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Kabarettist Ingo Vogl im Sonntags-Talk über den Tod und warum man trotzdem lacht

Ingo Vogl ist seit rund 20 Jahren als Kabarettist bekannt.
Veröffentlicht: 22. Jänner 2017 15:15 Uhr
Seit knapp 20 Jahren ist der Name Ingo Vogl in Salzburg untrennbar mit dem Erfolgskabarett „G’sundheit“ verbunden. Einen Großteil seiner Zeit widmet der 46-Jährige aber dem Kriseninterventionsteam (KIT) des Roten Kreuz. Im Sonntags-Talk spricht er über seine prägendsten Einsätze und warum Lachen trotzdem wichtig ist.

SALZBURG24: Du hast in Salzburg vor zehn Jahren das Kriseninterventionsteam des Roten Kreuz aufgebaut. Was ist eure Aufgabe genau?

INGO VOGL: Ich war schon zuvor als Rettungssanitäter beim Roten Kreuz tätig und habe dann aus meinen Erfahrungen als Sozialarbeiter den Bedarf nach Krisenintervention gesehen. In Oberösterreich, der Steiermark und Tirol gab es entsprechende Teams ja bereits.

Zehn Jahre nach der Gründung sind wir in Salzburg mittlerweile 115 ehrenamtliche Mitarbeiter. Das Team ist in die Organisation vom Roten Kreuz integriert und wird bei traumatischen Ereignissen von den Einsatzkräften zu Hilfe gerufen. Das sind beispielsweise plötzliche Todesfälle oder auch wenn jemand vermisst wird. Wir sorgen für die psychologische Erstbetreuung der Angehörigen. Wir begleiten die Betroffenen in den ersten Stunden, um ein in diesem Moment unbegreifliches Ereignis begreifbar zu machen, um wieder handlungsfähig zu werden.

Bei längeren Krankheiten haben wir alle heute einen halbwegs organisierten Umgang mit dem Tod. Da ist man vorbereitet und hat einen mehr oder weniger gemeinsamen Weg des Verabschiedens. Bei unvorhersehbaren Ereignissen, wie Unfalltoden oder Suiziden, werden diese Strategien völlig unbrauchbar. Genau für solche Situationen sind die  Mitarbeiter des KIT ausgebildet.

Gibt es Einsätze, die du nicht vergessen kannst? Einer deiner ersten Einsätze war ja beispielsweise die Angehörigennachsorge bei der Kaprun-Katastrophe im November 2000.

Kaprun war für die Angehörigen eine Riesenkatastrophe, aber auch für die Helfer vor Ort sehr traumatisch. Das KIT an sich gab es damals in Salzburg noch gar nicht. Ich war dort als Rettungssanitäter vor Ort, habe mich aber relativ rasch um die Nachsorge gekümmert.

Als ich von dort nach 24 Stunden im Einsatz nach Hause gekommen bin, habe ich so genannte Belastungssymptome an mir bemerkt. Ich wusste, dass es sie gibt, kannte sie aber bislang persönlich nicht. Ich war zuvor schon lange Rettungssanitäter, habe dabei auch schon mehrere Todesfälle erleben müssen. Also warum sollte mich der Tod plötzlich überfordern? Aber auf einmal fängt man während des Essens unvermittelt zu weinen an, einfach weil plötzlich eine Erinnerung hochkommt, die einen emotional fordert. Das verblüfft im Augenblick. Wenn man aber weiß, das ist eine Art der Verarbeitung, ein Gesundungsprozess der Psyche, dann schreckt es einen weniger.

Ingo Vogl zu Besuch in der Redaktion von SALZBURG24/Schuchter Salzburg24
Ingo Vogl zu Besuch in der Redaktion von SALZBURG24/Schuchter

Wie schaffst du es, das Leid, das du bei deinen Einsätzen siehst, selbst zu verarbeiten?

Um die psychische Belastung für unsere Mitarbeiter möglichst gering zu halten, haben wir teamintern ein sehr engmaschiges Netz. Durch unsere Ausbildung können wir zwar mit vielen Situationen recht gut umgehen, aber wenn es persönliche Bezüge gibt, kann das schon mal etwas schwierig werden.

In meinen Fall war das zum Beispiel ein Einsatz, wo ein Kind ertrunken ist, das zu dem Zeitpunkt gleich alt war wie mein Sohn. Das berührt einen natürlich ganz anders. In solchen Situationen muss man ganz bewusst auf sich selbst schauen und die Unterstützung von Kollegen annehmen. Auch das muss man lernen. Ich genieße es dazu unendlich, mein Hobby und diesen diametral dazu stehenden Beruf als Kabarettist zu haben. Darin finde ich einfach einen sehr guten Ausgleich. Ich will es aber nicht zu sehr vermischen.

Braucht es dennoch manchmal etwas Humor, oder in deinem Fall Kabarett?

So wie auch ein Kabarett ruhigere, emotionale Aspekte hat, braucht es auch in tragischen Situationen manchmal ein Lächeln. Gerade Angehörige schreckt es oft, wenn sie schon kurz nach dem Tod eines geliebten Menschen wieder lächeln können oder etwas lustig finden. Das ist aber ein wesentlicher Punkt des Verarbeitungsprozesses. Bei Emotionen liegen das Hoch und das Tief ganz nah beieinander. Jeder Mensch braucht von dramatischen Situationen Pausen. Erwachsene gestehen sich das oft nicht ein. Kinder sind uns da um Längen voraus. Bevor sie das Geschehen überfordert, ziehen sie sich aus der Situation zurück – sie gehen spielen oder machen einfach etwas Lustiges. Wenn sie wieder soweit sind, kommen sie zurück. Für viele Erwachsene wirkt das aber befremdlich, oder einfach unpassend. Dabei ist es genau richtig und sehr wichtig.

Ingo Vogl hat vor nunmehr zehn Jahren das Kriseninterventionsteam in Salzburg aufgebaut./Rotes Kreuz Salzburg Salzburg24
Ingo Vogl hat vor nunmehr zehn Jahren das Kriseninterventionsteam in Salzburg aufgebaut./Rotes Kreuz Salzburg

Einem größeren Publikum bist du bereits durch dein Kabarettprogramm rund um “Rauchen, Saufen, Fressen, Sex und Drogen” bekannt. Wie oft stehst du nach knapp 20 Jahren noch mit „G’sundheit“ auf der Bühne?

Ich spiele nach wie vor zwischen 80 und 100 Veranstaltungen pro Jahr. Allerdings nicht mehr nur in Salzburg, sondern im gesamten deutschsprachigen Raum. Der nördlichste Auftritt in meiner Karriere war beispielsweise Hamburg, der südlichste Bozen, der westlichste Luzern und der östlichste Bratislava.

Wie viele Menschen haben „G’sundheit“ bisher gesehen? Hast du da noch einen Überblick?

Mit dem Programm bin ich ja seit 1999 in Salzburgs Schulen unterwegs. So kommen wir mittlerweile auf über 2.000 Veranstaltungen und über 140.000 Schüler. Aber auch vor zahlreichen Erwachsenen habe ich das Programm schon präsentiert, natürlich mit ein paar Änderungen. Aber im Grunde sind es ja dieselben Themen, nur das darf man den Erwachsenen nicht sagen (schmunzelt).

youtu.be

Hat sich im Laufe der Zeit etwas an den Themen bzw. dem Publikum verändert?

Schon auch, aber bei Weitem weniger als man das medial wahrnehmen oder vermuten würde. Vor allem aus meiner Sicht als Rettungssanitäter kann ich zum Beispiel nur sagen „G‘soffen is‘ immer wordn, und das nicht wenig“. Es ist keinesfalls so, als hätte die heutige Jugend das Komasaufen erfunden. Die Probleme und auch psychischen Belastungen haben sich im Grunde nur geringfügig geändert. Was sich aber geändert hat, ist, dass man heute viel mehr hinschaut und Tabuthemen anspricht. Das halte ich persönlich für sehr wichtig.

Machen wir zum Abschluss noch einen Sprung zu den Anfängen deiner Karriere. Wie wird man eigentlich Kabarettist? Kannst du dich noch an deinen allerersten Auftritt erinnern?

Den Startschuss hat im Grunde ein sehr guter Freund von mir gegeben, nämlich Thomas Schuster (Leiter des Vereins Spektrum, Anm.). Er hat damals – ich war etwa 20 Jahre alt – zu mir gesagt: „Ingo, du musst Kabarettist werden.“ Anfangs habe ich es für eine Schnapsidee gehalten. Ich habe mich aber zu einem gemeinsamen Auftritt im Kleinen Theater in Salzburg überreden lassen. Da gab es damals das Angebot „Die Maske“. Da konnte jeder einfach auf die Bühne und sich präsentieren.

Ich war furchtbar nervös, nach einer Stunde Programm hatte ich immer noch zittrige Finger. Aber ich bin am Ende von der Bühne heruntergekommen und hab mir nur gedacht: „Das ist so lässig, das ist mein Job.“ Es war also nicht so, als wäre ich schon als Kabarettist geboren. Aber rückblickend gibt’s schon ein paar Dinge, die darauf hingedeutet haben. Etwa, dass ich als 13-Jähriger die Lieder von Georg Kreisler auswendig gekannt habe.

Lieber Ingo, wir sagen vielen Dank für das nette und auch sehr persönliche Gespräch mit dir. Zum Schluss haben wir noch ein paar schnelle Fragen parat.

Hast du denn einen Lieblingsplatz in Salzburg?

Da gibt es eigentlich sehr viele Plätze. Ich gehe sehr gerne in unsere Gärten, vor allem jene mit Kaffeebedienung (lacht). Zum Zurückziehen und zum Kraft sammeln sind es aber definitiv unsere Berge – egal zu welcher Jahreszeit. So ein Naturerlebnis vor unserer Haustüre zu haben, ist einfach ein Traum. Am Produktivsten bin ich komischerweise im Zug. Ich fahre wirklich gerne mit der Bahn.  Das trifft sich natürlich mit meinen Engagements als Kabarettist sehr gut.

Stadt oder Land? Stadt

Fahrrad oder Auto? Fahrrad

Berge oder Strand? Berge

Frühaufsteher oder Langschläfer? Tatsächlich sehr gern Frühaufsteher.

Sportlich oder gemütlich? Sportlich

Salzburger Nockerl oder Wiener Schnitzel? Beides hatte ich seit Jahren nicht mehr. Beim Essen halt ich es wie mein Sohn: Am liebsten Sushi.

 

Jeden Sonntag veröffentlichen wir ein Interview mit besonderen Menschen aus Salzburg – egal ob prominent oder nicht. Wir freuen uns über eure Vorschläge an: nicole.schuchter@salzburg24.at

(Quelle: salzburg24)

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