Illegale Praxis

Mutmaßliche Pushbacks von Bayern nach Salzburg künftig dokumentiert

Grenz-Kontrollen in Corona-Zeiten in Salzburg.
Veröffentlicht: 10. Juli 2024 12:45 Uhr
Immer wieder soll es an der Grenze zwischen Salzburg und Bayern zu illegalen Pushbacks kommen, prangern Flüchtlingsorganisationen an. Die Behörden weisen die Vorwürfe zurück. Acht Salzburger Aktivist:innen wollen nun die Vorgänge im Grenzgebiet dokumentieren.

Etwas über ein Jahr ist es her, dass NGOs von einer Vielzahl von Pushbacks an der Salzburger Grenze zu Deutschland berichteten. Der damalige Vorwurf: Trotz nationaler und internationaler Vorschriften würden Flüchtlinge nur wenige Stunden nach ihrer Ankunft in Bayern entweder an die österreichische Polizei übergeben oder einfach in Salzburg auf der Straße ausgesetzt werden. Dabei handle es sich um eine „systematische Praxis“. Ob und wie oft es tatsächlich an Salzburgs Grenze zu illegalen Rückführungen kommt? Schwer zu sagen, denn offizielle Zahlen gibt es nicht. Sechs dokumentierte Fälle wurden im Frühling 2023 öffentlich gemacht. Eine Gruppe von Aktivist:innen hat sich zusammengefunden, um weitere Vorfälle künftig festzuhalten und ein genaueres Bild der Lage im Grenzgebiet zu bekommen.

Salzburger Gruppe unterstützt gestrandete Flüchtlinge

Es sind acht Salzburgerinnen und Salzburger, die bei Pushback Alarm Salzburg gemeinsame Sache machen. Die Truppe ist bunt gemischt: Alt, jung, Studierende, Arbeiter:innen. Sie haben sich viel vorgenommen, wie die Mitglieder Lina und Mario im Gespräch mit SALZBURG24 erzählen. „Vor allem versuchen wir Racial Profiling und Pushbacks an der Grenze zu dokumentieren“, erklärt Lina. Racial Profiling bezeichnet die Praxis, Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft, Hautfarbe oder Nationalität auch verdachtsunabhängig verstärkt zu kontrollieren. Das käme, ebenso wie Pushbacks, regelmäßig vor, meint sie. Weil die Vorfälle bisher aber nicht dokumentiert würden, sei es schwer, ein genaueres Bild von den Vorgängen im Grenzgebiet zu bekommen. „Dass Pushbacks stattfinden, können wir aber mit Sicherheit sagen“, so die Aktivistin. Andere Gruppen, die kurzzeitig an der Salzburger Grenze aktiv waren, hätten illegale Rückführungen dokumentiert.

Zudem will Pushback Alarm Salzburg Migrant:innen, Flüchtlinge, Asylsuchende sowie Binnenvertriebene, die von Pushbacks betroffen sind, unterstützen. „Wir vermitteln zum Beispiel eine Rechtsberatung oder begleiten zu Behördenterminen“, führt Mario aus. Auch die Beschaffung von Kleidung oder Handyguthaben sei ein Thema.

Pushback Alarm Salzburg betreibt eigenes „Support-Phone“

Damit Menschen in Not möglichst einfach Kontakt zu den Aktivist:innen aufnehmen können, haben sie ein eigenes Support-Phone eingerichtet, das unter der Nummer +43 688 64811929 erreichbar ist. Hier stand die Gruppe bereits vor einem ersten Problem: Der Sprachbarriere. Denn nicht immer kann man sich mit Englisch behelfen – Übersetzer:innen waren gefragt. „Mittlerweile haben wir da eine gute Basis aufgebaut“, so Lina.

Im Moment betreibt Pushback Alarm Salzburg außerdem eine Informationskampagne zu Racial Profiling in Zügen. Dabei arbeiten sie mit ihrem „Mutter-Kollektiv“ Pushback Alarm Austria zusammen.

Polizei weist Vorwürfe zurück

Die Behörden weisen die Behauptung, dass es immer wieder zu Pushbacks käme, gegenüber S24 zurück. Bislang hätten keine derartigen Vorfälle nachgewiesen werden können, betont Polizeisprecher Hans Wolfgruber. Die Behandlung der „zurückgewiesenen“ Personen erfolge auf Basis der aktuellen fremdenrechtlichen Rechtslage „unter Berücksichtigung des konkreten Einzelfalls“. Man halte sich jedenfalls an die geltenden rechtlichen Bestimmungen.

Auch die Bundespolizeidirektion München streitet die von den Aktivist:innen vorgebrachten Vorwürfe über illegale Pushbacks ab. Stelle man an der Grenze zu Österreich einen Versuch der unerlaubten Einreise fest, würden aber im Einzelfall „einreiseverhindernde Maßnahmen“ geprüft, erklärt Sprecher Thomas Borowik gegenüber S24. Dabei werde auch darauf geachtet, ob sich dem „schriftlich, mündlich oder in anderer Weise geäußerten Willen der Person“ entnehmen lasse, dass diese in Deutschland um Schutz ansuchen möchte. Bestimmte Wörter wie etwa „Asyl“ seien dabei nicht notwendig, für sich allein aber auch nicht ausreichend. Im Zweifelsfall hätten die Einsatzkräfte von einem Asylgesuch auszugehen.

Pushbacks „systematischer Teil der EU-Migrationspolitik“

Auch wenn sich die Salzburger Gruppe speziell mit mutmaßlichen Pushbacks aus Deutschland nach Österreich beschäftigt, weisen die Aktivist:innen darauf hin, dass es nicht um ein alleiniges Problem der deutschen und österreichischen Behörden gehe. Mario sieht in Pushbacks einen „systematischen Teil der EU-Migrationspolitik“. Dabei seien Pushbacks „grundsätzlich illegal“. Jeder Mensch habe ein Recht darauf, um Asyl anzusuchen. Durch erzwungene Rückführungen werde ihnen das aber unmöglich gemacht. Lina und Mario orten darin eine Menschenrechtsverletzung.

Abgesehen davon hätten auch Pushbacks innerhalb der EU gravierende Auswirkungen auf die Betroffenen: Das Zielland sei oft jenes, in dem bereits Familienmitglieder oder Freund:innen leben. Werde verwehrt, dort um Asyl anzusuchen, müsse der Antrag dann woanders gestellt werden – ohne das eigene unterstützende Umfeld. Selbst bei einem positiven Bescheid gebe es keine Reisefreiheit. „Bis die betroffene Person also ihre Familie sehen kann, kann das Jahre dauern“, kritisiert Lina.

Was sind Pushbacks?

Pushbacks sind Maßnahmen, bei denen Migrant:innen oder Flüchtlinge, die eine Grenze überqueren wollen, gewaltsam oder illegal zurückgedrängt werden, ohne dass ihnen die Möglichkeit gegeben wird, Asyl zu beantragen. Die Praxis verstößt sowohl gegen internationale als auch gegen europäische Rechtsvorschriften:

Genfer Flüchtlingskonvention: Dieses Abkommen verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, Flüchtlingen Zugang zu einem fairen Asylverfahren zu gewähren und sie nicht in Länder zurückzuschicken, in denen sie Verfolgung oder ernsthafte Gefahr erwarten könnten.

Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK): Insbesondere Artikel 3 verbietet unmenschliche oder erniedrigende Behandlung sowie die Rückführung in Länder, wo solche Gefahren bestehen.

EU-Recht: Die EU-Asylverfahrensrichtlinie und die EU-Aufnahmerichtlinie verlangen, dass Mitgliedstaaten Migrant:innen Zugang zu einem Asylverfahren ermöglichen. Die EU-Grundrechtecharta garantiert ebenfalls das Recht auf Asyl und schützt vor kollektiven Ausweisungen.

(Quelle: salzburg24)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

25.09.2025
Brand auf Baustelle

Hausfassade in Mittersill fängt Feuer

Von SALZBURG24 (KAT)
Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken