Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler begrüßte die Festspielschar und rief in ihrer Rede nachdrücklich zum Einsatz für ein geeintes Europa auf: "Widersprechen wir jenen, die ihre Redegewalt für europäische Untergangsszenarien missbrauchen. Investieren wir unsere rhetorische Stärke, vor allem aber unsere Tatkraft, um die faszinierende Idee eines vereinten Europas wieder voranzutreiben."
Van der Bellen: "Brauchen vereintes Europa"
Auch Bundespräsident Van der Bellen forderte Leidenschaft für Europa ohne Theaterdonner. "In der Politik möchte ich auf Blitz und Wahnsinn nicht ungerne verzichten", so Van der Bellen: "Die Gründerväter der Europäischen Union bewiesen Leidenschaft, Verantwortung und Augenmaß, als sie die Idee eines gemeinsamen, vereinten Europas praktisch umzusetzen begannen." Umso bedauerlicher sei, dass nun mit Großbritannien ein Mitgliedsstaat die Union verlasse. "Das ist ein Zeichen an der Wand. Die Vertreter des alten Kirchturm-Nationalismus, deren Weitblick gerade einmal bis zur eigenen Staatsgrenze reicht, spüren Aufwind", warnte der Bundespräsident: "Hüten wir uns vor freiwilliger Verzwergung." In beinahe jedem EU-Mitgliedsland gebe es Parteien, die Ideen alter nationaler Souveränität nachtrauerten. "Ich halte das für die politische Illusion schlechthin. Es gibt die alte nationale Souveränität in einer globalisierten Welt nicht mehr", betonte Van der Bellen: "Wir brauchen dieses vereinte Europa. Davon bin ich leidenschaftlich überzeugt."
Blümel: "Uns fehlt Zusammengehörigkeitsgefühl"
Auch Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) stellte bei seiner ersten Salzburger Festspiel-Eröffnung Europa und Europas Kunst und Kultur als Überthema über seinen Beitrag. "Ich sehe zwar keinen übertriebenen Anlass zum Pessimismus, aber ja, die Unterschiede zwischen den Ländern in Europa sind groß", so Blümel: "Was uns manchmal fehlt, ist etwas Emotionales: Ein Zusammengehörigkeitsgefühl." Und diese Bindung sei vor allem durch die Kultur zu erreichen, so Blümel, der auch als Europaminister fungiert. Insofern lasse sich Salzburg mit diesem Bestreben verbinden: "Das beste Mittel gegen Europaskepsis und Krisenbeschwörer wäre wohl, wenn sich alle Pessimisten auf die Festspiele einlassen würden."
Haslauer warnt vor "routinierter Betroffenheitskultur"
Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) erinnerte in seiner poetischen Ansprache an die Metamorphosen unserer Gesellschaft und die Frage des Vergessens in Zeiten einer Erinnerungskultur wie etwa dem heurigen Gedenken an das Ende des Ersten Weltkrieges. "Wir begehen solche Anlässe mit dem Glück der Spätgeborenen in routinierter Betroffenheitskultur, suchen Parallelen zu damals, warnen vor den Anfängen, schwören 'Nie wieder!', halten Wiederholung in Wahrheit aber für ausgeschlossen und gehen hernach zu einem leichten Mittagessen, da uns der zu hohe Cholesterinspiegel und die Kurzatmigkeit im Fitnessstudio mehr beschäftigen als die Katastrophen von damals." Die Frage sei also, ob sich die Menschheit ändere. In seinen Augen habe diese Prozess längst begonnen.
Philip Blom: Plädoyer für Emotionalität
Und auch der offizielle Festspielredner Philipp Blom verband am Ende seine Rede unter dem Titel "Wir sind alle Kinder der Aufklärung" eben diese mit einem Plädoyer für Emotionalität. So sei in Zeiten eines parodierten Aufklärungsverständnisses, das Rationalität durch Rationalisierung ersetzt habe, die Entwicklung einer neuen Aufklärung vonnöten. Diese müsse den Menschen als leidenschaftliches Wesen, als Teil der Natur und zur Empathie fähigen Primaten verstehen. Noch seien die westlichen Länder als Angstgesellschaften gefangen in ihren Dämonen: "Wir fressen uns dem eigenen Ersticken entgegen." Deshalb bedürfe es eines Paradigmenwechsels: "Was wäre, wenn eine neue, dringend gebrauchte Aufklärung mit einer Rehabilitierung der Leidenschaft beginnen würde?"
(APA)
(Quelle: salzburg24)