Der des Mordes an seiner Freundin Reeva Steenkamp beschuldigte Südafrikaner wurde bis zum 20. Juni als Tagespatient im Weskoppies Psychiatric Hospital in Pretoria von drei Psychiatern und einem klinischen Psychologen untersucht. Pistorius brauchte dort aber nicht zu übernachten, weil er sich gegen Kaution in Freiheit befindet.
Der körperlich behinderte Profisportler ist angeklagt, in der Nacht auf den 14. Februar 2013 in seinem Haus Steenkamp ermordet zu haben. Der 27-Jährige beteuert allerdings, dass er nur deshalb durch eine geschlossene Toilettentür geschossen habe, weil er dahinter einen Einbrecher vermutete und in Panik geraten sei. Er habe nicht gewusst, dass sich seine Freundin dort befunden habe.
Bei der Vorlage der psychiatrischen Gutachten wird sich zeigen, ob die Experten zu einem übereinstimmenden Ergebnis gekommen sind. Sollte das der Fall sein, müssen Verteidigung und Staatsanwaltschaft den Befund akzeptieren oder aber Experten ihrer Wahl in den Zeugenstand rufen, um die Analysen infrage stellen zu können.
Pistorius und sein Verteidiger Barry Roux haben bisher nicht versucht, auf Unzurechnungsfähigkeit zu plädieren. Sollten die Psychiater den Angeklagten für nicht schuldfähig halten, müsste er auf unbestimmte Zeit in eine geschlossene psychiatrische Anstalt.
Die psychiatrische Untersuchung verdankt er Staatsanwaltschaft Gerrie Nel, der Pistorius bei einem Schuldspruch mit aller Härte des Gesetzes bestraft sehen möchte. Dem Sportler droht eine lebenslange Haftstrafe. Er müsste dann mindestens 25 Jahre ins Gefängnis.
Sollten die Psychiater Pistorius volle Schuldfähigkeit bescheinigen, kann er bei einer Verurteilung - sei es wegen Mordes oder Totschlags - kaum auf mildernde Umstände hoffen. Um diese Option offen zu halten, hatte die Verteidigung im Mai die Psychiaterin Merryl Vorster als Zeugin geladen. Sie bescheinigte dem 27-Jährigen eine Angststörung. Diese sei aber nicht so schwer, dass Wahrnehmungsstörungen und damit eine Paranoia diagnostiziert werden könnten. Pistorius sei daher für seine Handlungen verantwortlich. Der Angeklagte selbst hatte sich im Kreuzverhör des Staatsanwalts als psychisches Wrack beschrieben, der Antidepressiva nehmen müsse.
Sollte die Vorlage der psychiatrischen Gutachten nicht neue Komplikationen in dem spektakulären Indizienprozess bringen, würde das Verfahren allmählich in die Schlussrunde kommen. Seit Prozessbeginn am 3. März gab es bisher 33 Verhandlungstage. Mehrere Fernsehsender übertragen den Prozess live.
Die Verteidigung hat angekündigt, noch einige Experten in den Zeugenstand rufen zu wollen. Zu ihnen zählt auch der Arzt Gerald Versfeld, der Pistorius im Alter von elf Monaten wegen einer angeborenen Fehlbildung der Wadenbeine und Füße die beiden Unterschenkel amputierte. Die Aussage soll aus Sicht von Juristen vor allem zeigen, wie sehr die Behinderung des Angeklagten seine Angst vor einem möglichen Einbrecher befördert habe.
Sobald die Zeugenaussagen der Verteidigung beendet sind, beginnt die Phase der Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidiger. Richterin Thokozile Masipa wird dann - vermutlich einige Tage nach den Plädoyers - ihr Urteil verkünden. Die südafrikanische Justiz kennt kein Geschworenengericht; der Richter entscheidet.
(Quelle: salzburg24)