Sorgfältige Informationsverarbeitung, stark ausgeprägte Sinnesorgane, großes Einfühlungsvermögen und diplomatisches Geschick, aber auch die Gefahr der Reizüberflutung: All das trifft auf hochsensible bzw. hochsensitive Personen zu. 15 bis 20 Prozent der Erwachsenen sind laut wissenschaftlichen Erkenntnissen davon betroffen, sagt Expertin Silvia König im SALZBURG24-Podcast. Diese Zahl lasse sich auch auf Salzburg umlegen. Obwohl der Begriff bereits im Jahr 1913 erstmals erwähnt wurde, sei das Thema noch nicht vielen Menschen bekannt. „Seit den 1990er-Jahren beschäftigt sich die amerikanische Psychologin Elaine Aron intensiv mit dem Thema. Im englischsprachigen Raum ist das Thema daher schon weit verbreitet“, erklärt König, die selbst hochsensibel ist. „Im Osten Österreichs ist es schon besser angekommen als im Westen. Obwohl durchschnittlich jeder Fünfte in einem Büro hochsensitiv ist, haben viele noch nie davon gehört.“
Was ist typisch für Hochsensible?
Hochsensible Personen (HSP) würden demnach Informationen besonders tief und gründlich verarbeiten. Zudem seien die Sinnesorgane – in der Regel zwei – sehr ausgeprägt. „Den einen ist es gleich einmal zu laut in einem Raum. Andere mögen kein grelles Licht und können zum Beispiel nicht in einen Club gehen, weil sie das stresst. Wieder andere sind bei Berührungen sehr empfindlich und mögen gar nicht zum Frisör oder zur Kosmetikerin, weil es für sie sehr unangenehm ist, von Fremden berührt zu werden“, weiß die Stadt-Salzburgerin. Zudem zeichne hochsensible Personen eine hohe soziale Kompetenz aus, sie seien sehr empathisch. Auch Normalsensible könnten sehr empathisch, feinfühlig und sozial kompetent sein, betont König. „Bei hochsensiblen Menschen ist es einfach viel ausgeprägter. Wenn man einen Raum betritt, nimmt man wahr, ob dort eine gute Stimmung herrscht oder ob gestritten worden ist.“
Wie äußert sich Hochsensitivität?
Wie erkennt man aber überhaupt, ob man hochsensitiv ist? Ein erster Schritt können Kurztests sein, die es im Internet gibt. „Man kreuzt bei den Fragen nur ja oder nein an. Meistens hat der Schnelltest einen Umfang von zwölf bis 15 Fragen. Wenn die Mehrheit mit ja beantwortet wird, kann man davon ausgehen, hochsensitiv zu sein.“ Ausführlichere und aussagekräftigere Tests bieten Expert:innen an. Eine Anlaufstelle könnte das österreichweite HSP-Netzwerk sein. Wird eine Hochsensibilität festgestellt, gelte es, die eigenen Stärken herauszufinden und ebenso festzumachen, in welchen Situationen man sich schnell reizüberflutet fühlt und gewisse Tipps und Tricks hilfreich sein könnten, sagt König.
Gewisse „Basics“ würden auf alle Hochsensiblen zutreffen. „Das Hirn eines Hochsensitiven ist eine Hochleistungsmaschine. Die ist immer am Laufen. Man kann sich das ein wenig vorstellen, wie wenn es brennen würde.“ Und das mache sich auch körperlich bemerkbar. Besonders wichtig sind laut König deshalb folgende Punkte:
- Ausreichend Schlaf: Hochsensitive Menschen brauchen viel mehr Schlaf als normalsensitive.
- Ernährung: HSP sollten auf wertvolle und vor allem regelmäßige Nahrungsaufnahme achten.
- Zeit für sich: Um seine Gedanken zu sortieren, Ideen zu ordnen und Eindrücke zu verarbeiten brauchen hochsensitive Menschen mehr Zeit für sich als andere.
Um sich ein wenig in hochsensible Personen hineinversetzen zu können, nennt König ein Beispiel: „Betritt ein Hochsensitiver einen Raum, in dem er spürt, dass ein Streit vorangegangen ist, zieht er sich so etwas wie eine Jacke mit allen Emotionen, die in dem Raum sind, über. Weil die Spiegelneuronen sehr ausgeprägt sind, nimmt er alle Gefühle der anderen mit. Er kann danach aber nicht einfach hinausgehen und die Jacke abstreifen.“ Diese „Jacke“ trage man dann für ein paar Tage, bis alles sortiert ist.
"Persönlichkeitsmerkmal, keine Krankheit"
Dennoch könne eine Hochsensibilität auch viele Vorteile mit sich bringen – sowohl im Berufsleben als auch im Privaten. „Es ist ein Persönlichkeitsmerkmal, keine Krankheit. Es ist etwas Wertvolles, eine Begabung, die genetisch bedingt ist und von den Generationen weitervererbt wird“, betont Silvia König. Hochsensitive würden sehr abteilungsübergreifend und großflächig denken. Sie seien in der Arbeitswelt dafür bekannt, dass sie arbeiten, als wäre es ihr eigenes Unternehmen. „Sie sind sehr loyal, engagiert und intrinsisch hochmotiviert. Wenn man das Gefühl hat, es könnten Probleme kommen oder man könnte für jemand anderen etwas besser machen, sind Hochsensitive begabt zu erkennen, wie man ein gut funktionierendes Rad noch besser gestalten kann.“
Einen großen Mehrwert im Teambuilding würden auch das Harmoniebedürfnis und die Diplomatiegabe bieten. „HSP fungieren oft innerhalb von Teams als Coaches oder Mentoren, weil sie bei Missverständnissen oft beide Seiten gut verstehen und beruhigend wirken.“ Hochsensitive würden innovativ denken und hätten ihren Fokus auf das Allgemeinwohl. Zudem seien sie verlässlich und perfektionistisch. Und auch im Privaten, etwa wenn es um Partnerschaften geht, sei das Beruhigende und Verständnisvolle wertvoll.
Austauschgespräche in Salzburg
Wer gerne mit anderen Hochsensitiven in Kontakt treten möchte, kann in Salzburg an einem Austauschgespräch teilnehmen. Diese finden einmal pro Monat statt. Ihre Aufgabe sieht König vor allem darin, in der Arbeitswelt psychischen Erkrankungen oder Burnout vorzubeugen – gerade in Zeiten hoher Mitarbeiterfluktuation. Sie wünscht sich, dass in der Wirtschaft nicht nur auf das Monetäre geachtet wird, sondern dass der Mensch und dessen Kompetenzen wieder mehr in den Vordergrund rücken – unabhängig davon, ob jemand hochsensibel ist oder nicht.
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(Quelle: salzburg24)