Ein Mann stirbt an Aids, während sein einziger Freund die Stadien der Krankheit beschreibt – von nächtlichen Schweißausbrüchen bis hin zum Tod. Diese Geschichte erzählt „The Man with Night Sweats“. Von einem Jungen, der in der Schule homophobes Mobbing erfährt und sogar zur Essensverweigerung getrieben wird, handelt „Comfort Starving“. Beide Monoopern stammen aus der Feder des britischen Komponisten Iain Bell. Am 5. September werden beide Werke, die queere Themen behandeln, erstmals in Österreich gezeigt. Nicht nur die Inhalte mögen ungewöhnlich erscheinen, sondern auch die Location. Die Premiere findet in der Kollegienkirche in der Stadt Salzburg statt.
Aids-Krise als "Urtrauma"
„Es war für mich Liebe auf den ersten Blick bei den beiden Werken. Es sind Themen, die auf der Opernbühne seltenst verhandelt werden“, sagt Konstantin Paul von der Salzburger Kammeroper, der für die Regie der Inszenierung zuständig ist, im SALZBURG24-Interview. Warum aber wurden genau diese Inhalte gewählt? Einerseits sei die Aids-Krise der 80er-Jahre etwas wie ein „Urtrauma“, das in der queeren Community schlummert, erklärt der 26-Jährige – auch wenn die heutige Situation mit HIV eine ganz andere sei als damals. „Die Urangst von damals ist immer noch da.“
Die Monooper basiert auf einem Gedichtzyklus von Thom Gunn, der in den USA diese Krise hautnah miterlebt hat, führt Paul weiter aus. „Mit der Musik von Iain Bell zusammen wird es eine wahnsinnig berührende Geschichte, ein Blick zurück und ein Erklären, warum dieses Trauma heute noch existiert.“
Queer Opera thematisiert Essstörungen
Etwas anders ist der Hintergrund bei „Comfort Starving“. Essstörungen seien generell in der Gesellschaft ein Tabu. Auf der Opernbühne werde die Problematik nie behandelt. Hinzu kommt die Anspielung auf Homophobie in der Schule – ein nach wie vor aktuelles Thema. Der Regisseur beschreibt die Queer Opera zusammenfassend als einen Abend mit einem Blick zurück und ins Heute. Beide Werke sind je für einen Sänger konzipiert und werden von einem Klavier begleitet.
Dass der Mix aus szenischem Liederabend und Opernvorstellung im Mittelkreis einer Kirche stattfindet, ist für Gordon Safari, zuständig für die musikalische Leitung, zudem etwas Besonderes. „Es ist einzigartig, dass man einen Sakralraum thematisch derart frei bespielen kann. Das bringt einen ungeheuren Wert für diese Stadt. Weil es im katholischen Kontext durchaus brisante Themen sind, ist die Freude umso größer.“

Oper altmodisch und verstaubt?
Eine Herausforderung, die zugleich am meisten Freude gebracht hätte, sei die Umsetzung der klaren musikalischen Vorstellung des Komponisten gewesen, erinnert sich Paul an die Vorbereitungen. Das Vorurteil, dass die Oper etwas Altmodisches oder Verstaubtes sei, wolle die Kammeroper aus dem Weg schaffen. Safari ist wichtig, in diesem Zuge für queere Themen zu sensibilisieren. Das soll aber in einer Art und Weise geschehen, wie es keine Dokumentation oder Informationsveranstaltung auf der Sachebene schaffen kann, erklärt er. Zudem sei das Pride Festival in Zusammenarbeit mit der HOSI Salzburg, in dessen Rahmen die Queer Opera stattfindet, eine Gelegenheit, um mit Menschen aus unterschiedlichen Berufsfeldern und Lebenssituationen ins Gespräch zu kommen – zum Beispiel nach einer solchen Vorstellung.
„Ich glaube, das Salzburger Publikum wird häufig unterschätzt und freut sich über neue Ansätze und neue Experimente. Zu Experimenten kann auch dazugehören, dass sie nicht funktionieren. Aber ich glaube, das Publikum freut sich zu schauen, was dabei herauskommt“, gibt Regisseur Konstantin Paul einen Ausblick.
(Quelle: salzburg24)