Wie viel ist zu viel?

Selbstoptimierung – wann „kopierte Ziele“ zum Problem werden

Veröffentlicht: 24. Jänner 2022 14:53 Uhr
Viele Bereiche unseres Lebens lassen sich optimieren. Sei es unser Körper, unser Beziehungsleben oder unsere Karriere. Aber wie viel ist zu viel? Und woher kommt unser Wunsch nach Verbesserung und Weiterentwicklung?

Zu große Nase, zu dicker Bauch oder schiefe Zähne: Schon allein an unserem Körper finden wir alle möglichen Dinge, die wir verbessern könnten. Stupsnase, Sixpack und strahlendes Lächeln sind die weit verbreiteten Ideale. Aber auch an unserem Tagesablauf lässt sich ordentlich schrauben. In den sozialen Medien bekommen wir häufig eine vermeintlich perfekte Morgenroutine mit Yoga und einem gesunden Smoothie als Frühstück präsentiert. Auch das scheinbar makellose Beziehungs- und Familienleben, mit dem wir online konfrontiert werden, kann ziemlich viel Druck erzeugen.

 

Persönliches Wachstum statt Selbstoptimierung

Schon allein die Bezeichnung „Selbstoptimierung“ in Bezug auf Menschen zu verwenden, findet der Salzburger Psychotherapeut Friedrich Faltner fragwürdig, wie er im SALZBURG24-Interview ausführt: „Der Begriff kommt aus der Maschinensprache und erweckt den Eindruck, dass man an ein paar Schrauben dreht und schon ist alles erledigt.“ Das sei aber bei Menschen nicht möglich. Vielmehr seien oft harte Arbeit, Ausdauer und Disziplin gefragt. Deshalb spreche er lieber von persönlicher Entwicklung oder persönlichem Wachstum.

 

Woher kommt Wunsch nach Weiterentwicklung?

Hinter dem Bedürfnis nach Weiterentwicklung stecken laut Faltner zwei Faktoren: „Entweder es kommt aus mir heraus oder von außen.“ Bei Ersterem sei es wichtig, ein Gespür für sich selbst zu haben und sich zu fragen, wo und weshalb man nicht zufrieden ist: „Wenn ich zum Beispiel in Beziehungen immer wieder Schiffsbrüche erleide, könnte ich mich fragen, wie ich mit Beziehungen in meinem Leben umgehe und was das mit mir selbst zu tun hat.“

Kommt der Wunsch nach Veränderung von außen, vergleiche man sich mit anderen: „Ich suche mir ein Ideal oder einen Maßstab von außen, das muss gar nicht real sein. Dann glaube ich, ich muss mich anpassen.“ Sich hingegen Inspiration oder Anregungen zu holen, sei wiederum positiv, merkt der Vorsitzende des Salzburger Landesverbandes für Psychotherapie an. Die Abwägung sieht er als „Prüfung“. Die Herausforderung sei herauszufinden, was für einen selbst wichtig ist.

Soziale Medien spielen große Rolle

Angesichts der Flut an Beiträgen in den sozialen Medien ist das aber oft gar nicht so einfach. Viele Bilder entsprechen nämlich gar nicht der Realität und zeigen nur die schönen Seiten. Zudem würden sich Menschen oft gegenseitig hochschaukeln oder aufstacheln, etwa in WhatsApp- oder Facebook-Gruppen, ergänzt Faltner. Das führe zu einem sehr hohen Leistungsdruck.

Individualisierung steigt

Dass das Thema Selbstoptimierung bzw. persönliches Wachstum immer präsenter wird, liegt aber nicht nur an Social Media. „Soziale Zusammenhänge wie Nachbarschaft, politische Parteien oder Religionen werden geringer. Stattdessen geht der Einzelne mehr in die Egozentrik“, erklärt der Therapeut. Der Verlust der sozialen Eingebundenheit werde bei manchen durch „Ich-ich-ich“ kompensiert, da man ansonsten nicht „gut“ sei. „Manchmal kann das auch ein Zeichen von Einsamkeit sein", stellt der Psychotherapeut fest.

Das Problem mit „kopierten Zielen“

Die Grundspannung liegt laut Faltner immer zwischen dem, was ist und dem, was sein sollte. Das führe zu dem Versuch, diese vermeintliche Lücke schließen zu wollen. "Kopierte Ziele" von anderen zu übernehmen, führe aber zu psychischem Unglück und reduziere den Selbstwert, obwohl es einem eigentlich gut gehe. Bei einem großen Selbstwert hingegen mache man sich bewusst, dass man gut sei, wie man ist, man lerne zwar gern, aber übernehme nicht ungeprüft Dinge von außen.

Realistische Betrachtung wichtig

Was oftmals hilft, ist eine realistische Betrachtung. „Das sollte man eher nicht mit dem Partner oder der Familie besprechen. Da könnte eine Voreingenommenheit da sein.“ Besser spreche man mit Freunden, deren Urteilsfähigkeit man schätzt. So könne man herausarbeiten, was überhaupt möglich und was Illusion sei. Essenziell sei, zu einem authentischen Leben zu finden. „Es ist schwer, seinen eigenen Weg zu finden. Mit der Herde mitzulaufen ist oft leichter, was aber nicht ungefährlich ist.“

„Wundermethoden“ als vermeintlicher Ausweg

Misserfolge würden zudem den Selbstwert verringern. „Und wenn ich wenig Selbstwert habe, steigt die Bereitschaft, an irgendwas zu glauben, wie zum Beispiel Wundermethoden. Das ist gefährlich, weil ich dann noch mehr auf Illusionen reinfalle als vorher.“ Außerdem seien diverse Kurse und Coachings oftmals mit hohen Kosten verbunden, warnt Faltner.

Bei all den Eindrücken, die wir täglich bekommen, scheint es umso wichtiger, uns auch jene Dinge bewusst zu machen, die gut laufen. Gerade in unserer schnelllebigen Zeit kann es helfen, seine Ziele noch einmal zu hinterfragen. Und was wir nicht vergessen sollten: Jeder Mensch ist einzigartig, mit seinen Ecken und Kanten. Und gerade das macht uns ja aus.

(Quelle: salzburg24)

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