Kritische Öffentlichkeit?

Was die Teilnehmer der Corona-Demos eint

Corona-Demo am Sonntag in der Stadt Salzburg. 
Veröffentlicht: 19. Oktober 2020 15:09 Uhr
Nach Corona-Demos in mehreren Städten und zuletzt auch in Salzburg stellt sich für viele vor allem eine Frage: Wer demonstriert hier genau wogegen? Wir haben uns mit Marius Hellwig, Rechtsextremismusforscher und Experte für Corona-Demos, über die unterschiedlichen Gruppierungen unterhalten.

In der Stadt Salzburg ging am Sonntag die erste Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung über die Bühne. Veranstaltet wurde die Kundgebung vom Verein für "Heimatpflege, Kultur und Friedensbewegung". Im umfassenden Programm wurden verschiedenste Themen angesprochen, darunter die geltenden Maßnahmen, aber auch 5G oder die 380-kV-Leitung. Doch auch Teilnehmer der rechtsextremen Szene sorgten für Aufregung, wie die Plattform gegen Rechts mitteilte.

IMG_6666.JPG Marius Hellwig
Marius Hellwig ist Referent für Rechtsextremismus im ländlichen Raum bei der Amadeu Antonio Stiftung.

Mit diesem Mix aus Themen und Teilnehmern führt die Kundgebung in Salzburg den aktuellen Trend der Corona-Demos in Österreich und Deutschland fort, zeigt ein Interview mit Marius Hellwig.

SALZBURG24: Kritik an den Corona-Maßnahmen, Impfpflicht, 5G, Esoterik und Verschwörungstheorien: Herr Hellwig, wie passen all diese Themen zusammen?

MARIUS HELLWIG: Ich glaube, genau in diesem Punkt der Verschwörungstheorien. Es wird eine Demo angemeldet, die sich zuerst einmal gegen die Corona-Maßnahmen richtet. Und dann wird der 5G-Ausbau kritisiert oder es wird über Impfpflicht geredet, teilweise geht es auch in Richtung der QAnon-Verschwörung. Da sieht man, das ist ein ziemliches Gemisch aus Theorien und Leuten, die da zusammenkommen. Und das ist tatsächlich rein logisch nicht miteinander in Einklang zu bringen. Es gibt inhaltlich oftmals keine großen Bezüge zum Coronavirus, aber das steht alles im Vorzeichen von "schaut, das wird uns vorenthalten. Darüber berichten die Medien nicht, das wird nicht von unseren Politikern behandelt, oder unsere Politiker stecken hier mit drin". Das sind die Grundvoraussetzungen, um diese Themen miteinander zu verhandeln.

Der kleinste gemeinsame Nenner all dieser Gruppierungen ist also die Kritik an den Corona-Maßnahmen?

Ja, ganz genau. Das ist Grund, viele Leute zu mobilisieren. Die Verschärfung der Maßnahmen bringt bei manchen Personen negative Gefühle wie Unsicherheit und Angst, was die eigene Zukunft angeht. Das ist natürlich mobilisierungsfähig. Das haben auch rechte Parteien und rechte Gruppierungen schon recht früh erkannt.

Die politische Rechte ist bei diesen Demos häufig vertreten. Woher kommt dieser grundsätzlich rechte Einschlag?

Zum einen würde ich sagen, dass das gute strategische Gründe hat, dass sich Rechte und gerade Rechtspopulisten in den letzten Jahren immer als die Stimme des einfachen Mannes inszeniert haben. Sie sind immer wieder auf Protestbewegungen aufgesprungen und haben sich in vermeintliche Opposition zur herrschenden Politik gestellt. Man kann das sehr einfach spielen im Sinne von "wir sind auch dagegen, das sind die Eliten, die da über unser Schicksal bestimmen". Das funktioniert einfach von der Rhetorik her sehr gut.

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Indem man die Entwicklung herunterspielt, schafft man also für sich selbst Sicherheit?

Ja. Es ist ja an sich auch keine angenehme Situation, dass man sich eingesteht, dass man verletzlich und gefährdet ist. Da muss man eben erst mal damit umgehen. Und da kann man sich souverän und stark machen, indem man sagt, ich weiß doch, dass das alles Quatsch ist.

Welche Rolle spielt die Esoterik bei diesen Corona-Demos?

Die Theorien, die behandelt werden, sind an sich sehr stark esoterisch geprägt. Aus heutiger Sicht ist der Blick auf Esoteriker eher spirituell. Das ist aber tatsächlich eher ein relativ junges Phänomen aus dem links-grünen-alternativem Umfeld. In der Anfangszeit, gerade zum Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts hatten völkische Ideologien einen sehr viel größeren Einfluss auf die Esoterik. Der naturgläubige Gedanke war sehr stark vertreten, der mit einer Blut-und-Boden-Ideologie gut zusammenpasst. Durch das Leben im Einklang mit der Natur, durch die vermeintlich arteigene Religiosität bleibt das Volk rein, und es muss sich rein halten gegen äußere Einflüsse. Das ist in der Esoterik tatsächlich immer schon sehr stark dagewesen.

Ist dieses Demo-Bündnis der unterschiedlichen Gruppierungen von Dauer, oder zerfällt es mit Ende der Pandemie wieder in seine Einzelteile?

Das ist etwas, das in den nächsten Wochen interessant sein wird, inwiefern es noch zu einer Mobilisierung kommen könnte. Ich glaube tatsächlich, dass viele Leute, die bei großen Demos – in Salzburg war das ja keine enorme Gruppe – aus Unzufriedenheit und Neugier erstmal mitgelaufen sind, da vielleicht auch erst mal eher abgeschreckt wurden.

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(Quelle: salzburg24)

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