Der heiße Dampf von frisch gebrühtem Kaffee steigt in die Nase. Er riecht herrlich süß nach Frucht. „Wie wenn man Marmelade einkocht“, beschreibt Barista Brent Nicoll den Geruch freudestrahlend. Er hält uns beim S24-Lokalaugenschein am Mittwoch lächelnd eine Tasse des dampfenden Getränks unter die Nase. Wir probieren einen Schluck des Schwarzen Goldes – und schmecken: Litschi!

Salzburger serviert Kaffee vom Weltmeister
Brent Nicoll ist Inhaber des neuen Cafés „Ratio Coffee“ in der Linzer Gasse in der Salzburger Innenstadt. Der Australier serviert dort sogenannten Spezialitätenkaffee. Das ist professionell hergestellter und bewerteter Kaffee, der auf einer Skala von 0 bis 100 mindestens 80 Punkte erreicht und in der Regel ohne Milch und Zucker getrunken wird. So einen haben wir gerade gekostet – und nicht nur irgendeinen: Nicoll hat uns Bohnen von Felix Kaffee aus St. Pölten serviert. Röster Felix Teiretzbacher wurde diesen Sommer zum Weltmeister im Kaffeerösten gekürt – als erster Österreicher überhaupt.
„Ratio Coffee“ neu in Salzburg
Ein Blick durch das moderne, hell eingerichtete Café genügt, um schnell zu wissen: Hier stehen Kaffee und die Zubereitung im Vordergrund. Kaffeeliebhabende können sich mit allerlei Equipment – von Filter über Kaffeemühle bis zum Wasserkocher – rund ums Schwarze Gold eindecken, Kaffeebohnen werden ebenso verkauft. Für den kleinen Hunger gibt es selbstgemachte Kuchen – je einer vegan, der andere glutenfrei.
Wer vergleicht Kokosnüsse mit Trauben?
Dass es den Australier aus Melbourne gerade nach Salzburg verschlagen hat, ist der Liebe geschuldet. Nicoll lernte beim Backpacking durch Europa seine heutige Frau in der Mozartstadt kennen. Nun bedient er mit Specialty Coffee eine Schiene fernab der traditionellen österreichischen Kaffeehauskultur. „Ich finde, Österreich hat eine tolle Kaffeehaustradition“, betont Nicoll, „aber der Kaffee selbst spielt dabei eine untergeordnete Rolle.“
Ins selbe Horn stößt auch John Arild Stubberud. Der Norweger ist anerkannter Fachmann und Kaffee-Juror, der auf der Suche nach der perfekten Tasse Kaffee die ganze Welt bereist. In Salzburg führt der Barista als Inhaber das „Kaffee Alchemie“ am Rudolfskai. Dort bietet auch er Spezialitätenkaffee an. „Wer uns mit traditionellen Kaffeehäusern vergleicht, vergleicht Äpfel mit Birnen oder sogar Kokosnüsse mit Trauben“, unterstreicht Stubberud beim S24-Lokalaugenschein in seinem Café, in dem ein buntes Möbelpotpourri, zahlreiche Pflanzen und viel Liebe zum Detail für Wohnzimmer-Atmosphäre sorgen. „Traditionelle Cafés servieren traditionellen Kaffee. Wir versuchen uns auf das zu fokussieren, was in der Kaffeetasse ist. Wir arbeiten daran, dass jede Tasse Kaffee exzellent ist.“

Was ist Specialty Coffee?
Doch woran erkenne ich nun Specialty Coffee und was zeichnet diesen aus? „Ich vergleiche das immer mit einer Haube, die Restaurants verliehen bekommen. So ist es auch mit Specialty Coffee“, erklärt Nicoll näher. Denn: „Viele Menschen glauben: Kaffee ist Kaffee.“ Aber das stimme so nicht: „Ich frage Menschen, die so etwas sagen, immer nach ihrem Hobby. Erklären sie mir dann beispielsweise, dass sie gerne Fotografieren und dafür eine eigens angeschaffte, teure Kamera verwenden, sage ich ihnen: Siehst du: Genauso ist das mit Kaffee.“
Am Anfang war die Bohne
Für richtig guten Kaffee beginnt die Reise zunächst bei der Bohne. „Viele Kund:innen wissen nicht, dass wir andere Kaffeebohnen verwenden als andere Kaffeehäuser. Sie glauben, wir haben vielleicht die besseren Baristas. Aber nein: Alles beginnt mit der Bohne“, unterstreicht auch Stubberud. Er sucht wie Nicoll daher den direkten Kontakt mit den Farmer:innen, besucht diese vor Ort und sieht, wie die Bohnen angebaut werden. Faire Entlohnung für die Farmer:innen sei ebenso ein Thema.
So erkennt ihr eine gute Röstung
Ist die Bohne erst einmal geerntet und getrocknet, geht es ans Rösten. Was hier wichtig ist, verrät Barista und Wahlsalzburger Paul Marsden, der aktuell an seiner eigenen Röstung arbeitet, im S24-Gespräch: „Beim Rösten versuche ich die Geschmacksessenz der Kaffeebohne herauszuarbeiten. Dabei werden die Bohnen erhitzt, bis sie braun sind.“ Marsden röstet ausschließlich Arabica-Bohnen, die im Gegensatz zu Robusta eine größere Geschmacksvielfalt bieten. Wichtig ist der richtige Röstgrad: „Sind die Bohnen zu dunkel, schmecken sie verbrannt, sind sie zu hell, schmecken sie sauer.“ Auf die Farbe der Bohnen könne man auch als Laie beim Kauf achten.

Der Geschmack der Bohnen kann beim Rösten nur mehr geringfügig verändert werden: „Es gibt ein kleines Fenster, in dem ich die Süße oder Säure des vorhandenen Geschmackes anpassen kann“, erklärt der Röster. Ist der Kaffee geröstet, wird er zehn bis 20 Tage gelagert. In dieser Zeit verlieren die Bohnen CO2, das dem Kaffee einen unerwünschten Geschmack verleihen würde. Erst nach dieser Zeit können die Bohnen zu Kaffee verarbeitet werden.
It’s all about the ratio!
Handelt es sich um Specialty Coffee, wird dieser in der Regel als Filterkaffee zubereitet. Auch hier sind mehrere Kriterien zu beachten: „Entscheidend in der Kunst das Kaffeemachens ist ‚the ratio‘ (englisch: Mischverhältnis, Anm.)“, betont Brent Nicoll, der so auch die Namensgebung für sein Café erklärt. „Das Verhältnis von Kaffee zu Wasser ist genauso wichtig wie der Mahlgrad der Bohne, die Wassertemperatur und die Zeit, in der der Kaffee durchrinnt.“ So enthält das Salzburger Leitungswasser beispielsweise zu viel Calcium, sodass dieses gefiltert werden muss. Im richtigen Zusammenspiel aller Komponenten entsteht der perfekte Kaffee. „Und das versuchen wir bei jeder Tasse zu schaffen.“
1-Euro-Steak und fehlendes Wissen
Dass der Fokus auf das Schwarze Gold in den heimischen Traditionskaffeehäusern oft zu kurz komme, überrascht den Australier Nicoll – der einst selbst für Stubberud gearbeitet hat – indes: „Österreich hat in puncto Essen und Trinken das Beste vom Besten: Käse, Fleisch, Mehlspeisen. Wenn ich hier jemandem ein Filetsteak um 1 Euro aus dem Supermarkt vorsetze, wird er oder sie das wahrscheinlich nicht essen wollen.“ Bei Kaffee sei das hingegen anders: „Hier werden der Preis oder die Zubereitung interessanterweise nicht hinterfragt.“
Diese These unterstreicht auch Stubberud: „Obwohl es ein so beliebtes Getränk ist, wissen die meisten Menschen zu wenig über Kaffee.“ Dabei hätten sie eine recht genaue Vorstellung, wie dieser am besten schmecken soll: „Viele Menschen mögen den Kaffee so, wie sie ihn immer trinken. Daher sind sie oft sehr genau in ihren Wünschen und sind gleichzeitig wenig offen für Neues“, betont der Norweger.
Wie Kaffee schmecken kann
Allerdings nimmt Barista Nicoll ein Umdenken wahr: „Gerade bei den jungen Menschen in Salzburg habe ich das Gefühl, dass sie offen für neue Kaffee-Erfahrungen sind.“ Und diese mache man in Cafés wie dem „Kaffee Alchemie“ oder „Ratio Coffee“: „Viele Kunden, die Specialty Coffee probieren, können nicht glauben, wie Kaffee plötzlich nach Frucht schmecken kann und dass eine geröstete Bohne so unterschiedliche Geschmacksnoten hervorbringt. Wir haben gerade einen Kaffee da, der nach Limette und Apfel schmeckt, er ist süß und sauer zugleich,“ erklärt Stubberud. Gerade die große Bandbreite an Geschmäckern macht den Specialty Coffee aber aus: „Und wir sind hier erst am Anfang“, betont der Experte.
Salzburg wird zum Kaffee-Mekka
Um große Geschmacksvielfalt bemüht sind auch die Teilnehmenden der Austria Coffee Championships, die von 5. bis 8. November Salzburg in ein Mekka für Kaffeeliebhaber:innen verwandeln. Die nationale und internationale Kaffee-Elite versammelt sich für den Bewerb, der im Rahmen der GAST über die Bühne gehen wird. Nicoll ist als Sponsor vertreten, Stubberud als Juror. Wer Einblick in die große Kunst des Kaffeemachens erhalten will, hat im Rahmen der Austria Coffee Championships die große Gelegenheit dazu.
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(Quelle: salzburg24)