Experten klären auf

Wieso die Pandemie Suchtverhalten befeuert

Veröffentlicht: 26. Jänner 2022 11:58 Uhr
Die Corona-Pandemie wirkt sich mit zunehmender Dauer auf unsere Psyche aus. Das schlägt sich in psychischen Erkrankungen und Suchtverhalten nieder. Wieso diese Reaktionen naheliegend sind und wie Salzburgerinnen und Salzburger künftig Angehörigen zur Seite stehen können – wir haben nachgefragt.
Johannes Posani

Offenbart die Corona-Pandemie schon bald das wahre Maß ihrer Auswirkungen auf unsere Seele? Der Suchtbericht des Landes Salzburg für das Jahr 2020 verweist auf zahlreiche internationale Studien, die eine zehn- bis 15-prozentige Zunahme von Alkohol-, Nikotin-, Schlaf-, und Beruhigungsmittel nachgewiesen haben.

Eine alarmierende Bilanz, die Dr. Alexander Schorb, leitender Oberarzt an den Salzburger Landeskliniken (SALK) im SALZBURG24-Gespräch, wie folgt erklärt: „Die Pandemie ist für die Menschen eine Belastung und auch bei vielen mit Angst verbunden. Der eine oder andere versucht das mit der Entwicklung eines Suchtverhaltens zu kompensieren.“

Salzburger Patienten müssen warten

Das Thema sei jedoch vielschichtig: „Auf der anderen Seite wird obdachlosen Suchtpatientinnen und -Patienten aktuell mehr geholfen als vor der Pandemie.“ An den SALK führe die Pandemie im Bereich Suchtmedizin indes dazu, dass immer wieder Personalverschiebungen stattfinden und so ein vermindertes Angebot vorzufinden ist, erklärt der Oberarzt. Therapietermine können für vier bis sechs Wochen nach hinten verschoben werden.

Alexander Schorb SALK
Dr. Alexander Schorb ist leitender Oberarzt im Bereich Suchtmedizin und sportpsychiatrisch-sportpsychotherapeutische Ambulanz an den Salzburger Landeskliniken.

Wenn man in die Sucht schlittert

Wer in eine Sucht schlittert, der versucht dadurch seine Emotionen zu regulieren, wie der Mediziner erklärt: „Treten heftige Emotionen in einem auf, die man nicht selbst bewältigen kann, kann man versuchen, diese mithilfe von Suchtstoffen zu regulieren.“ Dabei sei jeder Mensch für eine andere Form von Sucht empfänglich. Neben Alkohol- oder Drogenabhängigkeit weist Schorb auch auf Bulimie oder Sportsucht hin – und nennt ein Beispiel: „Wir hatten eine Patientin, die vor der Pandemie regelmäßig ins Fitnessstudio gegangen ist. Als dieses schließen musste, hat sich ihr Essverhalten verändert und eine Suchtverlagerung in Richtung Alkohol stattgefunden.“

Im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stellt der Oberarzt mehrere so genannter Suchtverlagerungen fest. Zieht sich die Pandemie noch weiter in die Länge, könne das ein erhöhtes Suchtverhalten theoretisch fördern. Schorb schränkt jedoch ein: „Man muss die langfristige Entwicklung der Pandemie abwarten. Wird diese endemisch, wird sich das Suchtproblem wieder regulieren, andernfalls kann es auch drastischer werden.“

Ersthelfer für die Seele

Und was tun, wenn jemand im Umfeld mit psychischen Problemen zu kämpfen hat? Wer hier adäquat Hilfe leisten will, der kann sich seit kurzem zum Ersthelfer für die Seele ausbilden lassen. Das Angebot stammt von Pro Mente Salzburg: „Wir wollen in diesen Kursen Handwerkszeug im Falle von psychischen Krisen vermitteln. Und zwar nicht im Sinne einer Professionalisierung, sondern quer durch alle Altersgruppen und Ausbildungsgrade“, erklärt Josef Demitsch, der Leiter der Ambulanten Krisenintervention, im Gespräch mit SALZBURG24.

Josef Demitsch Krisenintervention Salzburg SALZBURG24/Posani
Josef Demitsch, Leiter der Ambulanten Krisenintervention in Salzburg.

In einem zwölfstündigen Kurs werden praxisnahe theoretische Inhalte vermittelt und eine konkrete Anleitung erlernt, wie bei psychischen Problemen Hilfe geleistet werden kann. „Wir bieten in diesem Kurs Fallgeschichten, Rollenspiele, Beispielfilme und Interviews mit Betroffenen an“, erklärt Demitsch, der sich noch vor Beginn der Corona-Pandemie 2020 zum Kursleiter ausbilden hat lassen.

Große Nachfrage wegen Corona-Pandemie

„Pro Mente Salzburg hat die Lizenz dieses Kurses von der Universität Melbourne mithilfe des Fonds Gesundes Österreich gekauft“, berichtet der Experte. Seit März 2021 werden die Kurse nun in Salzburg angeboten, das Interesse sei groß: „Wir haben mittlerweile 13 Kurse abgehalten, vier weitere sind schon fix geplant.“ 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sind pro Kurs vorgesehen.

 

Das Timing hätte besser nicht sein können: „Psychische Gesundheit war schon immer ein Thema, aber ich gehe mit Sicherheit davon aus, dass die große Nachfrage mit der Corona-Pandemie in Verbindung steht“, betont Demitsch. „Der ständige Hinweis, dass diese unsichere Situation psychische Konsequenzen nach sich zieht, destabilisiert die Menschen.“ Daher gilt es gegen die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Seele anzukämpfen – oder sich entsprechende Hilfe zu holen.

(Quelle: salzburg24)

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