Wenn der Hund plötzlich hinkt, die Katze nicht mehr frisst oder das Pferd lahmt, muss ein Tierarzt oder eine Tierärztin her. Für viele Besitzer:innen sind ihre Lieblinge Familienmitglieder. Entsprechend wichtig ist es, dass sie schnell und kompetent behandelt werden. Aber wie steht es um die Versorgung im Land Salzburg? Und gibt es genügend „Nachwuchs“ für die Zukunft? Wir haben uns mit dem Präsidenten der Salzburger Tierärztekammer, Gernot Eibl, in seiner Praxis in St. Gilgen-Abersee (Flachgau) zum Interview getroffen.
Pensionierungen reißen Lücken in Salzburg auf
Die guten Nachrichten zuerst: In den Ballungszentren funktioniere die Versorgung zum großen Teil gut, sagt Eibl. Unterschiede ortet er zwischen der Betreuung von Klein- bzw. Heimtieren (Hunden, Katzen, Kaninchen, Meerschweinchen) und Nutztieren (Rindern, Schafen, Ziegen). „Die Spezialisierung ist bei uns relativ weit fortgeschritten. Es gibt immer weniger Tierärzte, die mehr als eine Sparte betreuen. Noch ist die Betreuung meist gut, aber es gibt schon gewisse Lücken, wenn Kollegen in Pension gehen und die Stellen nicht nachbesetzt werden“, erklärt der Veterinärmediziner. Das zeige sich vor allem in entlegenen Gebieten – wie etwa schon jetzt im Gasteinertal. „Wo wir in den nächsten Jahren definitiv ein Problem bekommen werden, ist der Lungau. Das betrifft besonders den Nutztierbereich. Es gibt noch drei Praxen und alle Kollegen sind ‚55 plus‘. Nachfolger im selben Ausmaß sind nicht in Sicht.“
Viel Bürokratie im Nutztierbereich
Die Nutztierpraxis dürfte in den kommenden Jahren generell das Stiefkind werden, befürchtet Eibl. Der Bürokratieaufwand sei in diesem Bereich mittlerweile „überbordend“. Bei lebensmittelproduzierenden Betrieben müsse nämlich ganz genau festgehalten werden, welche Medikamente eingesetzt werden und bis wann das Produkt aufgrund möglicher Rückstände – in den meisten Fällen die Milch – nicht in den Verkehr gebracht werden darf. „Das ist verständlich und es war auch immer so. Aber es werden uns immer noch zusätzliche Sachen aufgebürdet. Seit Jänner gibt es wieder ein neues Tierarzneimittelgesetz und die Vorschriften werden immer strenger und aufwendiger. Das motiviert die Kolleginnen und Kollegen nicht unbedingt, in die Nutztierpraxis zu gehen.“ Außerdem seien die Verdienstmöglichkeiten geringer, zumal die Tierärzt:innen viel Zeit im Auto verbringen würden. „Und auch diese Zeit muss jemand bezahlen. Aber Bauern stehen selbst unter großem Druck.“
Das Angebot für die Versorgung von Pferden in Salzburg schätzt der Veterinärmediziner als recht gut ein. Als Anlaufstelle nennt er etwa die Pferdeklinik in Thalgau (Flachgau), weitere Kolleg:innen würden sich im Flachgau gerade etablieren. Jene, die Pferde betreuen, würden allerdings ebenfalls häufig lange Fahrtwege auf sich nehmen. „Sie fahren bis in den Pinzgau oder Pongau hinein.“
Begrenzte Studienplätze als Einstiegsbarriere
Bürokratie und lange Fahrtwege dürften nicht die einzigen Gründe sein, die dafür sorgen, dass sich mancherorts zu wenig Nachwuchs findet. Schon bei der Organisation der Ausbildung sieht der Veterinärmediziner einige Hürden. „Wir haben eine Uni in Wien. Dort gibt es wie in der Humanmedizin einen Aufnahmetest. 220 Leute pro Jahr werden aufgenommen. Ab und zu bekommt man das Gefühl, dass diese Tests ein wenig in die falsche Richtung gehen.“ Konkret meint er damit, dass zum Beispiel den Maturanoten eine sehr große Bedeutung zukomme. Gleichzeitig würden zum Teil Kinder von Tierärztinnen und Tierärzten die Aufnahme nicht schaffen. „Die wüssten aber genau, wie der Job läuft.“ Es bestehe die Gefahr, dass Absolvent:innen ohne diese praktische Vorerfahrung erst nach dem Studium feststellen, dass der Beruf doch nichts für sie ist und etwa in die Pharmaindustrie wechseln. Hier sieht Eibl das Ministerium am Zug, an dem einen oder anderen Rädchen zu drehen. In seiner Studienzeit habe es noch keine Reglementierung gegeben, erinnert er sich zurück. Als aufgrund des großen Andrangs dann die Humanmedizin begonnen habe, die Plätze zu beschränken, hätten die anderen Studiengänge nachgezogen.
Zehn Jahre Vorlaufzeit für Tierärzte
Als kostenpflichtige Ausweichmöglichkeit für jene, die in Wien keinen Studienplatz ergattern, diene häufig Budapest, berichtet der Tierärztekammer-Chef. Die Berufsanwärter:innen könnten dort ihr gesamtes Studium absolvieren. Nach zwei Jahren sei ein Wechsel nach Wien ebenso möglich. Andere würden für ihr Studium nach München gehen – sofern sie den Numerus Clausus erfüllen. Einberechnen müsse man aufgrund der Studiendauer sowie „Lehr- und Wanderjahren“ so oder so eine Vorlaufzeit von etwa zehn Jahren, bis ein Tierarzt oder eine Tierärztin tatsächlich voll in den Beruf einsteigen kann. „Daher brennt auf der einen Seite schon der Hut. Auf der anderen Seite habe ich auch keine Patentlösung.“
„Es ist kein Nine-to-Five-Job“
Geändert hätten sich neben den Bedingungen für eine Studienzulassung auch die Arbeitseinstellung sowie der Zugang zum Job, meint Eibl. „Sehr viele wollen in die Angestelltenrichtung gehen. Bei uns war es damals üblich, dass man sich selbstständig macht und eine Praxis eröffnet.“ Sich selbst bezeichnet der Tierarzt als „klassischen Allrounder“. Gestartet sei er mit Rindern, mittlerweile betreue er zudem mehr Kleintiere. Eine 40-Stunden-Arbeitswoche hält er für kaum machbar. „Wenn man – und das ist in anderen Branchen ähnlich – weniger arbeiten, aber mindestens das Gleiche verdienen will, ist es auch in diesem Job nicht leicht.“ An seine jungen Kolleginnen und Kollegen gerichtet ergänzt der Tierarzt: „Es ist kein Nine-to-Five-Job. Eine gewisse Zeit des Lebens muss man auch bereit sein, Notdienste oder Bereitschaftsdienste zu machen.“
Umstellung und Ausbau bei Notdienstsystem
Apropos Notdienste: Seit Jänner 2023 bietet das Land Salzburg Unterstützung an. Durch die zentrale Notrufnummer 0662-261700 soll die Versorgung von Kleintieren im Zentralraum gesichert sein. Eine Million Euro pro Jahr werden für die Bereitschaftsabgeltung investiert. Über diesen finanziellen Anreiz von der Politik ist Eibl erfreut. Das Bundesland Salzburg sieht er diesbezüglich als Vorreiter in Österreich. Die Zahl der Anrufe auf den Notdienstnummern zwischen Mitternacht und sechs Uhr Früh sei zwar gering. „Aber wenn jemand einen Notfall hat, wäre es wünschenswert, dass man jemanden erreicht. Das wird sicher in Zukunft immer schwieriger werden.“ Fehlen würde in Salzburg eine Tierklinik, die 24 Stunden am Tag sieben Tage die Woche erreichbar ist. Deshalb sieht er die Lösung mit der Notdienstnummer als eine gute Alternative. Über die zentrale Nummer werden die Anliegen an die verfügbaren Kolleginnen und Kollegen weitergeleitet.
Nachdem es zu Beginn einige technische Schwierigkeiten bei der Weiterleitung gegeben habe, wurde am 1. April des heurigen Jahres ein neues System eingeführt. „Es wählt sich jetzt jeder Kollege selber ein und aktiviert es somit. Es sind jetzt nicht einmal drei Wochen, das Ganze läuft aber recht reibungslos.“ Dadurch und durch die finanziellen Anreize erhofft sich der Kammerpräsident, dass wieder mehr Tierärzt:innen für diese Aufgabe gewonnen werden. Ab Juli soll das System ausgeweitet werden, sodass Pferdebesitzer:innen am Wochenende Ansprechpartner:innen haben, kündigt Eibl an.
Und was macht als Tierarzt besonders Spaß?
Bei all den Schwierigkeiten, die der Beruf mit sich bringen kann, darf das Positive nicht außer Acht gelassen werden. Eibl gefällt zum Beispiel besonders die Abwechslung, wie er erzählt. „Deshalb behandle ich auch immer noch mehrere Tierspezies. Auf der einen Seite habe ich Ziegen und Schafe oder Rinder, genauso aber Hunde und Katzen. Manchmal kommt auch jemand mit einem Kaninchen oder einem Meerschweinchen. Du hast zwar einen gewissen Plan, aber was der Tag wirklich bringt, weißt du eigentlich nicht. Und ich muss ehrlich sagen, dass ich selten so einen riesigen Stress habe, dass ich froh bin, wenn der Tag vorbei ist“, hält der Tierarzt abschließend fest.
(Quelle: salzburg24)