„Das Leben ist kein Ponyhof“ – so lautet ein altbekanntes Sprichwort. Reitpädagogin Annika Heyer ist da anderer Meinung und hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Bedeutung des Sprichworts zu widerlegen. „Mache das Leben zu deinem Ponyhof“ ist das Motto ihrer Arbeit am Hof des Hierantl Guts in Großgmain (Flachgau). Mit ihrem eigenen Pony Club erfüllte sich die Flachgauerin 2014 einen Herzenswunsch. In verschiedenen Workshops und Kursen hilft sie Kindern dabei, den spielerischen Umgang mit Pferden zu erlernen.
Ziel der Pony Club-Kurse ist es, die Selbstwirksamkeit der Kinder durch den Umgang mit Pferden zu fördern. „Wenn die Kinder merken, dass sie selbstständig ein Pony durch einen Parcours bringen können, eröffnet das die Möglichkeit, Stärken zu entwickeln“, erklärt Heyer im SALZBURG24-Interview. Dieses Konzept bezeichnet sie als pferdegestützte Entwicklungsbegleitung. Die Kurse im Pony Club unterscheiden sich vom traditionellen Reitunterricht dadurch, dass sich die Kinder intensiv mit den Tieren beschäftigen, sie kennenlernen und pflegen. „Sie lernen, was das Tier braucht“, schildert Heyer.
Die Kinder besuchen die Reitkurse aus verschiedensten Anlässen. Für die einen geht es einzig und allein um den Spaß am Reiten, andere nutzen das Angebot aus therapeutischen Gründen. „Ein Kind, das seit längerem schon meine Kurse besucht, ist autistisch. Dadurch hatte es eine verzögerte Sprachentwicklung und war deshalb bei einer Logopädin“, erzählt die Reitpädagogin. Seitdem der Bub die Reitkurse auf dem Hierantl Gut besucht, habe die Entwicklung des Kindes einen großen Sprung gemacht. Um näher auf die mentalen Bedürfnisse ihrer Schützlinge eingehen zu können, durchläuft die Flachgauerin zurzeit eine zusätzliche Ausbildung als Reittherapeutin.
Desensibilisierungs-Training für Pferde
Die Pferde, die Heyer für den Pony Club zur Verfügung stellt, trainiert sie selbst. „Jedes Pony hat seinen ganz eigenen Charakter. Natürlich möchte ich bei meiner Arbeit die Tiere dazu trainieren, dass sie für den Umgang mit Kindern nicht zu schreckhaft sind“, so Heyer. Um die Tiere für den Pony Club vorzubereiten, setzt sie unter anderem auf Desensibilisierung. Dabei macht sie die Pferde beispielsweise mit Spielzeug vertraut, mit welchem sich die Kinder bei den Kursen oder Workshops beschäftigen. „Ein Beispiel dafür ist ein Schaumstoff-Würfel, den ich dem Pferd beim Training zuwerfe oder durch die Beine rollen lasse.“ Diese Vorgehensweise soll dem Tier dabei helfen, bei plötzlichen Bewegungen oder Geräuschen nicht unruhig zu werden.
Nächstes Projekt in den Startlöchern
Die Arbeit am Hof steht für Heyer niemals still. Neben ihrem jährlich stattfindenden Sommerferien-Programm tüftelt die Flachgauerin bereits an einem neuen Projekt – der sogenannten Begegnungszone. Dabei möchte sie einen Paddock-Trail realisieren, also einen umzäunten Weg außerhalb des Reitplatzes, auf dem Kinder selbstständig reiten und die Pferde führen können. „Auch hier ist wieder der Grundgedanke der Selbstwirksamkeit im Fokus. Die Kinder können also selbstständig ausreiten“, kommentiert Heyer. Durch den Paddock-Trail soll ein Reitweg mit Steigungen und Hindernissen entstehen, was einen Bewegungsanreiz für Pferde darstellt, den sie am herkömmlichen, flachen Reitplatz nicht haben. „Das bietet sowohl Kindern als auch Pferden ganz andere Bewegungserfahrungen als beim gewöhnlichen Reitkurs“, ist sich die Reitpädagogin sicher.
Green Care-Zertifizierung für den Pony Club
Seit Juli ist der Pony Club ganz offiziell Green Care-zertifiziert. Die Green Care-Tafel ist ein von der Landwirtschaftskammer ins Leben gerufenes Projekt, mit dem landwirtschaftliche Betriebe für die Qualität sozialer Dienstleistungen ausgezeichnet werden. Wenn sich Landwirt:innen beispielsweise ein zweites Standbein damit aufbauen, indem sie ihre Höfe für einen gesellschaftlichen Mehrwert nutzen, können sie eine Green Care-Zertifizierung erlangen. Genau das ist der Fall am Hierantl Gut: Mit ihrem Pony Club hat Heyer die Zertifizierung in den Bereichen Reittherapie/Reitpädagogik am Hof und Bildung am Hof verliehen bekommen.
Aufgrund des positiven Feedbacks von Kindern, Eltern, sowie Therapeuten und Therapeutinnen ist sich die Reitpädagogin sicher, beruflich den richtigen Weg eingeschlagen zu haben: „Ich wollte immer schon entweder Tropenforscherin werden oder auf dem Bauernhof arbeiten“, lacht sie. Dass sie nicht nur mit Tieren arbeiten, sondern dabei auch Kindern bei ihrer motorischen, kognitiven und emotionalen Entwicklung helfen kann, motiviert sie in ihrer Arbeit. Die gelernte Touristikkauffrau weiß, dass man manchmal die sprichwörtlichen Zügel selbst in die Hand nehmen müsse, um sich selbst zu verwirklichen – und genau dieses Gefühl möchte sie an die Kinder weitergeben. „Ein bisschen Größenwahn gehört sicher auch dazu – aber letztendlich sind Spiel, Spaß und Freude die Grundbausteine für ein erfülltes Leben."
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(Quelle: salzburg24)