40 Jahre Frauennotruf Salzburg

"Sexualisierte Gewalt ist noch immer ein großes Tabuthema"

Sexualisierte und strukturelle Gewalt an Frauen sind noch immer gesellschaftliche Tabuthemen. Darauf macht der Frauennotruf Salzburg anlässlich seines 40-jährigen Bestandsjubiläums aufmerksam.
Veröffentlicht: 19. April 2024 12:53 Uhr
Der Frauennotruf Salzburg war die erste Gewaltschutzeinrichtung des Landes. Dieses Jahr begeht der Verein sein 40-jähriges Bestandsjubiläum. Es habe sich für Frauen zwar viel zum Besseren verändert, sexualisierte Gewalt sei aber noch immer ein Tabuthema. Mit diversen Veranstaltungen will man einen Raum für einen offenen Dialog zum Thema öffnen.

Die heute staatlich anerkannte Opferschutzeinrichtung wurde am 28. März 1984 von einer Gruppe junger Frauen ins Leben gerufen, mit dem Ziel die Situation von Frauen durch solidarische Beratung und Unterstützung zu verbessern. Damit hatte Salzburg seine erste Gewaltschutzeinrichtung.

Frauennotruf Salzburg 1984 ehrenamtlich gegründet

Die 24-Stunden-Hotline wurde zunächst durchgehend besetzt, ehrenamtlich versteht sich – bis sich der Verein dann in den 1990er-Jahren professionalisiert und fachlich innerhalb der Gewaltproblematik auf sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Mädchen ab 14 Jahren spezialisiert hat. Inzwischen ist der Frauennotruf eine klassische Beratungseinrichtung mit normalen Bürozeiten.

2023 haben insgesamt 767 Betroffene, Bezugspersonen und Multiplikator:innen die Angebote des Frauennotrufs Salzburg genutzt, davon 297 Fälle im Rahmen des Einzelberatungsangebotes, sagt Agnes Menapace im Interview mit SALZBURG24. Aktuelle Zahlen für dieses Jahr gebe es zwar noch nicht, aber man könne eindeutig erkennen, dass die Zahl der Anrufe und Beratungen in den vergangenen vier Jahren „massiv“ angestiegen ist. Warum das so ist, könne man professionell aber nicht beantworten, da hier mehrere Faktoren miteinfließen.

Sexualisierte und strukturelle Gewalt 

„Sexualisierte Gewalt ist immer noch ein Tabuthema und wird in der Gesellschaft nicht wahrgenommen“, sagt Menapace. Zu vieles würde immer noch hingenommen werden, dabei seien die Femizide und die steigende Zahl der sexualisierten häuslichen Gewalt an Frauen nur die Spitze des Eisberges. Mit dem kleinen offensichtlichen Teil stehe die strukturelle Gewalt in einem engen Zusammenhang, so die Expertin. „Es gibt ein Hintergrundrauschen“, sagt sie. Was sie damit meint? „In unserer Gesellschaft herrschen bestimme Verhaltensmuster, Vorstellungen und Haltungen vor, durch die Frauen Benachteiligung erfahren.“ Strukturelle Gewalt gibt es in den verschiedensten Lebensbereichen, wie in der Bildung, dem Gesundheitswesen, aber auch im Beruf, Vereinen oder Institutionen. Sie wirkt sich oft langfristig auf das Leben von Menschen aus, indem sie ihre Chancen und Möglichkeiten beeinträchtigt.

Sich mit dem Thema sexualisierte und strukturelle Gewalt auseinanderzusetzen, sei der Schüssel zu einer gleichberechtigten Gesellschaft. Und diese Bewusstmachung macht sich der Frauennotruf unter Agnes Menapace zu einer seiner Hauptaufgaben. „Wir wollen nicht die Männer an den Pranger stellen – ganz im Gegenteil. Es ist wichtig, dass sie aus der Defensive und nicht in die persönliche Betroffenheit gehen.“ Oft sei es noch so, dass sich Männer sehr schnell generalverdächtigt fühlen. „Von diesem Denken müssen wir weg“, sagt die bekennende Feministin. Denn: „Es sind nicht 90 Prozent der Männer Täter, sondern 90 Prozent der Täter Männer“ – ein großer Unterschied, der in der Gesellschaft oft noch nicht erkannt werde. So können wir alle jederzeit zur Täterin oder zum Täter werden.

Was sie sich für die nächsten 40 Jahre wünscht? „Eine aktive Frauenpolitik – und Johanna Dohnal zurück.“

Festakt für 40 Jahre Salzburger Frauennotruf

Die Feierlichkeiten zum 40-jährigen Jubiläum des Frauennotrufs Salzburg, der von Stadt, Land und dem Bund finanziert wird, werden heute Abend im Jazzit mit einem Festakt eröffnet, bei dem Landesrätin Daniela Gutschi (ÖVP) und Stadträtin Andrea Brandner (SPÖ) anwesend sein werden. Die Veranstaltung wird von den Drag Creatures von Magic Garage begleitet, gefolgt von einer Performance der local Aliens Misz Sputnik und einem Auftritt von Pussy Riot, die mit ihrem Punk nicht nur das Patriarchat, sondern auch die Jazzit Bühne herausfordern.

Weitere Veranstaltungen im Rahmen des Jubiläumsjahres, wie ein Poetry-Slam oder eine Lesung von Mareike Fallwickl, sind geplant.

Frauennotruf Salzburg: +43662 88 11 00

Wer war Johanna Dohnal?

Johanna Dohnal war eine österreichische Politikerin und Frauenrechtlerin. Als diese war sie zwischen 1991 und 1995 die erste Frauenministerin Österreichs. Dohnal setzte sich für die Gleichstellung der Geschlechter, Frauenrechte, Gewaltschutz und soziale Gerechtigkeit ein. Sie spielte eine bedeutende Rolle bei der Einführung von Gesetzen und Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung von Frauen in der Gesellschaft. Ihre Arbeit und ihr Engagement haben dazu beigetragen, das Bewusstsein für Frauenrechte zu stärken und positive Veränderungen in der österreichischen Gesellschaft herbeizuführen.

1993 wurden Gleichbehandlungsgesetze für den öffentlichen Dienst verabschiedet; eine Frauenquote an Universitäten und in Ministerien wurde eingeführt. Mitte der 1990er-Jahre begann allerdings in Österreich nach den ersten großen Erfolgen Jörg Haiders eine konservative Wende; Dohnals Initiativen und ihre Person wurden in scharfen Kontroversen in Frage gestellt. Dohnal wehrte sich, konnte aber dem Stimmungsumschwung im Land nichts Entscheidendes mehr entgegensetzen. 1995 wurde sie von Vranitzky gegen ihren Widerstand als Frauenministerin aus der Regierung entlassen. Sie zog sich aus der Berufspolitik zurück und kandidierte für kein politisches Amt mehr.

Johanna Dohnal verstarb 2010 im Alter von 71 Jahren in der Folge bereits länger andauernder Herzprobleme.

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(Quelle: salzburg24)

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