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"Die Pilger von Mekka": Kein Glück mit Gluck

Die Premiere wurde beklatscht, findet aber nicht nur Lob seitens der Kritiker.
Veröffentlicht: 28. Oktober 2013 11:58 Uhr
Das Landestheater brachte die Türken-Klamotte von Gluck im britischen Kolonial-Stil. Gut gesungen aber von Herzen überflüssig, lautet das zweischneidige Urteil.
SALZBURG24 (Florian Gann)

Lohnt es sich, die Opern von Christoph Willibald Gluck aufs Programm zu setzen? Nach der Premiere von "Die Pilger von Mekka" am Sonntagabend im Salzburger Landestheater drängt sich kein freudiges "Ja" auf. Glucks 1764 uraufgeführte und in den Jahren darauf europaweit erfolgreiche Türkenoper ist eine Zeitgeist-Klamotte des 18. Jahrhunderts. Heute ist dem Stück höchstens mit ironischem Vergnügen an opernhaften Lächerlichkeiten beizukommen. Das Salzburger Premierenpublikum hat "Die Pilger von Mekka" wohlwollend beklatscht, aber ein durchschlagender Erfolg sieht anders aus.

Zeitlose Klischees

Es beginnt mit dem zeitlosen Klischee, dass der Orientale grundsätzlich verlogen bettelt. Das aber ist das einzig zeitlose an diesem Plot, in dem Librettist Louis Dancourt einerseits die militärische Dauer-Bedrohung durch die Türken, andererseits die in Mode, Kunst und Gesellschaft populäre Faszination des Exotischen verarbeitet hat. Eine Diskussion über Grundkonzepte von Malerei schrammt am heute Nachvollziehbaren ebenso vorbei wie die schmachtend-übertriebenen Liebesschwüre, deren Schwulstigkeit sogar im französischen Original ans Unerträgliche grenzt. Bleibt also die Musik des Meisters aus der Oberpfalz.

Gluck hat seinen Platz in der Musikgeschichte als Reformkomponist und Erneuerer der Oper. Er hat sie maßgeblich vom Korsett der Floskelhaftigkeit des italienischen Barock befreit. Als Schöpfer zeitlos gültiger Musik hat Gluck diesen Platz nicht. Seine "Pilger" klingen handwerklich makellos, ja brillant, die dramaturgische Abfolge der Tempi und Rhythmen, der Arien und Rezitative ist reibungslos. Aber auf nachhaltig inspirierte Melodien, fesselnde musikalische Energie oder zauberhafte Klang-Stimmungen wartet man vergeblich. Das sollte Mozart vorbehalten bleiben, der knapp 20 Jahre später mit seiner "Entführung aus dem Serail" den selben Stoff zu einem Monolithen des deutschen Singspiels verarbeitet hat.

Halbwahrheiten und wenig Leben

In Salzburg haben Regisseur Jacopo Spirei, Bühnenbildner Nikolaus Webern und Kostümbildnerin Bettina Richter den halben Weg in die Gegenwart eingeschlagen und ihre Türkenoper im britischen Kolonialstil auf die Bühne gebracht. Also kein orientalischer Prinz auf der Suche nach seiner vom Sultan entführten Prinzessin aus 1001 Nacht. Stattdessen schmachtet ein Schnösel mit gelackten Schuhen und Strohhut mit klassischen Reisekoffern und vielen anderen Accessoires des englischen Kultur-Exports. Den amourösen Versuchungen widersteht der Held auf einem Luxus-Dampfer Marke "Tod am Nil", Whiskeybar inklusive. Dieses Design ist weder im Geist des historischen Originals, noch ist es zeitgemäß. Aber es ist ästhetisch ansprechend und bühnentechnisch gut umgesetzt. Es wirkt ein bisschen alt, ein bisschen neu. Es funktioniert, aber es ist unverbindlich und birgt kein Risiko.

All diese Halbheiten wären halb so schlimm, wenn die Regie die Akteure zu lebendigem Spiel angeleitet und zu emotional spürbarer Interaktion inspiriert hätte. Aber das Bühnenpersonal steht meistens nur herum und schmettert ins Publikum. Wie Puppen, wie Figuren in einem Bild. Nur manchmal tun sie gekünstelt-merkwürdige Dinge, wie sich am Boden wälzen oder Radiohören. Spirei muss also gewusst haben, dass Oper auch Theater ist. Aber diesmal hat er die Verbindung seiner Regie-Ideen zum Stück nicht herstellen können.

Also doch wieder bloß die Sänger selbst. Die waren - und das ist die einzige Legitimation dieses Opernabends - überwiegend gut anzuhören. Auch wenn die rhythmische Feinabstimmung zum Mozarteumorchester (gute Tempi: Adrian Kelly) häufig noch holprig wirkte und das schlechte Deutsch der meisten Hauptdarsteller ätzte, waren es die Solisten, die den Abend (halbwegs) retteten. Sergey Romanovsky als Prinz Ali punktete vor allem im lyrisch zarten Bereich. Der Klang seines Tenors ist ausgewogen und klar, auch wenn er technisch nicht alles im Griff hatte und manche der schwierigen Passagen nur mit Kraftanstrengung bewältigen konnte. "Rezia" Laura Nicorescu war die erfreulichste Erscheinung dieses Opernabends. An ihrem nicht großen, aber klaren, sauberen und wohlkontrollierten Sopran gibt es nichts zu mäkeln. Auch der große Rest dieses Opernensembles agierte auf gutem Niveau und wurde am Premierenabend zu Recht honoriert. Am Gesamtbild dieses Abends im Salzburger Landestheater aber ist nichts zu ändern: "Die Pilger von Mekka" sind eine von Herzen überflüssige Oper.

(APA)

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(Quelle: salzburg24)

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