf) wählen, etwaige Verletzte versorgen und auf die Einsatzkräfte warten.
(Quelle: salzburg24)