Der Internist Matthias Vavrovsky wurde Ende Juni zum neuen Präsidenten der Salzburger Ärztekammer gewählt. Der 37-Jährige folgt auf Karl Forstner, der seit 2007 an der Spitze der Salzburger Ärzteschaft stand. Vavrovsky ist in Salzburg geboren und aufgewachsen und der jüngste Ärztekammerpräsident in Österreich.
Das Gesundheitssystem in Österreich steht aktuell vor großen Herausforderungen. Die Bevölkerung wird älter, zugleich werden immer mehr Leistungen in Anspruch genommen, die zum Teil auch von den Patient:innen selbst bezahlt werden. Kritik aus der Politik gab es zuletzt an der Kassenfusion – Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) bezeichnete den Schritt etwa kürzlich als „Fehler“. Zugleich tun sich Chancen auf – durch Telemedizin und Künstliche Intelligenz sollen die Lenkung der Patient:innen erleichtert, die Spitäler und Ordinationen entlastet und zusätzliche Behandlungsmöglichkeiten geschaffen werden. Was Vavrovsky darüber denkt, wofür es die Ärztekammer braucht und wie es um die Versorgung in Salzburg steht, hört ihr im Podcast.
Sonntagstalk mit Matthias Vavrovsky: Auszug zum Nachlesen
SALZBURG24: Wie ist die Ärztekammer aufgebaut und was liegt in ihrem Einflussbereich?
Matthias Vavrovsky: Die Ärztekammer hat eine ganz klar gesetzlich geregelte Aufgabe: Sie ist die Interessensvertretung der Ärzteschaft. Sie vertritt die Ärzte in sozialen, wirtschaftlichen und beruflichen Belangen. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Ärztekammer ist, dass sie Berufs- und Standesansehen bewahren soll und für die Einhaltung der Berufs- und Standespflichten verantwortlich ist. Sie ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts und hat Aufgaben im Bereich der Selbstverwaltung übertragen. Das heißt, die Ärzte verwalten sich in vielen Bereichen selbst. Jetzt sagt man natürlich: „Wenn sie sich selbst überprüfen, kommt dabei etwas Gescheites heraus?“ Das ist durchaus so, weil uns die Bewahrung des Rufes und das Ansehen der Ärzteschaft sehr stark am Herzen liegen. In diesem Wirkungsspektrum gibt es unterschiedliche Aufgaben. Es geht um Abschlüsse von Verträgen – sei es mit der Sozialversicherung oder Gehaltsverhandlungen mit Krankenhäusern. Es gibt ein Berichtswesen für standespolitische Fragestellungen. Wir führen die Ärzteliste – das heißt, wir überprüfen, ob ein Arzt auch wirklich ein Arzt ist und ob er bei uns arbeiten kann. Wir regeln viele Dinge rund um die Ärzteausbildung, überprüfen hier die Qualität und stellen fest, ob ein Arzt seine Ausbildung abgeschlossen hat oder nicht. Wir sind aber auch Anlaufstelle für Patientenbeschwerden, haben eine Disziplinarkommission und sind natürlich eine Servicestelle. Wenn jemand eine Praxis gründen will oder Rechtsauskunft braucht, können wir die anbieten.
Stichwort Patientenlenkung – u.a. durch Digitalisierung: Es soll ja auch den Allgemeinmediziner:innen bzw. Hausärzt:innen eine stärkere Steuerungsfunktion zukommen. Sie sind als erste Anlaufstelle gedacht und vermitteln die Patient:innen weiter und verschaffen sich zunächst einen Überblick darüber, was nötig ist und was nicht. Reicht das aus Ihrer Sicht aus, um das Gesundheitssystem, so wie es jetzt ist, auch in den nächsten Jahrzehnten aufrechtzuerhalten?
Es fängt damit an, dass Beschwerden beim Patienten auftreten. Dann entsteht eine gewisse Sorge beim Patienten, etwas abklären zu lassen. Wichtig ist auch, dass die Patienten nicht zu früh und nicht zu spät kommen, weil das sonst wieder mehr Leistung verursacht. Aber auf jeden Fall entsteht beim Patienten, nachdem er Beschwerden bemerkt, ein gewisses Bedürfnis, das abklären bzw. behandeln zu lassen. Viele tun sich schwer einzuschätzen, wie dringlich es ist. Wir haben ein ganz gut ausgebautes Hausarztsystem – Einzelordinationen, es kommen Primärversorgungszentren dazu, die ein gewisses Spektrum mitabbilden. Was jetzt in Entwicklung ist, ist dass der Patient die Möglichkeit hat, noch niederschwelliger das Telefon in die Hand zu nehmen und eine Gesundheitshotline anzurufen und hier die Akuität evaluieren zu lassen und zu klären, wo er im Gesundheitssystem optimal einsteigen kann. Die medizinische Triage ist echt schwierig. Wir im Krankenhaus bekommen auch ständig Anrufe in der Notaufnahme. Das medizinisch einzuschätzen, ist oft nicht leicht. Wenn wir Fehlleitungen haben, ist es auch nicht das Ziel, das wir erreichen wollen. Aber hier den Patienten eine Stütze an die Hand zu geben – digital, telemedizinisch und einmal zu klären, wo man überhaupt hin muss, wäre ein erster Schritt, den wir jetzt entwickeln müssen. […]
Die nächste Stufe ist die Primärversorgung. Dazu gehören nicht nur Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner, sondern auch Kinderärzte, man diskutiert über Augenheilkunde und Frauenärzte, die eine gewisse Lenkungsfunktion einnehmen können. Und dann gibt es eine Fülle von anderen Spezialisten, die zusätzlich in unserem System arbeiten, wo womöglich jetzt schon Wartezeiten entstanden sind. Wenn ein Akutpatient in der Primärversorgung auftaucht und ich für ihn einen schnellen Termin brauche, dann brauchen wir womöglich ein Terminplanungssystem, wo der Hausarzt schnell einen Termin beim Internisten oder Orthopäden vereinbaren kann, den der Patient in den nächsten Tagen wahrnehmen kann, wenn es sonst keine alternative Versorgung gibt. Diese Dinge kommen womöglich auch in Salzburg zum Einsatz. Das Hauptthema, das hier immer mitschwingt, ist die Beschränkung. Sage ich, dass es nur noch einen Weg gibt und der Patient kann nicht nach links oder rechts? Das sehe ich sehr kritisch, weil wir damit sehr wesentliche Charakteristika unseres Gesundheitssystems wie die Patientenautonomie verlieren. […]
Wie schätzen Sie die Struktur in Salzburg ein? Was läuft bisher gut, was braucht es aus Ihrer Sicht in Zukunft?
Ich glaube, in Salzburg stehen wir sehr gut da. Wir sind eine sehr junge Ärzteschaft, speziell im niedergelassenen Bereich. Wir haben kaum Stellenprobleme, es sind alle Stellen gut besetzt. Es gibt die eine oder andere Stelle, die schwierig zu besetzen ist, aber das sind sehr wenige. Wir haben in Salzburg ein relativ breites Spektrum an stationärer Versorgung. Wir haben ein Universitätsklinikum, das Spitzenmedizin anbietet, wir haben gute Standardversorger, die den Patienten eine Auswahl an Behandlungsmöglichkeiten bieten. Und im ländlichen Bereich haben wir unterschiedliche Versorgungsstufen. […] Natürlich gibt es gewisse Herausforderungen. Vielleicht sollten wir uns noch besser vernetzen innerhalb der Spitäler, was Wissenstransfer und Ausbildung anbelangt. Vielleicht müssen sich gewisse Standorte, um sie besser erhalten zu können, auf gewisse Kompetenzen orientieren. […] Das wird auch manchmal kritisch gesehen, weil man sagt, dass es vermehrte Anfahrtswege gibt, aber ich glaube da sticht durchaus die Qualität. […] Primärversorgungszentren in Salzburg wachsen organisch. Das heißt, ich habe nicht von heute auf morgen irgendwo ein Überangebot, sondern wir evaluieren mit der Versicherung und mit dem Land genau, wo wir ein Primärversorgungszentrum brauchen, weil die Bevölkerung von dieser Struktur womöglich profitiert. […] Im fachärztlichen Bereich sind wir gut aufgestellt. Wir erleben auch hier die Rationierung im Gesundheitswesen, Kassenstellen stagnieren eher. Es gibt die eine oder andere Stelle, die wir noch zusätzlich ausverhandelt haben. Wir haben genauso Wartezeiten in Salzburg, das brauchen wir auch nicht schönreden. Aber ich glaube trotzdem, dass die Salzburgerinnen und Salzburger in unserem Bundesland gut versorgt sind. [..]
Den Sonntagstalk auf SALZBURG24 gibt's jede Woche. Kommenden Sonntag spricht Moritz Naderer mit dem neuen Rockhouse-Geschäftsführer Jonathan Zott über die Zukunft der Eventlocation in der Stadt Salzburg.
(Quelle: salzburg24)