Als erstes Bundesland Österreichs soll Salzburg eine ME/CFS-Anlaufstelle erhalten. Beim Myalgische Enzephalomyelitis/Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) handelt es sich um eine äußerst ausgeprägte Form der Belastungsintoleranz, die mit starker Erschöpfung einhergeht. Betroffene können oft nur wenige Meter zu Fuß gehen oder reagieren sehr empfindlich auf Reize wie Fernsehen oder Musikhören. ME/CFS gilt als eine schwere Verlaufsform von postakuten Infektionssyndromen etwa nach einer Covid-19-Erkrankung, die laut Expert:innen eine besondere Versorgung erfordere.
Im Bundesland Salzburg sind rund 5.000 Menschen davon betroffen. Im November stellte der damalige Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) einen Aktionsplan zu postakuten Infektionssyndromen vor. Demzufolge wird empfohlen, dass kompetente Anlaufstellen mit spezifischem Fachwissen eingerichtet werden.
Gutschi: ME/CFS-Betroffene wohnortnah versorgen
Wie Landesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) gegenüber SALZBURG24 am Donnerstag mitteilt, stehe bislang noch keine kurative Therapie für ME/CFS-Betroffene zur Verfügung. In Salzburg soll deshalb keine Ambulanz eingerichtet werden, sondern die Versorgung im niedergelassenen Bereich stattfinden. "Nach Einschätzung der Expert:innen soll diese aufgrund der vielfachen Immobilität der Patient:innen am besten wohnortnah bzw. aufsuchend, jedoch zentral koordiniert, mit zusätzlicher telemedizinischer Unterstützung durch das geplante Kompetenzzentrum in Wien bzw. Innsbruck erfolgen."
Grüne: "Niedergelassener Bereich kann das nicht leisten"
Die Grünen kritisieren das Vorhaben der Landesrätin. Sie sehen den niedergelassenen Bereich für ME/CFS nicht als geeignet: "Diese schwer erkrankten Menschen brauchen eine spezialisierte Versorgung, die nur in einem Spital sichergestellt werden kann", so Klubobfrau Kimbie Humer-Vogl in einer Aussendung. Die nötige medizinische Infrastruktur sei nur im Spitalsbereich zu finden. "ME/CFS ist eine schwere neuroimmunologische Erkrankung, die hoch spezialisierte Diagnostik und Behandlung erfordert. Der niedergelassene Bereich kann das nicht leisten – dort fehlt die Expertise, es gibt keinen direkten Zugang zu Spezialist:innen und keine ausreichenden Strukturen für die notwendige Forschung."
Gutschi weist Kritik zurück: "Mit Stimmen der Grünen beschlossen"
Laut Gutschi war dabei immer klar, dass es in Salzburg eine Anlaufstelle und keine Ambulanz geben wird. "Das wurde im Landtag am 20. November letzten Jahres einstimmig – auch mit den Stimmen der Grünen – beschlossen." Den Grünen wirft die Landesrätin nun Aktionismus vor. "Was ich am Verhalten der Grünen kritisiere ist, dass sie hier die Betroffenen instrumentalisieren und ihnen suggerieren, mit einer Ambulanz im Krankenhaus würde sich ihr Gesundheitszustand verbessern."
Die Versorgungssicherheit und Expertise sei auch im niedergelassenen Bereich gegeben. Laut Gutschi hat die Ärztekammer eine Informations- und Schulungsinitiative gestartet, mit den geplanten Kompetenzzentren in Wien und Innsbruck werde aktuell Fachwissen aufgebaut. Die Salzburger Anlaufstelle soll künftig für die Betroffenen den Therapieweg lenken und als Drehscheibe zwischen niedergelassenem und stationärem Bereich dienen.
ME/CFS-Anlaufstelle noch vor Sommer?
In Salzburg haben der Landesrätin zufolge zwei Expertenrunden stattgefunden, bei denen der Weg zu dieser Anlaufstelle vorgezeichnet wurde. Demnächst sollen bei Gesprächen mit der Österreichischen Gesundheitskasse und der Ärztekammer offene Fragen zur Finanzierung geklärt werden. Verläuft alles nach Plan, könne noch in diesem Halbjahr mit der Umsetzung begonnen werden. Die Grünen haben indes bereits angekündigt, sich weiterhin dafür einsetzen zu wollen, dass die Anlaufstelle im Spital angesiedelt wird.
(Quelle: salzburg24)