Am 3. März 2020 ist auf SALZBURG24 der bislang letzte Sonntagstalk erschienen – mit dem Titel „Uns schmeißt so schnell nichts aus den Socken – Salzburgs Krisenmanager Michael Haybäck im Interview“. Keine zwei Wochen später war das widerlegt. Denn dann kam Corona samt Lockdown und wir legten die beliebte Serie vorerst auf Eis. Nun wird sie wiederbelebt – und zwar als Podcast. Denn ab sofort veröffentlichen wir wieder jeden Sonntag ein Interview mit Menschen aus Politik, Wirtschaft oder den zahlreichen Bereichen der Gesellschaft. Den Auftakt macht Bernhard Auinger (SPÖ), Bürgermeister der Stadt Salzburg.
Der gebürtige Stadtsalzburger Bernhard Auinger hat beim dritten Anlauf bei der Gemeinderats- und Bürgermeisterwahl im März dieses Jahres den Chefsessel erobert und bildet nun mit Vizebürgermeister Kay-Michael Dankl von der KPÖ, Vizebürgermeister Florian Kreibich (ÖVP) und den Stadträtinnen Anna Schiester (Bürgerliste) und Andrea Brandner (SPÖ) das sogenannte Stadtratskollegium.
Stimmen gebracht habe ihm mit Sicherheit die klare Position gegen den S-Link. Und das umstrittene Verkehrsprojekt ist unter anderem Thema in unserem Gespräch. Hört rein!
Sonntagstalk mit Bernhard Auinger: Ein Auszug zum Nachlesen
SALZBURG24: Sie haben jetzt gemeinsam mit der neuen Regierung sehr viel vor. Viele Projekte stehen auf der Umsetzungsliste. Und das kostet Geld, sehr viel Geld. Mit Ende 2023 war die Stadt Salzburg quasi schuldenfrei, sie planen bis 2029 ein Rekordbudget von 526 Millionen Euro, damit wird der Schuldenstand natürlich wieder massiv anwachsen. Wie erklären Sie das den Salzburgerinnen und Salzburgern?
BERNHARD AUINGER: Also erstens muss man mal festhalten, dass auch schon letztes Jahr in den mittelfristigen Finanzverhandlungen klar war, dass wir ab 2026 wieder Schulden machen müssen, weil man solche Investitionen wie ins Festspielhaus, in das neue Flughafenterminal, in den Schulbau nicht aus der Portokasse bezahlen kann. Und das Thema ist, dass sich viele Projekte jetzt in den letzten Jahren einfach verzögert haben.
Ich sehe es aber nicht so dramatisch, denn es geht um Projekte, die unumstritten sind. Wer zu den Festspielen steht, wird das Festspielhaus sanieren müssen. Wer zum Standort Flughafen steht, wird das Terminal bauen müssen. Wir werden in die Schulen weiter investieren und das ein oder andere Seniorenwohnhaus in Angriff nehmen.
Wir werden auf jeden Fall darauf schauen, dass die Stabilität der Stadt Salzburg, was die Finanzen betrifft, dass das so, wie es meine Vorgänger gemacht haben, auch weiterhin bestehen bleibt.
Das geplante Budget für die kommenden fünf Jahre ist de facto ohne S-Link – nur eine Rate von 10 Millionen Euro ist eingeplant. Wie sicher sind Sie sich denn, dass sich die Salzburgerinnen und Salzburger am 10. November gegen das Verkehrsprojekt entscheiden?
Wenn man jetzt plötzlich die Befragung insofern so geändert hat, dass in der Stadt Salzburg jeder eine Wahlkarte abgeben kann, egal ob er jetzt in Anif oder in Bergheim wohnt, dann wird auch das Ergebnis in der Stadt Salzburg natürlich sehr beeinflussbar. Wenn der Jurist des Landes ausrichtet, dass wir grundsätzlich eigentlich gar nichts zu mitreden haben, weil das Land eisenbahnrechtlich durch uns durchbauen kann – und wir eigentlich nur entscheiden können, ob wir mitzahlen wollen oder nicht – dann glaube ich, dass das Thema nochmals richtig polarisieren wird.
In der Stadtbevölkerung habe ich im Wahlkampf massive Ablehnung verspürt und ich halte dieses Projekt aus Sicht der Stadt weiterhin für nicht finanzierbar.
Um Summen zu nennen: Mit Zinsen finanziert auf 30 Jahre kostet dieses Projekt der Stadt Salzburg über 400 Millionen Euro. Das sind über 13 Millionen Euro jährlich. Das würde bedeuten, dass wir uns 30 Jahre lang ungefähr ein Sechstel unserer Investitionen an ein einziges Projekt binden, von dem die Stadtbevölkerung sehr eingeschränkt profitieren wird. Das ist die Kritik, die ich habe.
Ich werde jetzt mit dem Landeshauptmann eine Finanzierungsvereinbarung verhandeln für den Fall, dass es ein Ja in der Stadt gibt. Ich gehe aber von einem Nein in der Stadt aus. Und wir werden uns die Wahlkarten auch sehr genau anschauen.
Verkehrslandesrat Stefan Schnöll hat einen Wahlkampf für den S-Link nach der Nationalratswahl angekündigt. Wie schaut Ihr Wahlkampf aus und wie wollen Sie die Menschen im Flachgau und Tennengau erreichen, die ja auch offenbar auch mitstimmen dürfen?
Wir werden keinen Wahlkampf machen. Wir werden eine Agentur beauftragen, die die Chancen, aber auch die Risken dieses Projekts aufzeigt und dementsprechend so die Bürgerinnen und Bürger informiert. Und die Risken sind ganz klar bei der Finanzierung und bei diversen Auswirkungen durch den Bau. Das sagen mir führende Geologen. Hier gibt es Risken, die zwar technisch durchaus beherrschbar sein können, aber es gibt ein Restrisiko. Von dem redet kein Mensch. Und ich glaube, das müssen wir aufzeigen.
Die Salzburger:innen erleben heuer einen regelrechten Wahlmarathon. In Salzburg hatten wir die Gemeinderatswahlen, die EU-Wahl liegt gerade hinter uns, die Nationalratswahl vor uns. Und jetzt kommt im November auch die Bürgerbefragung zum S-Link dazu. Zum Dauerwahlkampf dazu kommt auch, dass die Sprache in der Politik zunehmend verroht. Wie sehen Sie diese Entwicklung und was macht das Ihrer Meinung nach mit den Menschen?
Ich glaube, wir haben es im Gemeinderatswahlkampf gezeigt und es hat ja in Österreich für sehr viel Aufsehen gesorgt, dass es auch möglich ist, einen sachlichen, fairen Wahlkampf zu führen.
Am Ende des Tages muss man nach jeder Wahl zusammenarbeiten und das sollten die Politikerinnen und Politiker einfach nicht vergessen. Wer jetzt Porzellan zerschlägt, muss es nachher erst kleben. Wir müssen nichts kleben und können sofort zu Arbeiten beginnen und das tun wir auch schon die ganze Zeit.
Und ich werde diesen Stil auf jeden Fall fortführen und dass der bei den Bürgerinnen und Bürgern gut ankommt, zeigt auch das Wahlergebnis der EU-Wahl in der Stadt Salzburg. Wir sind stimmenstärkste Partei mit der SPÖ, das waren wir noch nie.
Das heißt, dieser Weg der Zusammenarbeit wird, glaube ich, von der Bevölkerung wirklich honoriert und trägt auch dazu bei, dass vielleicht wieder mehr Leute zur Wahl gehen.
Was kann die Politik sonst noch gegen die Politikverdrossenheit in der Bevölkerung unternehmen?
Die Streiterei führt nicht nur zu Frust bei den jungen Menschen, ich sage es Ihnen ganz persönlich, es kostet einem selbst extrem viel Energie. Und das ist eigentlich Energie, die man dann nicht mehr verwenden kann, um Lösungen für die Menschen zu suchen.
Ich meine, dass sehr viele Politikerinnen und Politiker mittlerweile aus Gesundheitsgründen aus der Politik ausscheiden, sollte uns grundsätzlich zu denken geben. Wir sollten Vorbilder sein. Wenn man nur das Trennende in den Vordergrund stellt, so wie es manche tun, dann darf man sich nicht wundern, dass die Gesellschaft auch diesen Weg einschlägt.
Was passiert eigentlich mit einem Politiker/einer Politikerin, die Einfühlsamkeit zeigt oder Verständnis für die andere Position? Hat diese Person in der Politik denn überhaupt noch Chancen?
Ja, ich meine schon. Auch wenn vielleicht der eine oder andere Parteistratege das anders sieht, aber warum soll ich nicht etwas eines politischen Gegners wertschätzen, wenn sie oder er bei einem Thema einen guten Job gemacht hat? Ich sage immer, ich werde lieber zweimal enttäuscht, als ich gebe jemanden das Vertrauen nicht und der ist enttäuscht, weil ich ihm das Vertrauen nicht gegeben habe.
Und diese Enttäuschung würden Sie dann auch zeigen?
Ja, selbstverständlich. Natürlich ist man manchmal über Menschen auch in der Politik oder über Kolleginnen und Kollegen enttäuscht. Aber ich bin ein Mensch, ich schlafe drüber und gehe dann am nächsten Tag zur Tagesordnung über. Der Zeitpunkt, wo man darüber reden kann, kommt dann irgendwann.
Den Sonntagstalk auf SALZBURG24 gibt's ab sofort wieder jede Woche. Für den kommenden Sonntag, 30. Juni, konnten wir passend zum bevorstehenden Electric Love Festival in Salzburg den jungen DJ und Musikproduzent Toby Romeo für ein Interview gewinnen. Einfach reinhören!
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(Quelle: salzburg24)