Neue Forschungserkenntnisse

Warum die Salzburger Tracht gar nicht so "alt" ist wie gedacht

Hieronymus Bitschnau von der Fachstelle für Regional- und Popularkultur der Salzburger Volkskultur hat uns Details über die Entstehungsgeschichte der Salzburger Tracht verraten und Einblicke in das Archiv gewährt. 
Veröffentlicht: 17. September 2024 16:20 Uhr
Wer an Salzburger Musikkapellen, Heimatvereine und Co denkt, assoziiert damit zwangsläufig die Tracht. Während die Tradition einiger Kleidungsstücke – zum Beispiel die Pinzgauer Frauentracht – Jahrhunderte zurückreicht, handelt es sich bei einem Großteil um Erneuerungen, die von alten Vorbildern inspiriert wurden. Protokolle aus dem Anfang des 20. Jahrhunderts, die noch detailliertere Einblicke in die Entstehungsgeschichte und die Suche nach der „echten“ Salzburger Tracht liefern, sind nun erstmals analysiert worden.

Die Vielfalt an Tracht im Bundesland Salzburg ist groß: Je nach Region, teilweise sogar je nach Gemeinde, gibt es Besonderheiten. Doch ein Großteil der traditionellen Kleidungsstücke ist noch gar nicht so alt, wie man vielleicht glauben mag. Denn vieles, was Trachtenmusikkapellen, Trachtenvereine und Co heute tragen, wurde erst im vergangenen Jahrhundert – angelehnt an alte Vorbilder – erneuert, erklärt Hieronymus Bitschnau von der Fachstelle für Regional- und Popularkultur der Salzburger Volkskultur. Nun wurden erstmals Protokolle des Dachverbands für Trachtenvereine in Österreich aus dem 20. Jahrhundert unter die Lupe genommen, die weitere Aufschlüsse in Hinblick auf die Entwicklung der Salzburger Tracht geben. Beim S24-Besuch im Haus der Volkskulturen hat Bitschnau von den neusten Erkenntnissen berichtet und uns einen Einblick in das Archiv gewährt.

Tracht aus Bayern "kopiert"

Eine wichtige Rolle in der Geschichte der Tracht spielte laut Bitschnau die Entstehung vieler Vereine im 19. Jahrhundert. Damals hatte sich in Salzburg vieles verändert: Die Infrastruktur verbesserte sich, die Menschen zogen weg vom Land in städtische Zentren. „Gleichzeitig glaubte man, dass das bäuerliche Leben, die Traditionen und Bräuche verloren gehen.“ Also gründeten sich viele Vereine, berichtet der 40-Jährige. Im Staatsgrundgesetz von 1867 wurde erstmals Versammlungs- und Vereinsfreiheit verankert und viele Menschen aus dem Kleinbürgertum wie Lehrpersonal oder Kaufleute gründeten Vereine. Zu Beginn sei der Zweck gewesen, gemeinsam in die Berge zu gehen. Getragen wurde eine kurze Lederhose. „Das wurde ein bisschen aus Bayern kopiert, genauso wie das Dirndlgewand, das die Sommerfrische-Gäste mitgebracht haben. Es war Mode von der Stange, die damals als Gebirgstracht galt. Nach heutigen Maßstäben sah das eher aus wie auf dem Oktoberfest“, schmunzelt Bitschnau. Die Trachtengeschäfte zu dieser Zeit hätten sich den Trends angepasst und das verkauft, was gerade „in“ war. Als eines der großen Vorbilder nennt er etwa die Miesbacher Tracht aus Bayern.

Im Laufe der Zeit habe sich der Zweck von Vereinen allerdings immer mehr verschoben – vom gemeinsamen Berggehen hin zum sogenannten Trachtenerhaltungsverein. Gleichzeitig sollte bei einem großen Umzug anlässlich des Kaiserjubiläums im Jahr 1908 in Wien jede Region eine Gruppe in typischer Tracht stellen. Dabei sei schließlich die Frage aufgekommen: Was ist eigentlich die Salzburger Tracht? „Die Menschen stöberten auf den Dachböden, allerdings kamen sie sehr urig und zünftig daher. Viele hatten zum Beispiel Pfeifen im Mund.“

Dachverband für Trachtenvereine in Salzburg gegründet

So gründete sich im selben Jahr in Salzburg ein Dachverband für alle Trachtenvereine Österreichs. Das Ziel: Die Salzburgerinnen und Salzburger weg von den bayerischen Einflüssen und zurück zur eigenen Tracht zu bringen. Wie dabei genau vorgegangen wurde, zeigt eine Analyse der Protokolle des „Ersten Reichsverbands der alpinen Volks- und Gebirgstrachtenvereine sämtlicher Kronländer Österreichs“. Damals wurde noch in Kurrentschrift geschrieben. Eine Vielzahl an gesammelten Büchern hat Bitschnau erstmals transkribiert und untersucht. „Bevor es das Haus der Volkskulturen gegeben hat, waren diese Dokumente in der ganzen Stadt verstreut. Einiges wurde gerade noch vor dem Wegwerfen gerettet. Einen solchen Einblick in diesen Verband hat es zuvor noch nie gegeben.“

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Aus den recht gut erhaltenen Protokollen, deren Seiten jedoch etwas vergilbt sind, geht etwa hervor, dass der Verband zunächst erstmals eine österreichweite Erhebung durchgeführt hat, wie viele Trachtenvereine es überhaupt gibt. Die Ergebnisse wurden in Tabellenform festgehalten. Viele der damals genannten Vereine gibt es noch heute, zum Beispiel „D’Kitzstoana Zell am See“. Erfasst wurden zudem sogar einige Trachtenvereine außerhalb Österreichs, darunter „Die lustigen Salzburger in Hamburg“.

Kuenburg-Sammlung als Inspiration für neue Vorlagen

Im Jahr 1910 schaltete sich auch das Land Salzburg ein und gründete eine eigene Kommission, die sich neben dem Erhalt von Traditionen und Bräuchen ebenfalls mit der Suche nach der Salzburger Tracht beschäftigen sollte. Um Schneidervorlagen der erneuerten Salzburger Tracht zu erstellen, bot neben anderen Recherchen die Kuenburg-Sammlung, die um die 1780er- oder 1790er-Jahre entstanden sein dürfte, Anhaltspunkte. Auf ursprünglich 400 Bildern war die komplette Salzburger Gesellschaft in Farbe abgebildet – von der Bauersfrau aus Adnet bis zum Erzbischof. 200 Bilder blieben erhalten. Besonderes die Farben dienten als Orientierung für die neuen Vorlagen, was sich etwa bei der Tennengauer Tracht zeige.

Erste Trachtenmappe 1935

In den Jahren 1911 und 1912 entstand schließlich ein Vorschlag für eine Salzburger Männertracht. Die erste der bekannten Salzburger Trachtenmappen erschien aufgrund des Ersten Weltkrieges erst im Jahr 1935. Die Mappe enthielt Skizzen für verschiedenste Modelle – je nach Region. Während man die Ursprünge der Pinzgauer Festtagstracht, die seit 2021 immaterielles UNESCO-Kulturerbe ist, bis ins 17. Jahrhundert zurückverfolgen kann, sei der Rest zum Großteil erneuert worden. Auch das Henndorfer Dirndl sei über Salzburgs Grenzen hinaus bekannt. Das typische Karomuster kam bereits um 1900 vor, sagt der Forscher.

Bilder Trachtenmappe von 1935

Ebenfalls 1935 entworfen wurde der Salzburger Landesanzug, den es in ähnlicher Form in der Steiermark bereits gegeben hatte. Für den Entwurf der typischen Salzburger Landestracht für Männer gab es sogar ein eigenes Gesetzesblatt. Der Anzug wurde für Lehrer, Beamte und Co zur Dienstkleidung, wodurch ein Beitrag geleistet werden sollte, die Tracht wieder in der Bevölkerung zu verankern.

Uniformierung der Musikkapellen als Folge

Änderungen brachten die neuen Vorlagen auch für Musikkapellen. „Die meisten Kapellen sind um 1840 gegründet worden. Die Musikanten haben aber das getragen, was sie hatten und das war nicht zwingend Tracht. Eine komplette Uniformierung, wie wir es heute kennen, hat es damals noch nicht gegeben“, führt Bitschnau aus. Nach dem zweiten Weltkrieg, in den 1950er-Jahren, folgte dann eine regelrechte Welle an Neueikleidungen für die Vereine. „Wenn man mit Zeitzeugen spricht, war auch Stolz dabei, als sie endlich die Tracht bekommen haben. Dass Vereine bei Auftritten einheitlich angezogen sein sollen, hat der Reichsverband in den Protokollen immer wieder wiederholt.“

Beschreibungen Trachtenmappe von 1935

Wie aus den Informationen des Reichsverbandes hervorgeht, dürfte die Trachtenmusikkapelle Maxglan einer der ersten Vereine gewesen sein, der mit einer „neuen“ Tracht ausgestattet wurde, merkt der Experte für Regional- und Popularkultur an. Die knöchellangen, dunklen Hosen mit weißen Socken und schwarzen Schuhen sind bis heute auf Fotos der Musikant:innen zu sehen.

Neben der Entwicklung der Salzburger Tracht lässt sich aus den Protokollen des Dachverbandes vieles über die Innenansicht des Vereinslebens zu der damaligen Zeit herausfinden, freut sich Bitschnau. „Einmal dürfte sich der Vorstand mit dem Schriftführer zerstritten haben. Das merkt man an der Schrift und man sieht, wie er plötzlich Persönliches ins Protokoll reinfetzt. Und dann war er nie wieder gesehen“, plaudert der gebürtige Vorarlberger aus.

Wie steht ihr zur Tracht? Habt ihr typische Salzburger Modelle im Schrank, soll es lieber ganz aktuell sein oder verzichtet ihr komplett darauf? Tauscht euch gerne in den Kommentaren aus.

Bildergalerien

Hieronymus Bitschnau von der Fachstelle für Regional- und Popularkultur der Salzburger Volkskultur hat uns Details über die Entstehungsgeschichte der Salzburger Tracht verraten und Einblicke in das Archiv gewährt. 
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(Quelle: salzburg24)

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