Salzburg

Salzburger Astronom Helmut Windhager im Sonntags-Talk: "Astronomie ist auch ein philosophisches Thema"

Helmut Windhager war die treibende Kraft hinter der Umsetzung der neuen VEGA-Sternwarte auf dem Haunsberg.
Veröffentlicht: 02. September 2018 11:18 Uhr
Der Salzburger Helmut Windhager ist Leiter der ehrenamtlichen Arbeitsgruppe Astronomie des Hauses der Natur. Er war die treibende Kraft bei der Umsetzung der neuen VEGA-Sternwarte auf dem Haunsberg (Flachgau) und ist seit Jahrzehnten mit Herzblut rund um das Thema im Einsatz. Im Sonntags-Talk erzählt uns der 57-Jährige von seinem Weg in die Astronomie, seine Motivation dahinter und wie Raumfahrt ein neues Selbstverständnis bringen kann.

SALZBURG24: Erst Anfang August wurde die neue Sternwarte auf dem Haunsberg eröffnet. War das gewissermaßen eine Lebensaufgabe für Sie?

HELMUT WINDHAGER: Naja, ein solches Projekt macht man nur einmal im Leben, das ist ganz klar. In meinem Brotberuf habe ich sehr viel mit Baustellen zu tun, als Leiter der ÖBB-Infrastruktur in Salzburg habe ich 800 Mitarbeiter unter mir. Das ist auch mit ein Grund, warum ich die Umsetzung der neuen Sternwarte überhaupt durchführen konnte.

Die neue Sternwarte ist nun einzigartig. Jeder, der etwas davon versteht, hat anfangs nicht geglaubt, dass man so etwas in Europa, geschweige denn Österreich, bauen kann. Wie wir nun aber sehen, pilgert die gesamte Fachwelt voller Erstaunen zu uns und stellt fest, dass es doch funktioniert. Es war also sicherlich eine Lebensaufgabe für mich.

Wie sind Sie selbst zur Astronomie gekommen?

Ein Interesse war bei mir sehr früh vorhanden. Als Zehnjähriger habe ich mich sehr für Raumfahrt und Sci-Fi interessiert. Raumfahrt ist in Österreich aber leider nicht so ein Thema, also habe ich mich dann für die Astronomie entschieden. Dazu kam ich dann über „Learning by Doing“, ich habe viele Kurse besucht, allerdings nicht Astronomie studiert. So habe ich dann Anschluss an die Astronomie-Gruppe gefunden.

Die Astronomie ist eben auch ein bisschen ein philosophisches Thema. Wenn man ein Mensch ist, der sehr gerne liest und sich Gedanken übers Leben macht, dann relativiert die Auseinandersetzung mit dem All die Wichtigkeiten der Dinge im Leben. Wenn ich mir beispielsweise die Andromeda-Galaxie durchs Teleskop ansehe, dann sehe ich Milliarden von Sonnen und wahrscheinlich hat die Mehrzahl davon auch noch Planeten. Dann ist man zum einen davon überzeugt, dass das Ganze nicht nur für uns Menschen da sein kann, und zum anderen stellt man fest, dass man selbst nicht ganz so wichtig sein kann.

Geht man mit der neuen Sternwarte nun eher einem Bildungsauftrag nach oder ist auch wissenschaftliche Forschung damit möglich?

Für uns steht der Bildungsauftrag ganz klar im Vordergrund. Diese Linie wird uns vom Haus der Natur vorgegeben. Dabei sind wir ganz stark auf Jugendliche und Schulklassen ausgerichtet, bieten aber auch Erwachsenen und Lehrern Möglichkeiten zur Fortbildung an.

In die Forschung wachsen wir nun langsam hinein. Mit der früheren Sternwarte war das nur sehr begrenzt möglich, da konnte man etwa bei der Registrierung von Meteoriten mitmachen. Nun sehen wir uns andere Dinge an, auch die Spektroskopie, also die Analyse des Lichts der Himmelskörper, spielt nun eine Rolle für uns. So lässt sich beispielsweise die Rotation von Planeten berechnen, was bei uns übrigens schon die Jugendgruppen machen.

Sie wurden dieses Jahr auch mit dem Polarsternpreis (dieser Preis wird Personen verliehen, die Menschen für den Weltraum begeistern, Anm.) ausgezeichnet. Woher kommt bei Ihnen die Motivation, andere für die Astronomie zu begeistern?

Ich mag ganz einfach Menschen. Das kommt mir auch bei meinem Job bei den ÖBB zugute. Denn man kann nicht Leiter einer Einheit mit knapp 800 Leuten sein, wenn man Menschen nicht mag. Der Umgang mit Menschen, das Vortragen, das macht mir ganz einfach unglaublich viel Spaß. Ich bekomme da auch nahezu nur positive Rückmeldungen. Ich bin so ein grundsätzlich positiver Mensch, ich denke das schwappt gewissermaßen auf mein Umfeld über und die Leute fühlen sich wohl. Das schaukelt sich dann hoch, ich habe Freude, die Menschen sind interessiert und wir haben alle Spaß bei der Sache.

Nun werden vom Haunsberg aus die Himmelskörper beobachtet. Gibt es hier Probleme bei dem Standort, etwa durch Lichtverschmutzung?

Der Standort einer Besucher-Sternwarte ist immer schwierig. Hier muss man einen Kompromiss aus Erreichbarkeit und guten Sichtverhältnissen finden. Wir haben uns lange nach einem geeigneten Standort umgesehen. Das war gar nicht so einfach, auf der einen Seite liegt Deutschland, dann kommen noch der Gaisberg und Untersberg dazu. Dort kann man keine Sternwarte errichten, hier hat man zu hohe Berge, die stehen im Weg. Der Haunsberg ist ideal, er ist nahe genug an der Stadt, durch das Gasthaus Kaiserbuche ganzjährig befahrbar und es ist relativ dunkel. Die Sternwarte liegt auf etwa 800 Meter und ist somit nicht mehr im Bodennebel. Wie wir in den letzten Nächten gesehen haben, war die Wahl eine gute.

Haben Sie bereits interessante Beobachtungen von Salzburg aus gemacht?

Ja, sehr viele. Spektakulär war mit Sicherheit der Einschlag des Kometen Showmaker-Levy 9 (1994, Anm.) auf dem Jupiter. Der ist in Trümmer zerfallen und dann im Jupiter eingeschlagen. Dabei sind uns so gute Bilder gelungen, dass die gesamte deutsche Illustriertenpresse unsere Fotos verwendet hat und nicht die von großen Sternwarten. Da waren wir sehr stolz drauf, haben aber auch erkannt, dass die Sache gar nicht so ungefährlich ist. Wäre dieser Komet auf der Erde eingeschlagen, wäre es aus gewesen.

Wie haben Sie die Mondfinsternis in Salzburg erlebt?

Die Mondfinsternis in Salzburg war fantastisch, vor allem deswegen, weil der Mond das gehalten hat, was im Vorfeld versprochen wurde. „Blutmond“ hört sich immer schön an, oftmals ist er aber dann mehr gelblich als rot. Dieses Mal war er aber wirklich wunderschön rot. Dazu noch die Mars-Annäherung, das hat wirklich super gepasst. Beim Mars konnte man durch das Teleskop sehr viele Details erkennen, wie etwa die verreisten Polkappen. Das war wirklich toll.

Aktuell tut sich bezüglich Raumfahrt und Weltraum sehr viel: Unlängst wurde flüssiges Wasser am Mars entdeckt, die Privatisierung der Raumfahrt schreitet weiter voran und US-Präsident Trump will nun eine Space Force umsetzen. Wie sehen Sie hier die Zukunft?

Die Zukunft der Raumfahrt wird toll, da bin ich äußerst zuversichtlich. Als die erste Mondlandung erfolgte, war das ein – das ist vielen nicht bewusst – unglaublicher Kraftakt. Da hat so viel zusammenpassen müssen und man hatte sehr viel Glück. So etwas könnte man heute nicht mehr machen, niemand würde ein solches Risiko eingehen. Die Astronauten hatten ein Sterberisiko von mehr als 30 Prozent, das geht heute nicht mehr.

Nun hat man gewissermaßen andere Möglichkeiten, letztendlich macht man aber immer noch das Gleiche: Man nimmt Unmengen an hochbrisantem Treibstoff, zündet ihn an einer Seite an und durch den Rückstoß fliegt man in die Höhe. Man bräuchte eine neue Form des Antriebs, an dem scheitert es aktuell.

Raumfahrt ist aber auch etwas, mit dem man wieder ein gemeinsames „Menschverständnis“ erzeugen kann. Denn auf einem anderen Planeten ist es vollkommen egal, ob dort ein Amerikaner, ein Russe oder ein Japaner steht, letztendlich steht dort oben ein Mensch. Es braucht also wieder diesen Spirit, der Funke muss überspringen.

Sind mit der Aufstellung einer Space Force aber nicht ganz neue Formen der Finanzierung von Raumfahrt möglich?

Ja, da haben Sie recht. Mit einer derartigen Finanzierung sind dann plötzlich Entwicklungen möglich, die mit einem Forschungsauftrag völlig unmöglich wären. Da kann sich auch bei den Antrieben noch einiges tun. Die am schnellsten beschleunigende Rakete ist beispielsweise die Patriot, die muss eben auch andere Raketen abfangen können. So etwas zu entwickeln wäre über zivile Wege nicht möglich gewesen. Dass die Raumfahrt nun militärisch missbraucht wird, ist aber natürlich so eine Sache.

Wollen Sie selbst auch mal in den Weltraum?

Hm, mit der Enterprise schon, ja (lacht). Ich fühle mich zwar noch sehr jung, ich bin aber doch bald 58 Jahre alt. Die körperlichen Strapazen eines Weltraumfluges würde ich mir wohl eher nicht antun. Vielleicht dann, wenn ich keine Familie hätte. Das Risiko ist eben doch noch ein großes. Obwohl ich schon sehr gerne einmal die Welt aus der Umlaufbahn sehen würde. Aber das ist momentan eben noch sehr gefährlich und körperlich beschwerlich.

Ich hatte aber bereits die Freude mit einigen Astronauten oder auch Kosmonauten zu sprechen. Ich denke, so ein bisschen hat sie dieses Ereignis schon verändert – auch wenn ich sie vorher nicht gekannt habe. Aber trotzdem, sie haben alle so eine gewisse Euphorie, wenn sie darüber erzählen. Sowohl Astronauten als auch Kosmonauten unterscheiden sich hier in keiner Weise. Jeder hat das gewisse Glänzen in den Augen, wenn sie über ihre Missionen sprechen.

Herr Windhager, vielen Dank für Ihren Besuch und das interessante Interview. 

Sehr gerne, vielen Dank auch!

(Quelle: salzburg24)

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