SALZBURG24: Herr Popp, welche Technologie hat den stärksten Einfluss auf unser tägliches Leben?
Reinhold Popp: Hier muss man auf die Digitalisierung verweisen. Ich denke aber, dass man sie nicht immer so isoliert betrachten darf. Aus meiner Sicht ist die Digitalisierung die gegenwärtig wichtigste Variante der Mechanisierung. Es passiert hier nichts anderes als eine Weiterentwicklung von Maschinen. Wir Menschen neigen aber oftmals dazu, anzunehmen, dass eine neue technologische Entwicklung den Menschen ersetzen kann.
Steuern wir in diesem Bereich auf eine Technologische Singularität zu?
Nein, das glaube ich nicht. Diese Diskussion wird vor allem von Elon Musk (Tesla) und Ray Kurzweil (Google) geführt, die beidim technologischen Sektor tätig sind. Ich glaube, dass manches, was hier so an grandiosen Warnungen oder auch Hoffnungen ausgesprochen wird, ein bisschen ein Marketing-Märchen aus dem Silicon Valley ist.
Singularität ist also ein Begriff den diese Leute wählenum über Fortschritte in digitalen Aspekten, der Gentechnik aber auch der Biotechnologie einen komplett neuen Typus Menschen und somit auch einen neuen Typ der Gesellschaft zu beschreiben.
Wir erschaffen also einen technologischen Gott?
Ja, einen technologischen Gott. Und dieser technologische Gott ist wie der fantasierte Gott der Religionen allmächtig und allwissend. Er kann also alles und löst alle Probleme, das wird zumindest versprochen. Den Menschen, die all die Forschung finanzieren, verspricht man natürlich etwas, das für sie persönlich interessant ist: Nämlich das ewige Leben. Das ist sozusagen der Anreiz für viele zu investieren.
Früher hat man sich noch einfrieren lassen, heute sind es Tech-Unternehmen, die das ewige Leben ermöglichen sollen. Ähnliche Fantasien gibt es also auch hier.
Haben Menschen Angst vor Wandel und neuen Entwicklungen?
Naja, das sieht man ja am hohen Niveau der Zukunftsangst. Wir Menschen sind so gestrickt, dass wir uns unseren Lebensstil über die Jahrzehnte hinweg zurecht basteln. Und wenn wir diesen Lebensstil dann haben, dann fühlen wir uns damit sicher. Jede Veränderung erzeugt dann aber eben große Sorgen und die Menschen fragen sich, ob es ihnen danach besser geht als davor. Es geht hier also um die Abstiegsängste, die die Menschen überall haben.
Die Angst vor neuen Technologien hat es aber immer schon gegeben. Doch sie wird den Menschen die Arbeit aber nicht wegnehmen, sondern abnehmen. Es geht hier nicht um den Abbau von Arbeitsplätzen, sondern um den Umbau des Arbeitsmarktes.
Wie fit sind Österreich und die EU für die Zukunft?
Im Großen und Ganzen sind Österreich und auch die EU gut aufgestellt. Es wird zwar ständig herumgejammert, aber ich denke, man muss hier die Kirche im Dorf lassen. Es ist nicht zufällig so, dass die EU mit 6,5 bis 7 Prozent der Weltbevölkerung ein Viertel der Wirtschaftsleistung dieser Welt ausmacht. So schlimm kann es also nicht sein. Natürlich ist es auch hier so, dass es noch Luft nach oben gibt. Grundsätzlich sind aber Österreich und die EU aus meiner Sicht gar nicht so schlecht aufgestellt.
Herr Popp, was genau kann man sich eigentlich unter Zukunftsforschung vorstellen?
Nun, grundsätzlich gibt es in allen wissenschaftlichen Disziplinen Menschen, die sich mit der Frage „wohin wird es gehen?“ beschäftigen. Ihren Ursprung hat die Zukunftsforschung aber in den 1940er- und 1950er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Nach dem Zweiten Weltkrieg musste sich die Wirtschaft von einer Kriegswirtschaft auf eine Kalter-Krieg-Wirtschaft umstellen. Dazu wurde dann von der US-Bundesregierung und Konzernen dieRAND-Corporationgegründet – ein Thinktankt, der es zur Aufgabe hatte zu erforschen, wie sich die Dinge entwickeln werden.
Wie akkurat lässt sich Zukunft „voraussagen“?
Das ist natürlich immer vom untersuchten Gegenstand abhängig. In den meisten Fällen handelt es sich um Zukunftsentwicklungen, die sich im gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Bereich abspielen. In diesem Fall lässt sich gar nichts wirklich fix voraussagen. BeiSystemen hingegen, bei denen alle Faktoren und Wechselwirkungen bekannt sind, kann man mitunter Voraussagen über Jahrtausende treffen. So etwa bei der Bewegung der Himmelskörper. Wie akkurat sich etwas beschreiben lässt, hängt aber vor allem mit der Komplexität und Dynamik des Themas zusammen.
Sehen sie sich eher als Zukunftsoptimist oder als Zukunftspessimist?
Ich sehe mich selbst eher als kritischen Optimisten. Ich habe eine gewisse Gelassenheit, die auf der Annahme beruht, dass wir Menschen in unserer Entwicklung immerhin dazu im Stande waren, so etwas wie Sicherungsmechanismen zu entwickeln. Als dramatisches Beispiel: Wir verfügen auf dieser Welt über derartviele Atomwaffen, dass wir den Planeten zig-fach zerstören können. Dennoch ist der „rote Knopf“ – abgesehen vom Zweiten Weltkrieg – nie betätigt worden. Das ist auf diese Sicherungsmechanismen zurückzuführen.
Was wird uns 2019 in Österreich beschäftigen?
Bei den anstehenden Wahlen in Österreich wird es wohl keine großen Überraschungen geben. Die EU-Wahl hingegen ist schon etwas bedeutsamer. Her wird sich klären, wie es mit Großbritannien weitergeht. Ein großes anti-europäisches Vorgehen über die EU-Wahl sehe ich aber nicht.
Bezüglich der Wirtschaft sind bereits viele Experten der Meinung, dass es im zweiten Halbjahr zu einer gewissen Reduktion des Wachstums kommen wird. Darüber hinaus wird uns in den nächsten Jahrzehnten die Klimafrage beschäftigen.
Uns stehen also spannende Zeiten bevor. Herr Popp, vielen Dank für das spannende Interview.
Sehr gerne!
(Quelle: salzburg24)