Richtersenat hat entschieden

Lungauer (15) von Polizeiauto überfahren: Mildere Strafe für Polizisten

Veröffentlicht: 08. Februar 2024 12:21 Uhr
Nachdem ein 15-jähriger Lungauer im November 2021 von einem Polizeiauto überfahren und dabei getötet wurde, ist die bedingte zweimonatige Haftstrafe für den Polizisten heute am Landesgericht in eine Geldstrafe abgeändert worden. Der Schuldspruch der fahrlässigen Tötung wurde indes bestätigt.
SALZBURG24 (tp)

Ein Richtersenat am Landesgericht Salzburg hat am Donnerstag die Strafe von zwei Monaten bedingter Haft wegen fahrlässiger Tötung gegen einen Polizisten in eine mildere Geldstrafe in Höhe von 1.320 Euro abgeändert. Der Beamte saß am 18. November 2021 am Steuer eines Streifenwagens, der in Göriach (Lungau) einen 15-jährigen Mopedfahrer überrollt hatte. Der Teenager kam dabei ums Leben. Der Lungauer war zuvor der Polizei davongefahren und auf einem Feldweg gestürzt.

Polizist beteuert Schuldlosigkeit

Der bisher unbescholtene Polizist beteuerte stets seine Schuldlosigkeit. Sein Verteidiger, Rechtsanwalt Kurt Jelinek, hatte einen Freispruch gefordert und gegen das am 22. Februar 2023 am Bezirksgericht Tamsweg verhängte Urteil volle Berufung eingelegt. Der Richtersenat am Landesgericht hat nun der Berufung teilweise Folge gegeben und statt der Freiheitsstrafe eine Geldstrafe verhängt, wie die Sprecherin des Landesgerichtes Salzburg, Christina Bayrhammer, informierte. Der Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung wurde bestätigt.

Das Urteil des Berufungsgerichtes ist rechtskräftig. Falls der Beamte die Geldstrafe nicht bezahlt, droht ihm eine Ersatzfreiheitsstrafe von 60 Tagen.

Polizei verfolgt jungen Mopedlenker

Bezirksrichterin Elvira Gonschorowski-Zehetner hatte den Schuldspruch bei dem Prozess vor rund einem Jahr in Tamsweg damit begründet, dass der beschuldigte Polizist bei der Nachfahrt auf dem Feldweg, der wegen der schlechten Wegverhältnisse "Gefahren birgt", einen Sturz des Mopedfahrers einkalkulieren und deshalb einen dementsprechend größeren Tiefenabstand zum Moped einhalten hätte müssen. Die Nachfahrt der Polizisten sei aber gesetzesgemäß gewesen, sie hätten den Flüchtenden verfolgen müssen, "um die Identität festzustellen".

Bevor es zu dem tragischen Unfall kurz nach 18.30 Uhr bei Dunkelheit gekommen ist, war der Teenager mit seinem unbeleuchteten Moped laut polizeilichen Angaben zu schnell unterwegs gewesen. Zeug:innen hatten beim erstinstanzlichen Prozess geschildert, dass die Fahrweise des Jugendlichen riskant war und er andere Verkehrsteilnehmende gefährden hätte können. Deshalb fuhr ihm eine Polizeistreife mit Blaulicht und Folgetonhorn nach.

Tödlicher Unfall mit Polizeibus in Göriach

In Göriach verließ der Jugendliche die Straße und bog in einen mit Steinen durchsetzten Feldweg ein, wo er zu Sturz kam. Der VW-Bus kollidierte mit dem 15-jährigen Lungauer, der mit seinem Moped unter dem Fahrzeug zu liegen kam. Der Lenker des Streifenwagens habe trotz Vollbremsung und Ausweichmanövers nicht mehr rechtzeitig anhalten können, informierte damals die Polizei. Die Bezirksanwältin hatte dem Beschuldigten aber vorgeworfen, er habe die im Straßenverkehr gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen. Der Abstand des Polizeifahrzeuges zum Mopedlenker sei im Falle eines Sturzes zu gering gewesen. Dieser Argumentation folgte damals auch die Bezirksrichterin.

Verteidiger Kurt Jelinek entgegnete jedoch, sein Mandant habe nicht mit einem Sturz des Mopedlenkers rechnen müssen und sei aus strafrechtlicher Sicht freizusprechen. Der Polizist sei im gleichbleibenden und ausreichenden Abstand hinter dem "auffrisierten" Moped hergefahren. "Aufgrund der Besonderheiten dieses Sturzes ist es zu dem Unfall gekommen. Der Sorgfaltsmaßstab wird hier überstrapaziert", meinte Jelinek. Sein Mandant habe Erste Hilfe geleistet und mit der Reanimation des Verunfallten begonnen, die zunächst auch erfolgreich verlaufen sei, dann sei der Bursch leider verstorben.

Mutter mit Vorwürfen gegen Polizei

Die Causa schlug damals mediale Wellen. Die Mutter des Verstorbenen hatte der Polizei vorgeworfen, sie hätte damals anders reagieren können. Weil den Beamten der Name des Lenkers ihrer Meinung nach bekannt gewesen sei, hätte man die Verfolgung abbrechen können. "Er hätte seine Strafe bekommen, das Mofa wäre abgenommen worden und die Sache wäre erledigt gewesen", sagte sie. Und Opfer-Anwalt Stefan Rieder meinte, "hätte die Polizei ihn nicht derart verfolgt, wäre der Bursch nicht so schnell gefahren und auch nicht gestürzt".

Gutachten nach Unfall: "Seltener Umstand"

Einem Gutachten des Verkehrsunfallsachverständigen Gerhard Kronreif zufolge hatte das Moped am Ende einer Linkskurve auf der erdigen, teils grasbewachsenen, belaubten und unebenen Fahrbahn wenig Grip. Der Lenker kam infolge zu hoher Geschwindigkeit – rund 30 bis 35 km/h – zu Sturz. Der Abstand zwischen dem Moped und dem Polizeibus soll sieben bis elf Meter oder 0,85 bis 1,1 Sekunden betragen haben. Da sich die linksseitige Fußraste des Mopeds im Boden verhakt habe, hätte es eine deutlich "höhere Rutschverzögerung" gegeben. Daraus ergebe sich, dass das Zweirad durch diese Verhakung im Erdreich sehr abrupt zum Stillstand kam.

Laut Kronreif handelte es sich um einen "seltenen Umstand". Denn selbst bei einer Vollbremsung des Mopedlenkers hätte der Abstand vom nachfolgenden Polizeiauto ausgereicht, um ohne Kollision anzuhalten. Nur wenn der Polizist den Sturz und die Verhakung miteinkalkuliert und einen größeren Abstand gehalten hätte, wäre ein Unfallgeschehen zu vermeiden gewesen. Das Polizeifahrzeug hat laut Gutachten zum Moped einen Abstand von sieben bis elf Meter aufgewiesen. Wäre der Abstand um zwei Meter länger gewesen, wäre der Unfall schon vermeidbar und bei einem Abstand von 15 bis 20 Meter jedenfalls vermeidbar gewesen. Ein Ausweichmanöver sei nicht möglich gewesen, weil der zwei bis zweieinhalb Meter breite Feldweg dafür zu schmal gewesen sei.

(Quelle: apa)

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