Sonntags-Talk

Edi Jäger: "Klischees sollen Fragen aufwerfen"

Veröffentlicht: 23. November 2018 11:18 Uhr
Der Salzburger Edmund "Edi" Jäger ist als Kabarettist und Schauspieler auf Theaterbühnen genauso zuhause wie am Filmset vor der Kamera. Wir haben uns mit dem Seekirchner (Flachgau) darüber unterhalten, wie man Menschen zum Lachen bringt und, warum Klischees nicht als Witze taugen. Außerdem erklärt er, was Salzburgs kulturelle Szene dringend benötigt und, weshalb er sein Publikum so gerne mit Fragen nervt.
Jacqueline Winkler

SALZBURG24: Edi, wie bringt man Menschen zum Lachen?

EDI JÄGER: Eine gute Frage, die stelle ich mir auch sehr oft. Ich amüsiere mich königlich bei Sachen, die mit einer sehr großen Authentizität rüberkommen. Es hat auch mit Ehrlichkeit und großer Sympathie für menschliche Belange zu tun. Das spürt man, auf einer fast feinstofflichen Ebene, wie ehrlich und leidenschaftlich jemand ist. Wenn man Menschen wirklich mag – auch ihre Fehler – und viel Selbstironie mitbringt, berührt das so weit, dass man mitlacht.

Wenn niemand lacht, kannst du dich dann kurzfristig an die Stimmung im Saal anpassen?

Man kann es versuchen, aber den Witz nicht komplett überarbeiten. Außer es fällt einem spontan etwas ein. Wenn die Dynamik nicht optimal ist, kann man nur um die tiefere Aufmerksamkeit kämpfen. Es geht letzten Endes immer um eine Form der Direktheit. Das heißt nicht, dass man die Leute direkt ansprechen muss. Man merkt das in jedem Gespräch, ob wirklich eine menschliche Verbindung entsteht, oder nur eine Situationshülse.

Du beschäftigst dich viel mit den Unterschieden zwischen Männern und Frauen. Funktionieren Klischees immer als Witz?

Nein, überhaupt nicht. Sie funktionieren als Themaeröffnung, als Provokation. Mein aktuelles Programm „Wenn Frauen fragen“ ist gespickt mit Klischees. Und jetzt habe ich das Programm schon so oft gespielt, dass es mehr und mehr Spaß macht, darauf eingehen zu können, wenn jemand sagt: Das stimmt überhaupt nicht. Ich glaube, Klischees dienen dazu Fragen aufzuwerfen. Und in jedem Klischee steckt auch ein Fünkchen Wahrheit.

Woher kommt die Faszination dafür?

Es ist natürlich ein zeitloses Thema und betrifft jeden. Gemeinsam über Dinge zu lachen, die alle betreffen, das ist wahnsinnig befreiend, erhellend und beglückend. Das bringt irrsinnig viel in Bewegung. Es ist der Motor für eine Auseinandersetzung, für ein Gespräch.

Auf der Bühne passiert das mit viel Humor: Wie lustig ist das in deinem eigenen Leben?

Gar nicht (lacht). Also es ist nicht so, dass man sich auskennt, nur weil man so ein Programm spielt. Das ist für mich genauso schwierig wie für jeden anderen.

In deinem Programm „Pubertät“, bei dem du mit deiner Tochter Magdalena auf der Bühne stehst, erzählst du auch viele Anekdoten aus eurem Familienleben. Wie reagiert deine Familie darauf?

Eigentlich total gut. Es ist wirklich irrsinnig schön, wenn man nicht nur Texte und Stücke von anderen spielt und wiedergibt, sondern auch eigene Geschichten. Und es ist ein Traum, wenn die eigene Familie zuschaut oder Freunde, und man deren Stimmen erkennt.

Bei „Pubertät“ gibt es auch Sätze wie: „Sie will mich nicht mehr dabei haben“, das ist für viele sehr hart. Und wenn ein paar Zuseher dann tief durchatmen und innerlich fünf Etagen in den Keller fallen, weil sie das Gefühl genau kennen, ist das ein schöner Moment. Man spürt: Ich bin nicht alleine.

Stichwort Verbindung: Die stellst du auch durch direkte Fragen an dein Publikum her, auf die du Antworten haben willst. Warum?

Weil es mich näher ans Publikum bringt. Ich begreife es auch ein bisschen als Schule für mich, um schlagfertiger zu werden. Denn manchmal kommen Antworten, die kamen noch nie.

In Wien zum Beispiel: Es gibt das Klischee, dass Männer bei Frauen, wenn sie sie zum ersten Mal sehen, auf gewisse Punkte schauen. Und dann frage ich die Männer: Wie ist das bei Ihnen so? Und da war eine Frau, die hat mich heillos abgeschossen. Die zeigt auf und fragt: Darf ich eigentlich auch etwas sagen? Und dann hat sie ein kurzes Plädoyer für Hände gehalten. Nach der Vorstellung haben das total viele Frauen untermauert. Die Hände dürften bei vielen Frauen Assoziationen auslösen, müsste man vielleicht einmal vertiefen (lacht). Aber das sind Momente, wo ich denke: Wow.

Jetzt stehst du nicht nur als Kabarettist, sondern auch als Schauspieler auf der Bühne. Kultur in Salzburg wird wohl am ehesten mit den Festspielen assoziiert. Bleibt da noch genügend Platz für die kleinere Szene?

Genug Platz gibt es schon. Ich habe aber den Eindruck, dass diese hochsubventionierte Institution – wunderbar, dass es sie gibt – auch viel überschattet. Man müsste mehr danach fragen, was passiert wirklich an eigenen Kulturprojekten, die hier initiiert worden sind von künstlerischen Kräften, die hier leben? Und diese so fördern, dass es die freie Szene nachhaltig belebt. In Summe könnte und sollte definitiv mehr passieren.

Oft gibt es zu viele Eintagsfliegen. Wenn ein junger Autor ein Stück geschrieben hat, wird das aufgeführt und das war‘s. Hier müsste man Geld in die Hand nehmen und sagen: Jetzt wird weitergearbeitet. Das wäre für mich eine nachhaltige Förderung. Das ist nicht Aufgabe der etablierten Institutionen, das muss aus der freien Szene kommen. Und die sollte nicht ständig ums Überleben kämpfen müssen. Sonst gibt es nur die Möglichkeit, dass jemand privat so viel Frau- oder Mannpower aufbringt. Das ist aber letzten Endes nicht die Aufgabe von Kulturpolitik, auf diese Leute zu hoffen.​

Die Wunderübung15_2759.jpg Christian Hartmann
Edi Jäger, Anita Köchl und Georg Clementi in Daniel Glattauers "Die Wunderübung" im Kleinen Theater.

Fokussiert man sich zu viel auf die Stadt Salzburg und vergisst auf die Gaue?

Ja, finde ich schon. Mir persönlich war das von Anfang an ein Anliegen: Raus aus Salzburg. Dass man auch nicht so von den Gegebenheiten der Stadt abhängig ist und, weil man Impulse bekommt und sich selbst erproben kann. Ich finde da könnte und sollte man viel mehr tun. Die kleinen Bühnen müssten liebevoller gepflegt werden.

Du bist ehrenamtlich bei der Kunstbox in Seekirchen und dem Kleinen Theater im Vorstand. Vor welchen Herausforderungen steht man dort?

Momentan ist für mich persönlich das Wegkommen vom Alltagsgeschäft ein großes Thema. Wir sind so damit beschäftigt, dass es überhaupt läuft, dass wir zu wenig zu kreativen Prozessen kommen. Ich würde zum Beispiel gerne einmal etwas mit jemandem aus einem Gau gemeinsam machen. Und das spielt dann nicht nur einmal dort und einmal in der Stadt Salzburg, sondern im ganzen Bundesland. Ich persönlich bin auch überzeugt davon, dass das nach einer gewissen Aufbauarbeit wahrgenommen würde. Die Leute schätzen das durchaus, wenn sie nicht jedes Mal, wenn sie etwas sehen wollen, aus dem Pinzgau nach Salzburg fahren müssen. Solche Projekte wären echte kulturelle Nahversorgung.

Was ich der Szene wünschen würde, wäre mehr Kultur nicht nur in einzelnen Leuchttürmen, sondern in der Breite in der ganzen Region. Das als einen Wert in der ganzen Gemeinschaft verankern zu können, den man kulturpolitisch untermauert.

Lieber Edi, vielen Dank für das Gespräch. Ich habe zum Schluss noch ein paar Entweder-oder-Fragen für dich. Bist du dabei?

Ja gern.

Strand oder Berge? Am besten beides und gleich in der Nähe noch eine riesige Stadt.

Frühaufsteher oder Langschläfer? Langschläfer.

Spontan oder durchgeplant? Spontan.

Lieblingsplatzerl in Salzburg? Es gibt eine Menge, aber momentan der Tappenkarsee.

Krimi oder Komödie? Krimi.

Buch oder Fernseher? Beides.

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Wir veröffentlichen jeden Sonntag ein Interview mit besonderen Menschen aus Salzburg – egal ob prominent oder nicht. Wir freuen uns über eure Vorschläge annicole.schuchter@salzburg24.at.

(Quelle: salzburg24)

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