Salzburg

Salzburger Grenzfall: Chiemseehof - Sitz vieler Herren

Heute sind in den rund 160 Räumen des Chiemseehofs, in denen rund 110 Landesbedienstete arbeiten, ein Klubzimmer sowie Büros für die Landtagsparteien und zentrale Verwaltungsstellen untergebracht.
Veröffentlicht: 24. Februar 2014 16:43 Uhr
Warum die Chiemsee-Bischöfe beim Reisen im eigenen Land in Schwierigkeiten geraten konnten, warum Salzburger Abgeordnete in einem ehemaligen Kornspeicher Politik machen und was ein flüchtiger spanischer Kronprinz und Adolf Hitler im heutigen Sitz der Landesregierung verloren hatten, verrät dieser äußerst landespolitische Grenzfall.
Lilli Zeilinger

Er ist der Nabel der regionalen Macht, das ehrwürdige Machtzentrum der Landespolitik, ein Dauerbrenner des Denkmalschutzes und blickt auf eine fast 800-jährige äußerst wechselhafte Geschichte zurück – der Chiemseehof im Herzen der Salzburger Altstadt, in einem aktuellen Reiseführer gar als mittelalterliches Schloss tituliert. Man wäre nicht der erste, der beim Namen ein Gasthaus an den Gestaden des Bayerischen Meeres, dem Chiemsee also, vermuten würde.

Bischöfe mit Einschränkungen

Dafür gibt es gute Gründe. Vor mehr als 1.200 Jahren ließen sich auf der Herreninsel im Chiemsee Mönche nieder, die der Insel ihren Namen gaben. Mehr als sechs Jahrhunderte gab es auch einen Bischof von Chiemsee mit eigener Kathedrale auf der Herreninsel. Das war weit weg von Salzburg, dem das Bistum unterstellt war, weshalb die Chiemsee-Bischöfe in Salzburg residieren mussten. Ohne Erlaubnis des Salzburger Erzbischofs durften sie die Stadt gar nicht verlassen. Der Chiemseehof diente als Regierungssitz der Chiemsee-Außenstelle. Ein Chiemsee-Bischof, der nach Bayern kam, wurde als ausländischer Reisender betrachtet, dem keinerlei Vorrechte zustanden.

Von Großbrand und Kronprinz

Ab 1216 liest man in den Urkunden von einem Chiemseehof in der Salzburger Altstadt, der um 1300 zur Residenz ausgebaut wurde. Um- und Ausbauten prägten die folgenden Jahrhunderte: 1355 eine Hauskapelle, 1583 ein Garten und nach einem Brand 1694 ein Neubau mit vier Stockwerken, so wie er heute weitgehend erhalten ist. Der 1677 errichtete Speicherkasten an der Pfeifergasse wurde 1696 aufgestockt. Nach der endgültigen Auflösung des Bistums Chiemsee im Jahr 1817 zog der Salzburger Erzbischof Augustin Gruber ein, von 1836 bis 1841 boten die bischöflichen Gemächer der Familie des spanischen Kronprinzen Don Carlos Zuflucht, der sich so den heimatlichen Wirren um die Thronfolge entzog. Eine Sonnenuhr, die auf dem berühmten Sattler-Panorama an der Fassade des nordwestlichen Gebäudeteils sichtbar ist, ermöglicht übrigens die Bestimmung der Uhrzeit, die der Maler 1825 für sein 360-Grad-Werk annahm.

Parlament im Ex-Getreidespeicher

1850 wurde Salzburg Kronland und erhielt elf Jahre später einen eigenen Landtag, für den im ehemaligen bischöflichen Getreidekasten der Landtagssaal eingerichtet wurde. 1866 ist dort die erste Sitzung im inzwischen als "einer der wichtigsten Säle Salzburgs" klassifizierten Plenarsaal belegt und 1873 wurde der Südtrakt zu Arbeits- und Repräsentationsräumen der Landesregierung (in allen anderen Kronländern "nur" als Statthalterei bezeichnet) umgestaltet.

Hitler sprach im Chiemseehof

Im August 1920 diente der Landtagssaal als Schauplatz eines überregionalen Parteitags aller nationalen Sozialisten des deutschen Sprachgebiets mit 250 Vertretern und 100 Gästen. Darunter auch ein gewisser "Adolf Hüttler" (er wurde im selben Jahr auch noch fälschlich als Hittler und Hietler bezeichnet), der mit einer Brandrede auf die Volksgemeinschaft und gegen die Juden erstmals in der lokalen Presse auffiel. Drei Jahre später kehrten Hitler und die Nationalsozialisten zu einem österreichischen Parteitag in den von SA-Sturmtruppen bewachten Chiemseehof zurück.

Bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1938 spielte der Chiemseehof ebenfalls eine Rolle. So marschierte Gauleiter Anton Wintersteiger zum Sitz der Landesregierung und meldete von dort den Vollzug der Machtübernahme nach Wien. Die beim Eingang postierte Polizeiwache grüßte bereits mit erhobener Hand. Seinem Nachfolger Friedrich Rainer erschien der von ihm verächtlich als "Rehrl-Bude" bezeichnete Chiemseehof als zu bescheiden, weshalb er seinen Amtssitz in die Residenz verlegte. Bei den verheerenden Bombentreffern im Oktober 1944 im Kaiviertel bekam der Chiemseehof nur leichte Schrammen ab.

Behutsame Sanierung

Seitdem wird das denkmalgeschützte Gebäude nur sehr behutsam verändert und repariert, was jüngste Sparbudgets erleichtern. Der Garten gilt als archäologisches "Fundhoffnungsgebiet", schließlich stieß man ringsum auf Überreste des römischen Juvavum. 1967 wurde die Fassade des Gebäudes erneuert, 1977 kam es zu einer Innenrenovierung. Das kunsthistorisch bedeutsame Inventar aus den vergangenen Jahrhunderten, darunter das Kupferstichkabinett von 1750 und der Bischofsgang, blieb dabei weitgehend erhalten. Ein Brandanschlag 1994 auf den ebenerdig gelegenen SPÖ-Landtagsklub blieb für Gebäude und Politik folgenlos.

Das liebe Geld spielte bei Umbauplänen seit jeher eine Rolle. 1893 wurde die Einführung von elektrischem Licht zurückgestellt. 1907 debattierten die Abgeordneten darüber, ob eine "Telephonstelle" im Landtag unnötiger Luxus sei. Vier Jahre darauf gönnte man sich immerhin neue Heizöfen, nachdem Rauchgase den Politikern zugesetzt hatten.

Einsturzgefahr: Burgstaller ließ Chiemseehof schließen

Gefahr in Verzug war 2011 im Büro der ehemaligen Landeshauptfrau Gabi Burgstaller, das wegen Einsturzgefahr geschlossen und mit Metallstehern abgesichert werden musste. Zuletzt wurden die ehemaligen Garagen der Regierungslimousinen zu einem modernen Besprechungsraum adaptiert.

Heute sind in den rund 160 Räumen des Chiemseehofs, in denen rund 110 Landesbedienstete arbeiten, neben den Arbeits- und Repräsentationsbereichen des Landeshauptmanns in den früheren Wohnräumen der Bischöfe ein Ausschusssitzungszimmer, ein Klubzimmer sowie Büros für die Landtagsparteien und zentrale Verwaltungsstellen untergebracht.

Dieser "Grenzfall" ist ein weiterer aus der erfolgreichen Serie "Salzburger Grenzfälle", die jeden ersten Mittwoch des Monats auf SALZBURG.AT, der Plattform für die Europaregion, im Internet unter www.salzburg.at , veröffentlicht werden. Die Grenzfälle versammeln Kuriositäten rund um die Salzburger Grenzen und bilden eine aufschlussreiche Lektüre zu Geschichte, Landeskunde und Politik Salzburgs.

(Quelle: salzburg24)

Lädt
Du hast die maximale Anzahl an Autor:innen/Themen erreicht. Um dem Thema zu folgen, entferne bitte andere Autor:innen/Themen. Themen bearbeiten

Um "meine Themen" nutzen zu können, musst Du bitte der Datenspeicherung hierfür zustimmen

Kommentare (0)
Diskussion anzeigen K Diskussion ausblenden Esc
merken
Nicht mehr merken