Wohnen ist weniger als drei Wochen vor der Nationalratswahl eines der großen Themen in Österreich. Während die Volkshilfe eine "Wohnkrise" ortet und rasche Verbesserungen vor allem für Mieterinnen und Mieter fordert, will die ÖVP-nahe ARGE Eigenheim den Eigentumsanteil in Österreich deutlich anheben – und zwar von aktuell 48 auf 60 Prozent bis zum Jahr 2030.
Im Zuge der österreichweiten Wohnbauoffensive wurde seitens der Bundesregierung der Neubau von 10.000 Mietwohnungen und 10.000 Eigentumswohnungen oder Eigenheimen angekündigt. Weitere 5.000 Wohnungen sollen energetisch saniert werden. Zusätzlich können die Länder Darlehen zur Wohnbauförderung aufnehmen. Die effektive Zinsbelastung wurde bis 2028 auf 1,5 Prozent pro Jahr gedeckt.
Vor den heute startenden "St. Wolfganger Tage" haben wir Christian Struber (ÖVP) zum Interview gebeten. Er ist noch bis Jahresende Bundesobmann der ARGE Eigenheim und Vorsitzender des Aufsichtsrats des Österreichischen Verbands gemeinnütziger Bauvereinigungen sowie Chef der Salzburg Wohnbau GmbH.
SALZBURG24: Wie bewerten Sie die jüngsten Entwicklungen rund ums Thema Eigenheim?
CHRISTIAN STRUBER: Der Eigentumserwerb von Wohnungen und Häusern ist in der jüngeren Vergangenheit stark zurückgegangen. Die Preissteigerungen und Zinsen haben ihren Teil dazu beigetragen, sodass wir über viele Monate hinweg keine Nachfrage hatten. In den vergangenen zwei Monaten hat die Nachfrage wieder angezogen. Es ist auch wieder gelungen, Eigentumswohnungen zu verkaufen. Das liegt auch daran, dass viele Menschen, die sich für Eigentum interessieren, in den vergangenen zwei Jahren eine knapp 20-prozentige Gehaltserhöhung bekommen haben. Sie wachsen also mit ihrer Einkommenssteigerung in die Möglichkeit hinein, Eigentum zu schaffen. Umfragen zeigen, dass 70 Prozent der Österreicher gern im Eigentum leben würden, es sich aber nicht leisten können. Das ist auch eine ganz wichtige Vorsorge gegen die Altersarmut.
Mehr Neubauten oder Sanierungen: Was steht uns bevor?
Ich glaube, dass die nächsten zehn Jahre das Jahrzehnt der Bestandsimmobilien sein wird. Einerseits, um die Bestandsimmobilien zu modernisieren und auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Und anderseits aber auch Bestandsimmobilien zu nutzen, um nachzuverdichten, Geschäfte und Parkplätze zu überbauen, um Arbeit und Wohnen wieder zu kombinieren. Wir werden die Vielzahl an grünen Grundstücken nicht mehr bekommen bzw. uns leisten können, zumal weniger grüne Wiesen verbaut werden sollen. Deswegen wird die Bestandsimmobilie eine ganz neue Bedeutung bekommen.
Was sind bei Sanierungen und Modernisierungen die größten Hürden?
Bei Sanierungen gibt es aus meiner Sicht einen ganz großen Handlungsbedarf. Es gibt Sanierungsförderungen des Bundes, in den Ländern sowie Städte und Gemeinden mit ähnlichen Modellen. Das ist umständlich, kompliziert und unterschiedlich aufgeteilt. Wir brauchen alles aus einer Hand und dazu braucht es eine Initiative, um diese Kräfte zu bündeln und um 40 bis 50 Jahre alte Immobilien mit einem Breitbandanschluss, Photovoltaik und Barrierefreiheit zu modernisieren.
Wo sehen Sie in Salzburg das größte Potenzial für eine Nachverdichtung?
Der Salzburger Stadtteil Schallmoos ist wie dafür geschaffen. Zwischen Hauptbahnhof und Linzer Bundestraße haben wir zu 80 Prozent Gewerbeimmobilien, die keine besonderen Emissionen verursachen, wie Handels- oder Dienstleistungsbetriebe. Das kann mit zwei- bis dreigeschossigen Aufbauten kombiniert werden, in denen Wohnungen, Ordinationen und weitere Formen der Nachverdichtung entstehen können. Das ist die Idee für die Zukunft.
Baumit-Chef Georg Bursik äußerte zuletzt scharfe Kritik am Zwei-Milliarden-Baupaket der Bundesregierung: Es würde nichts bei gemeinnützigen Wohnbauträgern ankommen. Teilen Sie diese Ansicht?
Nein, überhaupt nicht. Wir können den Gegenbeweis antreten. Die steirische Landesregierung hat das Geld schon für Neubauten, Sanierungen und Mietwohnungen ganz klar aufgeteilt. Die ÖWG Graz – die größte steirische gemeinnützige Wohnbaugesellschaft – hat im August schon 21 Prozent mehr Umsatz gemacht. Das Zwei-Milliarden-Paket der Regierung wirkt, aber es braucht das Engagement der Bundesländer und das ist ganz unterschiedlich.
Wie schaut es in Salzburg aus?
Wir sind gerade dabei, die neue Wohnbauförderung aufzustellen. Im Zuge dessen wird auch das zusätzliche Geld (ca. 30 Millionen Euro, Anm.) integriert. Damit soll mehr Wohnraum geschaffen werden.
Viel Kritik gibt es an der KIM-Verordnung, die besagt, dass für einen Kredit ein Eigenmittelanteil von mindestens 20 Prozent erforderlich ist: Wo sehen Sie Verbesserungsbedarf?
Das Thema ist logischerweise: Was kann sich jemand leisten? Es gibt aus meiner Sicht ein Produkt, dass man in ganz Österreich mehr forcieren könnte – und zwar Mietkauf. Junge Menschen ziehen zuerst in eine Mietwohnung ein und wenn sie sich für eine Zukunft in Salzburg entscheiden, dann sollen sie die Möglichkeit haben, die Wohnung auch kaufen zu können. Dieses Pflänzchen hat noch ein großes Wachstumspotenzial. Die Salzburger Wohnbauförderung hat sich dahingehend schon etwas geändert: Wer schon drei Jahre in einer Mietwohnung lebt und diese dann kauft, bekommt die volle Wohnbauförderung als hätte man sie am ersten Tag gekauft. Das gehört noch österreichweit ausgebaut. Mietkauf ist eine gute Lösung, um Eigentum zu schaffen.
Sie fordern weitere, zusätzliche Ertragsmöglichkeiten für gemeinnützige Bauvereinigungen. Was bedeutet das konkret?
Die gemeinnützigen Bauvereinigungen sind dazu prädestiniert, gemeinsam mit Kommunen Infrastrukturprojekte zu realisieren – von Schulen, Kindergärten bis zu Altersheimen. Das ist bislang sehr umständlich und könnte durch gesetzliche Erleichterungen geändert werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von uns kümmern sich außerdem um kleinere Sanierungen für die Nachmieter. Diese Dienstleistung könnten wir auch Eigentümern anbieten, um zusätzliche Erträge zu erwirtschaften.
Welche Leuchtturmprojekte gibt es aktuell bei Salzburg Wohnbau?
In Golling bauen wir Wohnungen mit recyceltem Beton, in Seekirchen steht ein Projekt mit Eigentums- und Mietwohnungen auf dem ehemaligen Windhager-Gelände kurz vor dem Abschluss und in Thalgau haben wir einen Supermarkt mit 23 Wohnungen darüber gebaut.
Danke für das Gespräch.
Was ist die ARGE-Eigenheim?
Die ARGE Eigenheim ist ein Zusammenschluss von rund 100 Wohnbauunternehmen in Österreich mit einem Verwaltungsbestand von über 400.000 Einheiten, etwa 5.000 Mitarbeitenden und einem jährlichen Bauvolumen von mehr als einer Milliarde Euro. Für den zum Jahresende in Pension gehenden Christan Struber wechselt Isabelle Stickler an die Spitze der ARGE Eigenheim.
Die von der ARGE Eigenheim traditionellen "St. Wolfganger Tage" finden noch bis zum Freitag am Wolfgangsee statt. Mehr als 200 Vertreterinnen und Vertreter gemeinnütziger Bauträger aus Österreich kommen zusammen, um sich über aktuelle Themen, die den geförderten Wohnbau betreffen, zu informieren und zu diskutieren.
(Quelle: salzburg24)