250 Personen haben gemeinsam im Rahmen eines Beteiligungsprozesses am neuen Sozialleitbild 2035 der Stadt Salzburg gefeilt. Mit dabei waren Vertreter:innen aus Verwaltung, Soziallandschaft und Politik sowie Bürgerinnen und Bürger. Die gemeinsam erstellte Vision wurde am Donnerstag präsentiert. Sie soll als Kompass für die Umsetzung von künftigen Projekten dienen und zeigt auf, an welchen Stellen es Handlungsbedarf gibt.
Eine Salzburgerin, die an einer der Veranstaltungen für Bürgerinnen und Bürger im Stadtteil Lehen teilgenommen hat, ist Heidemarie Stelzer. Aber warum hat sie sich überhaupt dazu entschieden? „Ich habe es als spannend empfunden, weil dort junge und ältere Menschen zusammengekommen sind. Es waren ganz viele verschiedene Blickwinkel und Prioritäten. Ich fand es gut, dass versucht wurde, verschiedene Menschen aus der Gesellschaft einzubinden“, erklärt die 64-Jährige im SALZBURG24-Gespräch am Donnerstag.
"Verhärtete Fronten aufbrechen"
Stelzer wohnt im Stadtteil Itzling. Dort sei ihr aufgefallen, dass sich „Parallelgesellschaften“ bilden und sich ein gewisses Schubladendenken durchsetzen würde. „Die Fronten verhärten sich immer mehr. Ich glaube, dass die Stadt Salzburg viel Geld in die Hand nehmen oder sich etwas einfallen lassen muss, um diese Fronten wieder etwas aufzubrechen.“ Die Pensionistin ist der Meinung, dass es ein gegenseitiges Kennenlernen braucht, um mehr Verständnis füreinander zu schaffen. Sie nennt ein konkretes Beispiel: „Wenn man Nachbarn hat, die zum Beispiel recht laut sind, ist man viel toleranter, wenn man sie kennt und sie einem sympathisch sind.“
Auch das Thema Wohnen beschäftigt die 64-Jährige, erzählt sie. Sie sei lange Zeit in der Frauen- und Scheidungsberatung tätig gewesen. Deshalb wisse sie, dass es sich manche Frauen finanziell nicht leisten können, auszuziehen, weil der Wohnraum fehlt. „Oft müssen sie dann in Beziehungen bleiben, obwohl es ihnen richtig schlecht geht.“ Sie wünscht sich mehr leistbaren Wohnraum – besonders für Frauen und Alleinerziehende.
Sozialleitbild 2035 im Überblick
Insgesamt umfasst das Sozialleitbild neun grobe Themenbereiche. Diese hätten sich im Prozess herauskristallisiert, führt Projektleiterin Isabel Bojanovsky aus. Hier findet ihr einen Überblick.
Begegnung: Mit dem Ausbau von Bewohnerservice-Stellen, interkulturellen Festen und Events in den einzelnen Stadtteilen sollen der Austausch und das Miteinander gefördert werden.
Diversität und Vielfalt: Neben Events wie dem „Monat der Vielfalt“, den es schon seit über zehn Jahren gibt, sollen mehrsprachige und/oder kostenlose Beratungsangebote oder Workshops für Gleichberechtigung sensibilisieren.
Gewaltschutz: Das Projekt „StoP – Stadtteile ohne Partnergewalt“ gibt es bereits in Liefering, Lehen und Salzburg-Süd, in Itzling und der Elisabeth-Vorstadt soll es bald so weit sein. Danach soll das Projekt flächendeckend ausgerollt werden.
Information und Kommunikation: Im Erstellungsprozess sei aufgefallen, dass es eine Lücke zwischen Angeboten und der Bevölkerung gibt. Künftig sollen sämtliche Informationen und Formulare vermehrt in einfacher Sprache und mit Piktogrammen gestaltet werden, damit sie leichter verständlich sind.
Nachhaltigkeit und Klima: Gerade Menschen in dicht besiedelten Gebieten bekommen die Folgen des Klimawandels – zum Beispiel durch steigende Hitzeentwicklung in den Sommermonaten – besonders zu spüren. Geplant ist weitere Begrünung. Leih-Klimatickets, die es jetzt seit einem Jahr gibt, sollen auch in Zukunft erhältlich sein. Diese gibt es in den Bewohnerservice-Stellen und können gratis bis zu drei Tage genutzt werden.
Partizipation und Teilhabe: Neue Beteiligungsformate und Jugendprojekte sollen den Menschen ermöglichen, sich politisch und gesellschaftlich bei Entscheidungen einzubringen. Beim Jugend-Festival funktioniere das bereits gut. Zuschauer:innen können per Voting abstimmen, welche Musikerinnen und Musiker oder DJs auf der Bühne stehen sollen. Weitere Ideen für mehr Jugendbeteiligung wurden für die erste Hälfte des heurigen Jahres angekündigt.
Soziale Arbeit und Gesundheit: Mobile Pflegedienste sollen angesichts des massiven Fachkräftemangels gefördert werden. Das gilt auch für Demenzberatung und Besuchsdienste für Senior:innen sowie sozialpädagogische Programme für Kinder aus Trennungsfamilien.
Sozial- und Lebensraum: Konsumfreie Aufenthaltsräume sind geplant, genauso wie neue Spielplätze. Gerade Jugendliche hätten bei den Gesprächen zudem angegeben, dass sie sich zwar gerne in der Altstadt aufhalten würden, es dort aber an Sitzgelegenheiten fehle und sie sich oft nicht erwünscht fühlen.
Wohnen: Neben verstärkter Beratung für Mieter:innen sollen Unterstützungsangebote wie der Kautionsfonds, der vergangene Woche ausgeweitet wurde, leistbares Wohnen fördern.
Bedürfnis nach Austausch und Begegnung
Insgesamt hat das Projekt-Team der Stadt 1.400 Stunden investiert. Zwischen Herbst 2023 und Sommer 2024 brachten die Salzburgerinnen und Salzburger in 21 Veranstaltungen ihre Perspektiven ein. Bei den verschiedenen Terminen und Gesprächen sei herausgekommen, dass viele Menschen in der Stadt Salzburg das Bedürfnis nach Begegnung und sozialem Austausch haben, fasst Isabel Bojanovsky zusammen. „Es ist durch die Isolation während der Corona-Zeit auch voll verständlich. Jetzt geht es darum, dass sich verschiedene kulturelle Gruppen, aber auch Menschen unterschiedlichen Alters, wieder annähern.“
In fünf Jahren ist eine Evaluierung geplant, um zu sehen, in welchen Bereichen die Pläne weiterverfolgt, gestrichen, angepasst oder ergänzt werden müssen. Welche Kosten bei all den Vorhaben insgesamt entstehen würden, wurde laut Bojanovsky nicht explizit herausgerechnet. Wie viele Mittel für welche Projekte freigegeben werden, wird über das Budget festgelegt.
Welche Wünsche habt ihr für das Zusammenleben in der Stadt Salzburg? Tauscht euch gerne in den Kommentaren aus!
(Quelle: salzburg24)