Autism Awareness Month

Wartezeit für Autismus-Diagnose in Salzburg bei über einem Jahr

Veröffentlicht: 11. April 2024 15:15 Uhr
Schätzungsweise 85.000 Autist:innen leben in Österreich. Viele von ihnen sehen sich nicht nur zahlreichen Vorurteilen, sondern auch einem Mangel an Diagnose- und Beratungsangeboten gegenüber. Auch in Salzburg ist das Angebot zwar vorhanden, aber gering.

Der April ist weltweit „Autism Acceptance and Awareness Month“ – ein ganzer Monat ist also dem Ziel gewidmet, über Autismus aufzuklären und Vorurteile abzubauen. Auch hierzulande ist das noch notwendig, wie Melanie Lahl vom Verein unSICHTBAR. Zudem gebe es in Salzburg zwar die richtigen Angebote für Autist:innen, aber insgesamt einfach zu wenig. Das verdeutlichen auch die Schilderungen von Stadt-Salzburger Walter S., der mit dem Asperger-Syndrom selbst eine Form von Autismus hat.

Lange Wartezeiten bei Diagnostik in Salzburg

Der erste Mangel zeige sich bereits, wenn es an die Diagnose geht, meint Lahl. Die Mutter zweier autistischer Kinder spricht aus Erfahrung. Obwohl Autismus als Entwicklungsstörung oft schon in der frühen Kindheit sichtbar werde, ziehe sich der Prozess vom Anfangsverdacht bis zur dokumentierten Diagnose teils über eineinhalb Jahre. Parallel dazu gebe es auch nur wenige Anlaufstellen für die Eltern. Diesen ziehe es erstmal „den Boden weg“, wenn von den Pädagog:innen der Hinweis komme, dass sich das eigene Kind anders entwickle als der Rest der Gruppe. Die Diagnose gebe dann zwar Sicherheit und Orientierung, werfe aber auch viele Fragen über die Zukunft auf. Formulare wollen ausgefüllt, Anträge gestellt werden. „Es ist viel Zettelwirtschaft am Anfang“, so Lahl. Ihr Verein will die Eltern autistischer Kinder deshalb gerade bei den ersten Schritten unterstützen.

 

Bis vor einigen Jahren unterschied man drei Typen von Autismus: Frühkindlichen Autismus, atypischen Autismus und das Asperger-Syndrom. Letzteres wurde in den vergangenen Jahren durch die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg bekannt, die das Asperger-Syndrom hat. Weil sich Autist:innen mit ihren Symptomen aber so stark voneinander unterscheiden, spricht man mittlerweile von einem Spektrum. Das soll verdeutlichen, dass es „den einen Autismus“ nicht gibt.

Häufige Merkmale einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS) sind:

  • Schwierigkeiten in der sozialen Interaktion
  • Repetitive Verhaltensmuster
  • Sensorische Empfindlichkeiten
  • Starke Vorliebe für Routine

Salzburger schildert seine Erfahrungen mit Asperger

Wie langwierig der Weg bis zur Diagnose sein kann, weiß auch Stadt-Salzburger Walter S. Er hat Asperger – eine „leichte Form von Autismus“, wie der 42-Jährige im Gespräch mit SALZBURG24 erklärt. Klarheit darüber erhielt er aber erst im Erwachsenenalter. Bis dahin sei es „ein steiniger Weg“ gewesen. In der Schule, in der Ausbildung, beim Bundesheer: Immer habe er gemerkt, „dass irgendwas nicht stimmt.“ Von zu vielen und starken Reizen wie beispielsweise hellem Licht oder intensiven Gerüchen sei er schnell überfordert. Zudem habe er Probleme in der sozialen Kommunikation. Smalltalk? Schwierig. Die Interpretation von Gesichtsausdrücken und Körpersprache ebenso. Den Blickkontakt in Gesprächen zu halten habe er sich zwar angelernt, „aber es fühlt sich nicht gut an“, erzählt er. Letztlich habe seine ehemalige Therapeutin den Verdacht geäußert, dass er eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS) haben könnte, ein Diagnostiker bestätigte das.

Walter geht wegen seines Aspergers keiner gewöhnlichen Arbeit nach. Stattdessen verbringt er seit acht Jahren einige Tage pro Woche in einem Beschäftigungsprojekt von Pro Mente – in seinen Augen eine gute Sache. 4,80 Euro pro Stunde verdient er dort. „Für sehr einfache Arbeiten“, wie er betont. Zusätzlich wünsche er sich aber mehr Selbsthilfegruppen in Salzburg. Bisher gebe es nur in Seekirchen eine solche. „Da weiß ich nicht einmal, wie ich dort hinkommen soll.“

„Autist ist kein Schimpfwort“: Inklusive Sprache bei ASS

In Österreich gilt Autismus rechtlich gesehen als Behinderung, die in unterschiedliche Schweregrade eingeteilt wird. Doch im Gegensatz zu den sonst üblichen Ausdrücken „Mensch mit Behinderung“ oder „behinderter Mensch“, mit denen gezielt Mensch und Behinderung voneinander getrennt werden, verstehen viele Autist:innen ihren Autismus als etwas, das sie als Mensch auch ausmacht, erklärt das deutsche Projekt „Leidmedien“, das sich der Aufklärung über inklusive Sprache widmet, auf seiner Homepage. Viele von ihnen würden deshalb den Ausdruck Autist:in gegenüber „Mensch mit Autismus“ bevorzugen. Diese Erfahrung macht auch Lahl: „Autist ist kein Schimpfwort. Viele sind sogar stolz darauf“, schildert sie. Im Zweifelsfall rät sie, einfach nachzufragen, wie die Menschen gerne benannt werden möchten. Denn: „Wer einen Autisten kennt, kennt nur einen Autisten. Alle sind unterschiedlich.“

„Nicht jeder Autist ist gleich“, betont auch Walter. Der 42-Jährige selbst bezeichnet sich selten als Autist – weil er das Gefühl hat, dass es andere Menschen abschreckt und er seinen Autismus vor allem als Belastung empfindet, wie er erzählt. Er sagt: „Ich habe Asperger.“

Rund 85.000 Autist:innen in Österreich

Lahl erhofft sich als Mutter zweier Autisten weniger Vorverurteilung, wenn sich Kinder in der Öffentlichkeit nicht der Norm entsprechend verhalten. Obwohl man nie wisse was dahintersteckt, werde schnell die Erziehung kritisiert. Anstatt Eltern in Erklärungsnot zu bringen solle man sich einfach vor Augen halten, dass es schon einen Grund geben wird, warum sich das Kind so verhält. Entwicklungsstörungen seien von außen eben nicht direkt sichtbar.

Die genaue Ursache von Autismus ist nicht bekannt, aber es wird angenommen, dass eine Kombination genetischer und Umweltfaktoren eine Rolle spielt.

In Österreich leben schätzungsweise rund 85.000 Autist:innen. Wie viele es in Salzburg sind, ist laut Lahl schwer zu sagen. Viele bekämen nie eine Diagnose, weil sie gelernt hätten sich „anzupassen“. Vor allem Autistinnen seien gut im „tarnen“. Das könne auch erklären, warum ASS bei Männern häufiger und leichter diagnostiziert werden.

Anlaufstellen für Autist:innen und ihre Angehörigen in Salzburg

Für Kinder:

Für Kinder und Jugendliche:

Für Erwachsene:

Für alle:

  • VIA - Verein Initiative Autismus in der Landeshauptstadt und allen Bezirken: Diagnostik, Therapie, Beratung, Selbsthilfegruppe Asperger
  • Sumsitua in der Landeshauptstadt: Therapie, Beratung

Neben Diagnostik-, Therapie- und Beratungs-Angeboten gibt es in Salzburg für Autist:innen auch die Möglichkeit, Hilfe im Bereich Job und Wohnen zu bekommen. Das funktioniert durch Beschäftigungsangebote, Arbeitstrainings oder Arbeitsbegleitung sowie eigenen Wohn- und Tagesbetreuungsangebote, die von der Lebenshilfe, der Caritas und der Diakonie betrieben werden.

Eine Übersicht zu allen Angeboten für Autist:innen im Bundesland Salzburg

(Quelle: salzburg24)

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