Ein schlichtes Mehrparteienhaus, davor ein kleiner Garten – als wir beim Frauenhaus im Pinzgau ankommen, wirkt es von außen so unscheinbar, dass wir uns kurz nicht sicher sind, ob wir uns verfahren haben. Erst beim Betreten des Gebäudes verraten blaue Notrufknöpfe in den Gängen, dass es sich nicht um einen gewöhnlichen Neubau handelt: Hier leben Frauen und Kinder mit Gewalterfahrungen. Uns gewähren die Mitarbeiterinnen des Frauenhauses anlässlich der "16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen" einen Blick hinter die Kulissen.
Psychische Gewalt oft noch unterschätzt
Den ersten Halt machen wir in der „Bürowohnung“. Die hellen Beratungsräume im Erdgeschoss sind im Normalfall auch das erste, was Frauen zu sehen bekommen, die sich an das Pinzgauer Frauenhaus wenden. Es brauche dann oft Zeit, bis diese verstehen, was ihnen überhaupt passiert ist, schildert Sozialberaterin Rosina Kirchner im Gespräch mit SALZBURG24. Das liege auch an der einseitigen Perspektive auf Gewalt, die immer noch vorherrsche. Dann heiße es: „Ich werde ja nicht geschlagen.“ Wenn der Mann die Frau aber genug einschüchtere und manipuliere, sei gar nicht nötig, dass er zuschlage, um die Kontrolle zu behalten. Diese psychische Gewalt werde oftmals noch unterschätzt.
Mögliche Formen von häuslicher Gewalt sind unter anderem:
- Physische Gewalt: Körperliche Angriffe wie Schläge, Tritte, Würgen, etc.
- Psychische oder emotionale Gewalt: Manipulation, Einschüchterung, Demütigung, Verleumdung, etc.
- Sexuelle Gewalt: Erzwungene sexuelle Handlungen oder Übergriffe innerhalb der Partnerschaft
- Ökonomische oder finanzielle Gewalt: Kontrolle über die finanziellen Ressourcen einer Person
„Bürokratischer Wahnsinn“ als erste Hürde
Mit dem Einzug in eine der fünf Wohnungen „beginnt dann der bürokratische Wahnsinn“, schildert Juristin Katrin Gruber. Einstweilige Verfügungen werden beantragt, Gefährlichkeitsprognosen erstellt, der Hauptwohnsitz der Frau umgemeldet. Oft würden die Bewohnerinnen außerdem „mit gar nichts“ einziehen – nicht einmal mit einem eigenen Konto. Die Wohnungen sind schlicht, aber modern und gemütlich eingerichtet. Jede ist mit einer eigenen Alarmanlage und einem Notrufknopf ausgestattet.
Erst im nächsten Schritt „kann das Chaos im Kopf angegangen werden“, erklärt Kirchner. Selbstvertrauen muss aufgebaut und Grenzen wieder erlernt werden. Dass die Bewohnerinnen seit 2022 eigene Ein- bis Drei-Zimmer-Wohnungen bekommen sei eine ganz wesentliche Verbesserung im Vergleich zum alten Pinzgauer Frauenhaus. Zuvor gab es zwar eigene Zimmer, Küchen und Bäder wurden aber geteilt. Der Kontakt untereinander war damit nicht zu vermeiden. „Und dann ist natürlich Gewalt das bestimmende Thema.“ Das berge immer auch das Risiko einer Retraumatisierung. Jetzt haben die Frauen ihre eigenen vier Wände und damit eine erste ganz offensichtliche physische Grenze – und ein Stück Normalität während Scheidung, Strafverfahren und dem Kampf um Kindesunterhalt.
Pinzgauer Frauenhaus derzeit ohne Kinderbezugsfrau
Einen Gemeinschaftsraum gibt es dennoch: Für die Kinder. Eigentlich sollten sie in dem eigens für sie eingerichteten Spielzimmer betreut werden, doch schon seit über zwei Jahren gibt es keine eigene Kinderbezugsfrau mehr. Ein Verlust, wie Kirchner betont. Denn die Jungen würden „alles“ mitbekommen und oftmals auch zum Werkzeug der Täter gemacht werden. Manche Frauen seien außerdem bereits als Kinder schon einmal in einem Frauenhaus gewesen. Die Aufarbeitung der Gewalterfahrungen sei also auch eine Form der Prävention, erklärt die Sozialberaterin.
Wie lange die Frauen am Ende in ihrer Schutzwohnung bleiben, ist ganz individuell. Grundsätzlich haben sie sechs Monate Zeit, um sich neu zu orientieren. Brauchen sie mehr Zeit, können sie eine Verlängerung um ein weiteres halbes Jahr beantragen. Viele gehen aber schon viel früher, teils schon nach wenigen Tagen. „Zurück zu den Tätern“, erklärt Kirchner. Manche kommen wieder – nach Wochen, Monaten oder sogar Jahren. Sie habe eine Schwelle bei etwa zwei Monaten beobachten können. Sei diese Zeit erstmal überstanden, sei eine Rückkehr in die alte Lebenssituation viel unwahrscheinlicher. Beratungsangebote können die gewaltbetroffenen Frauen auch nach ihrem Auszug noch in Anspruch nehmen. Und das ist auch nötig, betont Kirchner. „Man darf nicht vergessen, wie sehr jahrelange Gewalterfahrungen beeinträchtigen können.“
Wo finde ich Hilfe bei Gewalt?
Beratungs- und Anlaufstellen für Frauen und Mädchen, die von Gewalt betroffen sind:
- ARGE Schutzunterkünfte Salzburg: 0800 449 921
- Frauenhaus Pinzgau: 0658 274 30 21
- Frauennotruf Innergebirg: 0664 500 686 8
- Frauennotruf Salzburg – Frauenberatungsstelle bei sexueller Gewalt: 0662 881 100
- Gewaltschutzzentrum Salzburg: 0662 870 100
- Kinderschutzzentrum Salzburg: 0662 449 11
- Weißer Ring Salzburg: 0699 134 340 05
- Safe Home – Caritas Salzburg: 0676 848 210 757
Beratungen für Frauen – zum Thema Scheidung, Erwerbsarbeit, psychische Gesundheit und Rechtliches:
- Frauentreffpunkt Salzburg: Beratungsangebot zu Existenzsicherung, Scheidung, Erwerbsarbeit, Obsorge, 0662 875 498
- Frauengesundheitszentrum: Informationen, Beratung und Unterstützung in gesundheitlichen und psychologischen Fragen, 0662 442 255
- Frau und Arbeit: Kostenlose Beratung für Frauen zu Fragen rund um das Berufsleben, 0662 880 723 10
- Rechtsberatung für Frauen des Landes Salzburg: Information und Beratung von Frauen in Familien- und Eherechtsfragen in allen Bezirken Salzburgs, 0662 8042 3233
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(Quelle: salzburg24)