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Mutige Widerstandskämpferin

Hallein erinnert mit mobilem Kunstprojekt an Agnes Primocic

Zweiter Salzburger "Ort des Gedenkens" eröffnet

Hallein erinnert Agnes Primocic APA/ORTE DES GEDENKENS/ROBERT OBERMAIR
Der rote, mit Informationen versehene Pkw parkt in den kommenden zwölf Monaten an vier Orten in Hallein.

Die Stadt Hallein ehrt und erinnert an die 2007 verstorbene Widerstandskämpferin Agnes Primocic mit einem "Ort des Gedenkens". Das Besondere: Statt eines statischen Denkmals soll mit einem roten Auto Aufmerksamkeit geschaffen und ein Zeichen gesetzt werden.

Hallein

Im April 2007 ist in Hallein (Tennengau) die Widerstandskämpferin Agnes Primocic im Alter von 102 Jahren gestorben. Im Zuge des Projektes "Orte des Gedenkens" des Landes Salzburg erinnert die Stadt nun ein Jahr lang an die mutige Frau, die im nationalsozialistischen Regime wohl mehr als einem Dutzend Menschen das Leben gerettet haben dürfte. Zur offiziellen Eröffnung am Samstag fehlte es nicht an mahnenden Worten – auch angesichts des aktuellen Rechtsrucks in der Gesellschaft.

Gemeinsames Erinnern an Agnes Primocic

"Agnes Primocic war weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannt. Sie trat resolut mit viel Überzeugungskraft auf und stellte immer wieder sehr direkte Fragen an die Menschen, die ihr begegneten", sagte der am Projekt beteiligte Historiker Albert Lichtblau. "Viele kannten sie in Hallein noch persönlich, aber für die jüngeren Generationen ist sie lediglich aus Erzählungen bekannt, wenn überhaupt." Das Projekt soll dabei helfen, die Erinnerung an sie und das Wirken des Widerstandes in Hallein zu erneuern.

Warum ein rotes Auto durch Hallein fährt

Statt eines statischen Denkmals vertritt "Orte des Gedenkens" eine lebendige Erinnerungskultur, die zunächst ein temporäres Kunstprojekt zum Kern hat. In Hallein wird die Salzburger Künstlerin Kathi Hofer mit einem "Auto für Agnes Primocic" ein Zeichen setzen. Der rote, mit Informationen versehene Pkw parkt in den kommenden zwölf Monaten an vier Orten in der Salinenstadt, die für die Zeitzeugin relevant waren. Ein QR-Code am Kleinwagen leitet zu Hörspaziergängen, die auf den Spuren von Primocic durch die Stadt führen. Bis Mai 2024 gibt es außerdem Diskussionsabende, Vorträge und Schulbesuche, die sich inhaltlich mit autoritären und totalitären Systemen, mit Widerstand und Zivilcourage beschäftigen.

Arbeiterin in Halleiner Zigarettenfabrik

Die 1905 geborene Arbeiterin in der Halleiner Zigarettenfabrik (ein sogenanntes "Tschickweib") engagierte sich früh in der Gewerkschaft. Sie beteiligte sich als Mitglied der KPÖ an der im Untergrund agierenden "Roten Hilfe" für in Not geratene Familien von politisch verfolgten Linken. Sie wurde im Austrofaschismus und später im Nationalsozialismus immer wieder verhaftet und von der Gestapo verhört. Da sie von ihren Mitstreitern nicht verpfiffen wurde, kam sie aber wieder frei und nicht ins KZ.

Zum Tode verurteilte KZ-Häftlinge gerettet

1943 verhalf sie dem späteren Organisator der Partisanengruppe Willy-Fred, Sepp Plieseis, zur Flucht aus einem Nebenlager des KZ Dachau außerhalb von Hallein. Im April 1945 war Primocic wesentlich daran beteiligt, 17 zum Tode verurteilten KZ-Häftlingen das Leben zu retten. In einer Rotkreuzuniform suchte die dreifache Mutter den Kommandanten des Lagers auf, um ihn angesichts der sich nahenden US-Armee erfolgreich zur Freilassung der Inhaftierten zu bewegen. Nach dem Krieg war die "rote Agnes" weiter politisch aktiv, saß für die KPÖ im Halleiner Stadtrat und war lange Jahre Obfrau des KZ-Verbandes Salzburg.

Mahnende Worte

Die Eröffnung am Samstag wurde von kritischen Worten der anwesenden Politikerinnen und Politiker begleitet. "Die ÖVP verhandelt in Salzburg gerade mit der FPÖ eine Landesregierung. Damit wird eine Partei in Regierungsverantwortung kommen, in der NS-Liedgut gehuldigt wird, in der Hilfe davon abhängig gemacht wird, wie gut ein Mensch Deutsch kann, in der Menschenrechte beschnitten werden, in der autokratischen Regimen gehuldigt wird", sagte die scheidende LHStv. Martina Berthold (Grüne).

Auch der Halleiner SPÖ-Bürgermeister Alexander Stangassinger warnte vor dem Rechtsruck in den östlichen und südlichen Nachbarländern und in Österreich selbst. "Was in solchen Phasen gebraucht wird, ist Widerstand", sagte er und griff einen bekannten Satz von Primocic auf: "Nicht stillhalten, wo Unrecht geschieht." In Vertretung des Zweiten Salzburger Landtagspräsidenten Sebastian Huber (NEOS) betonte der Historiker David Goldmann, dass das Aufrechterhalten einer offenen und demokratischen Gesellschaft viel Arbeit sei. "Wir brauchen Menschen, die hellwach bleiben und aufstehen, wenn es notwendig ist."

Salzburger "Orte des Gedenkens"

Die Arbeitsgemeinschaft "Orte des Gedenkens" errichtet bis 2027 in allen sechs politischen Bezirken des Landes einen künstlerisch gestalteten Ort auf Zeit, der an den Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime erinnern soll. Den Anfang machte im Vorjahr Neumarkt am Wallersee im Flachgau, im kommenden Jahr ist St. Johann im Pongau an der Reihe.

(Quelle: APA)

Aufgerufen am 05.06.2023 um 11:57 auf https://www.salzburg24.at/news/salzburg/tennengau/hallein-erinnert-an-widerstandskaempferin-agnes-primocic-138701938

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