Könnt ihr euch noch an „Impfdrängler“ oder „Impfneid“ erinnern? Mit Start der ersten Corona-Impfungen in Österreich und der knappen Verfügbarkeit von Impfstoff hatten wir diese Worte im ersten Halbjahr 2021 fleißig in Verwendung. Heute, ein Jahr später und mehr als genug zur Verfügung stehenden Vakzinen haben wir es vor allem mit „Impfgegnern“, „Boosterimpfung“ oder „Impfregime“ zu tun. Die Sprache ist also in einem stetigen Wandel und passt sich den allgemeinen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen an.
Sprache passt sich ständig an
„Wenn neue Dinge auf der Welt passieren, dann wollen wir darüber kommunizieren und so entstehen neue Bezeichnungen, neue Worte“, sagt Annette Klosa-Kückelhaus, Leiterin Programmbereich „Lexikographie und Sprachdokumentation“ vom Leibniz-Institut für Deutsche Sprache (IDS), am Donnerstag im Interview mit SALZBURG24. Klosa-Kückelhaus forscht seit Beginn der Pandemie zur Frage, wie Corona die Sprache verändert – und hat bis heute 2.000 durch Corona neu entstandene Worte samt Bedeutung in einem eigenen Neologismenwörterbuch dokumentiert.
„Als die Corona-Pandemie anfing, habe ich ehrlich gesagt nicht vorausgesehen, welche Dimension die Krise haben würde. Ich dachte, wir bekommen eine Bezeichnung für ein neues Virus oder eine Krankheit, aber ich hätte nie geglaubt, dass uns das auch zwei Jahre danach noch beschäftigen würde“, so die Sprachwissenschafterin.

Wie neue Worte entstehen
Als Grundlagenmaterial stehen Klosa-Kückelhaus Unmengen an Zeitungsartikel zur Verfügung, ebenso Postings auf Twitter und Facebook oder ein großer Fundus an digitalen Textsammlungen, die mithilfe eines Computers gezielt durchsucht werden können. „Es geht uns darum zu erkennen, ob ein Wort gerade zum allerersten Mal vorkommt oder in einer bestimmten Häufigkeit und dann vielleicht ein Kandidat für uns ist.“
Die neuen Termini kommen laut Klosa-Kückelhaus „in großer Häufigkeit“ aus Bereichen wie Medizin (Triage), Epidemiologie (Inzidenz) oder auch Justiz und hätten dort meist eine andere Ursprungsbedeutung. Ein Beispiel: Der Terminus „gestufte Lockerung“ – spätestens seit gestern auch den meisten Menschen in Österreich ein Begriff – kommt eigentlich aus dem Strafrecht und wird dort für Straftäter verwendet, die peu à peu in die Gesellschaft zurückgeführt werden und Freigänge bekommen. „Der Sachkontext ist hier ein ganz anderer.“ Im Zusammenhang mit Corona wird diese Begrifflichkeit benutzt, um die Schritt-für-Schritt-Lockerungen der bestehenden Corona-Maßnahmen zu beschreiben.
Aber verstehen und verwenden wir in unserer Alltagssprache die neuen Wörter denn auch richtig? „Ich glaube, dass viele eine ungefähre Vorstellung davon haben, was das bedeutet. Aber ganz sicher nicht die enge fachliche Definition kennen. Denn wenn solche Fachwörter in die Alltagssprache wandern, dann verwässert die Definition. Doch den allgemeinen Bedeutungskern kennt jede und jeder.“

Neben den verwendeten Begriffen aus den wissenschaftlichen Disziplinen entstehen auch zahlreiche Wortbildungen unmittelbar in der Alltagssprache. „Diese werden geprägt von den Sprecherinnen und Sprechern und häufig über die sozialen Netzwerke verbreitet“, weiß Klosa-Kückelhaus. Das sind etwa Worte wie „MuNaSchu“ (für Mund-Nasen-Schutz), „Schlafschafe“ (als abwertende Bezeichnung für Menschen, die nicht an Verschwörungstheorien glauben) oder „Corona-Party“ (für die Beschreibung eines geselligen Beisammenseins trotz bzw. wegen eines staatlich verordneten Lockdowns). Dabei werden die Wörter sowohl im Deutschen gebildet, als auch aus dem Englischen entlehnt (wie etwa „Containment“).
Corona bringt "extrem schnellen Prozess"
Erstaunt ist die Forscherin darüber, wie schnell die neuen Begriffe Einzug in die Sprache finden. „Wenn Entlehnungen ins Deutsche kommen, dauert das oft jahrelang bis sie integriert werden. Bei Corona-Wörtern ist das hingegen ein extrem schneller Prozess.“ Und welche Worte sind es nun, die auch Post-Corona in unserem Sprachgebrauch verwendet werden? „Ich hoffe, möglichst wenige – denn das würde bedeuten, dass man sie nicht mehr braucht.“ Klosa-Kückelhaus rechnet damit, dass bis in zehn Jahren etwa noch zehn Prozent der gesamten Wortvielfalt im Allgemeinwortschatz verwendet wird. Das wären mit Stand jetzt rund 200 Begriffe. Darunter fallen etwa „Corona“, „Covid“ oder „Lockdown“. Alle anderen Worte würden quasi auf „Standby“ gelegt und im Falle einer neuerlichen Pandemie umgehend wieder abrufbar sein.
Babyelefant „nur“ in Österreich
Übrigens: Der uns allen bekannte „Babyelefant“ als Bezeichnung für den Mindestabstand von einem Meter zwischen zwei Personen zur Vermeidung einer Covid-19-Infektion hat es ebenso ins Corona-Wörterbuch des Leibnitz-Instituts für Deutsche Sprache geschafft – und das, obwohl ist das Wort des Jahres 2020 bei unseren Nachbarn in Deutschland nicht verwendet wird. Damit bleibt der "Babyelefant" durch und durch österreichisch.
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