Erhebliche Missstände in der Salzburger Pflegeheim-Aufsicht ortet die Volkanwaltschaft: Bei einer unangekündigten Kontrolle Ende April 2022 fand die zuständige Kommission in einem Salzburger Pflegeheim überlastetes Personal und eine schmerzgeplagte Bewohnerin, die nur mehr 42,5 Kilo wog und bereits so wundgelegen war, dass durch die offene Wunde der Steißknochen frei zu sehen war und sich Fäulnisgeruch verbreitete.
"Die Kommission stufte die Situation [...] als lebensbedrohlich ein und befürwortete einen sofortigen Transfer in eine Krankenanstalt. Wie die Kommission später erfuhr, verstarb Frau N.N. kurze Zeit nach dem Kommissionsbesuch."
Kommission ortet "gefährliche Pflege"
Medienberichten zufolge befindet sich das Pflegeheim in Salzburg-Lehen – erst heute wurden die Missstände öffentlich. "Die Kommission sah darin bereits 'gefährliche Pflege', sowohl anonyme als auch namentlich gezeichnete Beschwerden über dieses Heim gab es zuhauf – und trotzdem war das Vorgehen der Aufsichtsbehörde – freundlich gesagt – sehr zurückhaltend“, sagt Volksanwalt Bernhard Achitz: "Verbindliche aufsichtsbehördliche Maßnahmen wurden nicht gesetzt", wie es in einer Mitteilung der Volksanwaltschaft am Donnerstag heißt.
Salzburger Landesrat nimmt Stellung
Im "Ö1-Morgenjournal" wehrte sich Salzburgs LH-Stv. Heinrich Schellhorn (Grüne) am frühen Donnerstagmorgen. Zwar räumte er den Personalmangel ein, sagte aber auch, dass bereits ein Aufnahmestopp vereinbart und die Anzahl der Bewohner:innen reduziert wurde. Demnach wurden sie in andere Wohnhäuser in der Stadt Salzburg verteilt. Außerdem habe man bereits eine neue Heimleitung installiert. "Wir schauen uns die Prozesse an, die Heimaufsicht ist dran. Es wurden Empfehlungen und Vereinbarungen ausgesprochen", so Schellhorn.
Mittlerweile ermittelt die Salzburger Staatsanwaltschaft in der Causa.
Volkanwaltschaft fordert bundeseinheitliche Regeln
Nach dem Kommissionsbesuch habe erneut ein Besuch der Heimaufsicht stattgefunden, "bei dem hauptsächlich kritisiert wurde, dass Wohnräume und Nasszellen nicht ordentlich geputzt worden seien", begründet Volksanwalt Achitz, warum das Kollegium der Volksanwaltschaft einstimmig eine Missstandsfeststellung beschlossen hat. "Aufsichtsbehörden müssen kontrollieren, ob die Pflege angemessen und menschenwürdig durchgeführt wird", fordert Achitz.
Professionelle Pflegediagnosen und eine Evaluierung der Wirksamkeit hätten bei Bewohnerinnen und Bewohnern weitgehend gefehlt. Das habe die Kommission zur Feststellung veranlasst, dass inzwischen von "gefährlicher Pflege" ausgegangen werden müsse.
Unzulänglichkeiten in der Pflege
Auch die Salzburger Landesregierung habe im Rahmen ihrer Aufsichtsbesuche im Jahr 2021 sowie 2022 Defizite im Bereich der Dokumentation und des Umgangs mit Schmerz- und Mangelernährung festgestellt und erkannte Unzulänglichkeiten im Pflegeprozess. Die Aufsichtsorgane hätten zwar Empfehlungen zur Qualitätsverbesserung ausgesprochen, wiesen den Heimbetreiber aber offenbar explizit daraufhin, dass die Beseitigung ausschließlich in dessen Eigenverantwortung liege und die Umsetzung nicht weiter von der Aufsichtsbehörde verfolgt würde.
Laut Landesregierung würde es eine Kompetenzüberschreitung der Aufsichtsbehörde darstellen, verbindliche Vorgaben zur inhaltlichen Ausgestaltung der Pflege zu erteilen. Die Volksanwaltschaft sieht das allerdings anders, so Achitz: "Aufsichtsbehördliche Kontrollen müssen darauf abstellen, ob durch pflegerische Interventionen Selbstbestimmtheit, Lebensqualität und Gesundheit von Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern erhalten, Krankheiten vermieden und vermeidbares Leiden durch eine professionelle Versorgung verringert werden."
Situation verschlimmerte sich weiter
Im Juni 2022 erreichte ein anonymes Schreiben die Volksanwaltschaft, das von einem Teil des Heimpersonals stammen dürfte. Darin wurde berichtet, dass die (personelle) Situation seit dem letzten Kommissionsbesuch noch prekärer sei, sowohl im Nacht- als auch im Tagdienst regelmäßig Pflegepersonal fehle. Man sehe keine Möglichkeit mehr, die Bewohnerinnen und Bewohner adäquat zu versorgen. Eindringlich wurde um Unterstützung ersucht.
Auch Pflegeminister Johannes Rauch (Grüne) sei laut Volksanwaltschaft nun gefordert: "Um hochwertige Pflege sicherzustellen, braucht es bundeseinheitliche Regelungen für qualitative Mindeststandards sowie bundeseinheitliche Maßstäbe für die Aufsichts- und Kontrolltätigkeit der Länder." Diese hat auch bereits der Rechnungshof eingemahnt.
Inzwischen wurden dem Heimträger von der Landesregierung zumindest Vorgaben gemacht, wonach angesichts der prekären Personalsituation bis Ende August 2022 etliche Bewohnerinnen und Bewohner in andere Einrichtungen verlegt werden müssen.
(Quelle: salzburg24)