Unter starken Schmerzen während ihrer Periode leiden zwei von drei Frauen in Österreich. Das zeigt der erste Menstruationsgesundheitsbericht in Österreich, den Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) vor rund einem Monat in Salzburg präsentierte. Kurz darauf berichtet er über die Ergebnisse in einem Video auf seinem Instagram-Account – während er die Regelschmerzen mit einem Menstruationssimulator am eigenen Körper erfuhr. Spätestens bei den starken Schmerzen hieß es dann: „So geht es nicht!“
Im Netz kursieren viele Videos, in denen Männer diese Schmerzen nachfühlen. Sie schlagen sich mal mehr, mal weniger gut – während die meisten Frauen nicht einmal mit der Wimper zucken. Halten Frauen also mehr Schmerzen aus?
„Prinzipiell funktioniert die Schmerzwahrnehmung bei gesunden Menschen immer gleich“, erklärt Stefan Leis, leitender Oberarzt der Neurologie an den Salzburger Landeskliniken, im SALZBURG24-Interview. Wie leicht oder stark Schmerzen sind, hängt unter anderem von der Reizintensität ab. Ein Beispiel: Wenn ein Apfel auf den Fuß fällt, tut es weniger weh, als wenn ein schwerer Stein auf den Fuß fällt. „Weil die Schmerzrezeptoren dadurch stärker gereizt werden“, erläutert der Neurologe.
Menschen empfinden Schmerzen unterschiedlich
Warum tut der gleiche Schmerz für die einen mehr und die anderen weniger weh? „Da kommt die Schmerzempfindlichkeit ins Spiel. Die ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich und hängt von verschiedenen Faktoren ab“, erläutert Leis. Ein Grund kann der Hormonspiegel und die Verteilung vom männlichen Testosteron und den weiblichen Hormonen Östrogen und Progesteron sein. Im Beispiel der Regelbeschwerden heißt das: Wenn der Östrogenspiegel während der Monatsblutung sinkt, steigt die Schmerzempfindlichkeit.
Die Studienlage, ob Frauen oder Männer schmerztoleranter sind, ist nicht ganz einheitlich. „Oft sind Frauen aber empfindlicher“, sagt der Neurologe. Wie kann es dann sein, dass sich Männer bei Menstruationssimulatoren so stark krümmen? „Weil es eben auf viele verschiedene Faktoren ankommt. Zum Beispiel, welche Erfahrungen ich mit Schmerzen bisher gemacht habe“, klärt der Arzt auf. Eine Studie der Universität Manchester bewies, dass das Schmerzempfinden vom Wetter abhängen kann.
Genetische, psychologische, soziale und kulturelle Aspekte beeinflussen das Schmerzempfinden ebenso. Andere Kulturen hätten einen ganz anderen Umgang mit Schmerzen – „Indianer kennen keine Schmerzen“, nennt Leis ein Sprichwort als Beispiel. Während Naturvölker Schmerzen sehr gut tolerieren, solange sie die Ursache dafür kennen, gehen die Menschen in den USA frühzeitig zu Ärzt:innen, um schnell behandelt zu werden. Menschen im Mittelmeerraum und im Nahen Osten würden häufig dazu neigen, ihre Leiden laut und emotional zu verarbeiten.
Neurologe warnt vor Chronifizierung der Schmerzen
Wenn wir mit Beschwerden zu Ärzt:innen gehen, müssen wir unsere Schmerzen manchmal auf einer Skala von eins bis zehn einordnen. Obwohl diese so unterschiedlich empfunden werden, sei die Einordnung für die behandelnden Ärzt:innen wichtig, so Leis. Denn: „Wenn zwei Menschen dem gleichen Reiz ausgesetzt sind, schmerzt es Person A mit einer Stärke von acht und Person B mit einer Stärke von vier. Das muss man dann adäquat und individuell behandeln.“ Geschieht das nicht, könnten die Schmerzen chronifizieren.
Dass Schmerzen – vor allem sehr starke – unbedingt ernst genommen und medizinisch abgeklärt werden sollen, dazu hat auch Sylvia Gaiswinkler, Studienautorin des Menstruationsgesundheitsberichts, geraten. Nur so können schwerwiegende Krankheiten wie Endometriose, im Falle von enormen Regelbeschwerden, entdeckt werden.
(Quelle: salzburg24)